VwGH vom 21.10.2004, 2001/13/0264
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der I GmbH in W, vertreten durch Prettenhofer & Jandl Partnerschaft, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Oppolzergasse 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom , Zl. RV/313- 11/01/2000, betreffend Körperschaftsteuer 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gesellschaft hat ihren Sitz und den Ort ihrer Geschäftsleitung in Österreich und bilanziert zum 31. Dezember. Zu ihrem Unternehmensgegenstand zählt neben der Verwaltung und Vermietung von Gebäuden u.a. die Beteiligung an anderen, gleichen oder ähnlichen Zwecken dienenden Unternehmen, ausgenommen Bankgeschäfte. Sie war zumindest im Streitjahr 1998 u. a. an der AH SA in Brüssel zu 99,99 % und an der C SA in Luxemburg zu 99,92 % beteiligt. Die C SA in Luxemburg war wiederum zu 99 % und die beschwerdeführende Gesellschaft zu 1 % an der C SA Brüssel beteiligt. Die beschwerdeführende Gesellschaft hatte der Tochtergesellschaft AH SA Brüssel und der Enkelgesellschaft C SA Brüssel Darlehen gewährt und dafür Zinsen erhalten. Der belgischen Steuerverwaltung wurden für diese Zinsen Steuern in Höhe von 15 % der erhaltenen Zinsen, nämlich für das Jahr 1997 umgerechnet 412.362,15 EUR (5,674.227 S) abgeführt.
Mit ihrer Körperschaftsteuererklärung für 1998 erklärte die beschwerdeführende Gesellschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von rund 33 Millionen S und rechnete dagegen im selben Betrag IFB-Verluste auf. Sie beantragte, zur Vermeidung der Doppelbesteuerung den Betrag von 5,674.227 S an ausländischer Steuer anzurechnen. Die anzurechnende Steuer erläuterte sie in einer Beilage zur Körperschaftsteuererklärung 1998 als belgische Quellensteuer auf Zinserträge aus Darlehen 1997 an die AH SA und die C SA.
Das Finanzamt setzte die Körperschaftsteuer vom Einkommen mit 0 S fest und schrieb lediglich eine Mindestkörperschaftsteuer in Höhe von 67.500 S vor, von der sie inländische Kapitalertragsteuer im Betrag von 22.829 S in Abzug brachte. Eine Anrechnung der belgischen Quellensteuer unterblieb.
Die dagegen erhobene Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft richtete sich nach ihrem Wortlaut gegen die Nichtanrechnung von ausländischen Steuern in Höhe von 5,674.227 S. Bei der ausländischen Steuer handle es sich um belgische Kapitalertragsteuer, die für Zinserträge aus Darlehen an die Tochtergesellschaften für das Jahr 1997 in Höhe von 15 % in Abzug gebracht worden sei. In den steuerpflichtigen Einkünften des Jahres 1998 seien Zinserträge aus diesen Darlehen in Höhe von rund 34,2 Millionen S enthalten, für die belgische Kapitalertragsteuer in Höhe von 6.028.556,27 S in Abzug gebracht worden sei. Das zu versteuernde Einkommen sei in diesen Jahren auf Grund von verrechenbaren Wartetastenverlusten aus der Inanspruchnahme von Investitionsfreibeträgen jeweils Null gewesen, weshalb eine Anrechnung der belgischen Kapitalertragsteuer nicht vorgenommen worden sei. Da die vollen Zinserträge in den Einkünften vor Verrechnung mit IFB-Verlusten enthalten seien und somit zukünftig "bei Verbrauch" der Verluste mit 34 % Körperschaftsteuer belastet würden, andererseits die 15 %ige belgische Kapitalertragsteuer bezahlt worden sei, handle es sich um eine Doppelbesteuerung. Daher beantrage die beschwerdeführende Gesellschaft, dass die belgische Kapitalertragsteuer laut Erklärung angerechnet und erstattet werde "bzw. zumindest ein Anrechnungsvortrag dieser belgischen Kapitalertragsteuer vorgenommen" werde.
Diese Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Der von der beschwerdeführenden Gesellschaft begehrten Anrechnung der belgischen Kapitalertragsteuer nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Belgien stehe entgegen, dass vorrangig der aus dem Investitionsfreibetrag resultierende Verlust der Vorjahre "bis zur Einkommensgrenze Null zum Abzug kam und demnach die Quellensteuer in der Körperschaftsteuer keine Deckung fand". Betreffend das Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft, dass ein Teil der Zinserträge in den Einkünften des Jahres 1997 enthalten sei, sei zu bemerken, dass grundsätzlich eine Steueranrechnung für das Jahr zu erfolgen habe, in dem die Anrechnungseinkünfte in Österreich steuerlich erfasst würden und somit nur die auf die im Veranlagungsjahr 1998 steuerlich erfassten Zinserträge entfallende Zinsertragsteuer angerechnet werden könnte. Ein Anrechnungsvortrag betreffend die nicht angerechnete ausländische Kapitalertragsteuer sei steuerrechtlich nicht vorgesehen.
