VwGH vom 25.02.1993, 92/18/0344
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 63-G 32/91/Str., betreffend Bestrafung wegen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter einer näher bezeichneten Gesellschaft schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, daß in einer bestimmten "weiteren Betriebsstätte" dieser Gesellschaft am
I) durch insgesamt sechs im einzelnen umschriebene Taten gegen
bestimmt bezeichnete Vorschreibungen eines dem Datum und der Geschäftszahl nach gekennzeichneten Betriebsanlagengenehmigungsbescheides verstoßen worden sei, und II) § 22 Abs. 1 der Kälteanlagenverordnung verletzt worden sei, da die letzte Überprüfung der Kälteanlage am , somit nicht mindestens einmal jährlich, stattgefunden habe.
Es wurden deshalb über den Beschwerdeführer zu I) gemäß § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG) Geldstrafen zu 1) und 5) von jeweils S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von je sechs Tagen) und zu 2), 3), 4),
6) von jeweils S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von je zwei Tagen) sowie zu II) gemäß § 31 Abs. 2 lit. p iVm § 33 Abs. 7 ASchG eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt. Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt (§ 64 VStG).
2. Gegen diesen Bescheid, und zwar im Hinblick auf den Beschwerdepunkt ("Der angefochtene Bescheid verletzt mich in meinem Recht auf fehlerfreie Handhabung des bei der Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens gemäß § 19 VStG.") nur gegen den Strafausspruch (einschließlich des Kostenausspruches), richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Sowohl unter dem Titel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit als auch dem der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer folgendes geltend: Die belangte Behörde habe nicht ausgeführt, welchen Grad des Verschuldens er zu vertreten habe; aufgrund seines nur fahrlässigen Verhaltens hätte sie die Strafe nur "im unteren Ausmaß des möglichen Strafrahmens", der im übrigen nicht ermittelt worden sei, festlegen dürfen, zumal die Taten auch "keinen schädigenden Erfolg ausgelöst haben"; ferner wäre - entsprechend dem Berufungsvorbringen - zu berücksichtigen gewesen der ordentliche Lebenswandel des Beschwerdeführers und daß die Taten in einem auffallenden Widerspruch mit seinem sonstigen Verhalten stehe, weiters, daß kein konkreter Schaden herbeigeführt worden sei, daß der Beschwerdeführer mangels Bestreitens der angelasteten Übertretungen einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet habe, daß die Taten vor längerer Zeit begangen worden seien, und sich der Beschwerdeführer seither wohlverhalten habe. Hätte die belangte Behörde alle diese Milderungsgründe berücksichtigt, so hätte sie zu einer wesentlich geringeren Geldstrafe kommen müssen. Schließlich seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers nicht ausreichend berücksichtigt worden, seine "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" sei nicht mit dem vorgesehenen Strafrahmen in Bezug gesetzt worden.
2.1. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung der Geldstrafe zu berücksichtigen.
2.2. Den Beschwerdeeinwänden ist im einzelnen folgendes entgegenzuhalten: Bei Ungehorsamsdelikten - um solche handelt es sich hier - wird dann, wenn der objektive Tatbestand erwiesen ist, die Schuld des Täters in Form der Fahrlässigkeit präsumiert (§ 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG). Da die belangte Behörde, wie in der Beschwerde richtig gesehen, Vorsatz nicht angenommen hat, besteht demnach kein Zweifel, daß sie von der Schuldform der Fahrlässigkeit ausgegangen ist. Der (im Beschwerdefall maßgebende) Strafrahmen bedurfte keiner "Ermittlung"; er ergibt sich unmittelbar aus der für die jeweils verhängte Strafe angewendeten Gesetzesbestimmung (§ 31 Abs. 2 lit. p ASchG). Da nach dieser Norm die Obergrenze S 50.000,-- beträgt, hat sich die belangte Behörde - durchaus im Sinne der Vorstellungen der Beschwerde - bei der Bemessung der jeweiligen Geldstrafe im unteren Bereich des Strafrahmens gehalten (und dies in der Bescheidbegründung auch zutreffend zum Ausdruck gebracht).
Was die behaupteten Milderungsgründe anlangt, so ist die belangte Behörde ausdrücklich von der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ausgegangen und hat solcherart den besonderen Milderungsgrund des § 34 Z. 2 StGB als gegeben erachtet. Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweist, daß durch die inkriminierten Taten kein Schaden herbeigeführt worden sei und damit auf § 34 Z. 13 StGB Bezug nimmt, so ist ihm zu erwidern, daß bei Ungehorsamsdelikten der Nichteintritt eines Schadens schon nach dem Zweck der Strafdrohung (§ 19 Abs. 2 VStG) nicht als Milderungsgrund in Betracht kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0100, m.w.N.). Daß der Beschwerdeführer "wesentlich" zur Wahrheitsfindung beitragen habe (§ 34 Z. 17 StGB), ist nicht erkennbar; das Nichtbestreiten der Tatanlastungen reicht hiefür jedenfalls nicht aus. Schließlich kann von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers durch längere Zeit hindurch bei Verstreichen eines Zeitraumes von ca. zwei Jahren seit Begehung der Taten noch nicht gesprochen werden.
Auch dem Vorwurf, die belangte Behörde habe die finanzielle und die familiäre Situation des Beschwerdeführers nicht entsprechend gewürdigt, kommt keine Berechtigung zu. Der Beschwerdeführer selbst hat vor der Erstbehörde in dieser Hinsicht angegeben, daß er "ca. S 19.000,-- netto monatlich" verdiene und "keine Sorgepflichten" habe (s. Verhandlungsschrift vom ). Setzt man diese Größen in Bezug zu den über den Beschwerdeführer verhängten Geldstrafen, so ist nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde insoweit ihr Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes geübt hätte.
3. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
4. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.