Mit Beschluss vom , B 191/01-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der vor ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Gesellschaft trägt vor, sie sei sowohl in der Kapitalverkehrsfreiheit als auch in der Niederlassungsfreiheit im Sinne des EG verletzt. Sie habe Darlehen an ihre Tochtergesellschaften vergeben und dafür Zinsen erhalten. Hätte die beschwerdeführende Gesellschaft dieses Kapital bei einer österreichischen Bank veranlagt und daraus Zinsen erhalten, wäre eine Besteuerung unterblieben. Eine auf die Bankzinsen erhobene österreichische Kapitalertragsteuer wäre nämlich rückerstattet worden. Im Beschwerdefall habe die beschwerdeführende Gesellschaft jedoch in Belgien 15 % der in Belgien erhaltenen Zinsen als Quellensteuer entrichtet, welche ihr ohne Anrechnung in Österreich eine höhere steuerliche Belastung deshalb verursachten, weil die Darlehen belgischen Tochtergesellschaften gewährt worden seien. Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich im Recht verletzt, die in Belgien erhobene Steuer auf die von diesen Einkünften erhobene Steuer anzurechnen und bei fehlender Steuererhebung in Österreich rückerstattet zu bekommen sowie mit ihren aus Belgien stammenden Einkünften steuerlich genauso behandelt zu werden, wie wenn die Einkünfte aus Österreich stammen würden.
Nach § 1 Abs. 2 Z 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 (KStG) sind juristische Personen des privaten Rechtes unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte im Sinne des § 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG).
Nach § 2 Abs. 1 EStG ist der Einkommensteuer das Einkommen zu Grunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Einkommen ist nach § 2 Abs. 2 EStG der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im einzelnen aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie bestimmter Freibeträge. Einkünfte im Sinne dieser Bestimmung sind bei Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 4 EStG der Gewinn. Gewinn ist nach § 4 Abs. 1 EStG der durch doppelte Buchführung zu ermittelnde Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres.
Entsteht oder erhöht sich durch gewinnmindernd geltend gemachte Investitionsfreibeträge ein Verlust, so ist der Verlust gemäß § 10 Abs. 8 EStG insoweit weder ausgleichs- noch gemäß § 18 Abs. 6 und 7 vortragsfähig. Ein solcher Verlust ist mit späteren Gewinnen (Gewinnanteilen) aus diesem Betrieb frühestmöglich zu verrechnen.
Die Körperschaftsteuer wird bei unbeschränkt Steuerpflichtigen nach § 24 Abs. 1 KStG nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über die Veranlagung und Entrichtung der Steuer sind nach § 24 Abs. 3 KStG sinngemäß anzuwenden.
Nach Art. 11 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung bestimmter anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom , BGBl. Nr. 415/1973, (im Folgenden: Doppelbesteuerungsabkommen) dürfen Zinsen, die aus einem Vertragstaat stammen und an eine in dem anderen Vertragstaat ansässige Person gezahlt werden, in dem anderen Staat besteuert werden. Diese Zinsen dürfen nach Art. 11 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens jedoch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; diese Steuer darf aber 15 v.H. des Betrages der Zinsen nicht übersteigen.
Bei Personen, die in Österreich ansässig sind, wird die Doppelbesteuerung nach Art. 23 Abs. 1 Z 2 des Doppelbesteuerungsabkommens dadurch vermieden, dass die in Belgien nach diesem Abkommen erhobene Steuer von Zinsen, die nach Art. 11 Abs. 2 zu besteuern sind, auf die von diesen Einkünften in Österreich erhobene Steuer angerechnet wird. Der anzurechnende Betrag darf aber den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der anteilig auf diese in Belgien steuerpflichtigen Einkünfte entfällt.
Eine Anrechnung (und damit auch die begehrte Rückzahlung) der ausländischen Steuer auf Zinseinkünfte hätte bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer desjenigen Kalenderjahres zu erfolgen, in welchem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Zinseinkünfte erzielt worden sind. Dies ergibt sich aus dem aus § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 EStG iVm § 24 Abs. 1 und 3 KStG ersichtlichen Grundsatz der Periodenbesteuerung und aus dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Z 2 des Doppelbesteuerungsabkommens, wonach die belgische Quellensteuer auf die von diesen Einkünften erhobene Steuer anzurechnen ist.
Der belangten Behörde kann daher insoweit nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, als sie mit dem über die Veranlagung des Kalenderjahres 1998 absprechenden angefochtenen Bescheid die begehrte Anrechnung der auf die Zinseinkünfte aus 1997 erhobenen belgischen Quellensteuer in Höhe von 5,674.227 S verweigerte, soweit diese Zinseinkünfte nicht bei der Einkünfteermittlung für das Jahr 1998 Berücksichtigung fanden.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde aus, dass ein Teil der Zinserträge in den Einkünften des Jahres 1997 enthalten sei. Daraus ergibt sich der Schluss, dass Zinserträge in den den Gegenstand der Veranlagung für 1998 bildenden Einkünften enthalten sind. Die belangte Behörde lässt aber offen, ob und mit welchem Betrag - wie von der beschwerdeführenden Gesellschaft in der Berufung behauptet - Quellensteuer auf diese 1998 steuerlich erfassten Zinserträge erhoben worden ist. Das Fehlen solcher von der belangten Behörde zu treffender Sachverhaltsfeststellungen hindert den Verwaltungsgerichtshof an der Prüfung, ob die von der beschwerdeführenden Gesellschaft begehrte Anrechnung in Form der Rückerstattung der belgischen Quellensteuer insbesondere aus den vorgetragenen gemeinschaftsrechtlichen Gründen geboten wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Ersatz für Schriftsatzaufwand war lediglich in Höhe des mit § 1 Z 1 lit. a der zitierten Verordnung festgesetzten Betrages zuzuerkennen, der auch die Umsatzsteuer enthält.
Wien, am