VwGH vom 11.12.1997, 97/20/0275
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des A in Schwanenstadt, vertreten durch Dr. Andreas Karbiener, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, Stadtplatz 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 564-2/96, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom , mit dem dem Beschwerdeführer die am ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen worden war, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
In der Begründung ihres Bescheides folgte die belangte Behörde den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichtes Wels vom . Danach habe der Beschwerdeführer am 7. oder in Schwanenstadt Ulrike R. Goldmünzen im Wert von ca. S 1 Million gestohlen sowie gegenüber Beamten des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich die Begehung folgender mit Strafe bedrohter Handlungen wissentlich vorgetäuscht, nämlich
a) am durch die Behauptung, er habe die bei seiner Tante gestohlenen Münzen in Loipersdorf einem Mann namens "Bojan" leihweise übergeben, damit dieser Waffen, Munition, Medikamente und Lebensmittel für eine im ehemaligen Jugoslawien "unregulär" kämpfende Truppe kaufen könne, das Verbrechen der Neutralitätsgefährdung nach § 320 StGB;
b) am durch die Behauptung, er habe bei "Bojan" mehrere illegale Waffen, wie Sturmgewehre und Maschinenpistolen gesehen, das Vergehen nach § 36 Abs. 1 Z. 4 WaffenG.
Der Beschwerdeführer sei deshalb wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach dem § 127, 128 Abs. 2 StGB und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB zu einer (bedingt auf drei Jahre nachgesehenen) Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verurteilt worden.
Der Verurteilung wegen schweren Diebstahls liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer zunächst seine bei einem Kreditinstitut zur Besicherung des erhaltenen Darlehens in einem Depot hinterlegten Goldmünzen im Wert von S 560.000,-- unrechtmäßig entnommen und in der Folge aus Furcht, daß diese Handlung im Zuge einer bankinternen Revision bemerkt werde, seiner Tante Ulrike R. Goldmünzen im Wert von ca. 1 Million Schilling gestohlen habe. Einen Teil dieser Goldmünzen habe der Beschwerdeführer dafür verwendet, unbemerkt wieder das zur Sicherung der Darlehensforderung bestehende Depot aufzufüllen. Den restlichen Erlös der Goldmünzen habe der Beschwerdeführer zur Bezahlung von verschiedenen Verpflichtungen verwendet, teilweise auch auf sein Konto bei seiner Hausbank transferiert. Nach Aufdeckung seines Diebstahls habe der Beschwerdeführer zunächst behauptet, er hätte das Geld einem gewissen "Bojan" übergeben, der dieses als Zwischenfinanzierung für den Kauf von Waffen, Munition, Medikamenten und Lebensmitteln für eine "unregulär" im ehemaligen Jugoslawien kämpfende Truppe benötigt habe. Zugleich habe er behauptet, "Bojan" besäße illegale Waffen, etwa Maschinenpistolen und Sturmgewehre. Dies habe zu umfangreichen Ermittlungen zur Ausforschung von "Bojan" geführt. Der Beschwerdeführer habe im Zuge seiner polizeilichen Vernehmungen weiters erklärt, aufgrund seiner Tätigkeiten als Sammler von Orden und Langwaffen einen großen Personenkreis als Bekannte zu haben, worunter sich "ehemalige Fremdenlegionäre, Söldner und Rechtsradikale" befänden. Er würde sich jedoch in keiner Weise mit diesen Personen identifizieren, weder mit ihrem Gedankengut noch mit ihren Tätigkeiten. Bei seiner ersten Einvernahme am habe der Beschwerdeführer gegenüber den Beamten erklärt, er hätte den Diebstahl von zwei Millionen S lediglich verübt, um den Krieg im ehemaligen Jugoslawien zu finanzieren. Er sei von der notwendigen Unterstützung derart überzeugt, daß er selbst "als Kämpfer gegen die Serben auftreten würde". Bei seiner zweiten Einvernahme sei er dabei geblieben. Erst bei seiner dritten Einvernahme habe er gestanden, Diebsgut zur Aufrechterhaltung seines Lebensstandards benötigt zu haben. Die vom Beschwerdeführer nunmehr bestrittene Behauptung, er könne sich vorstellen, selbst "als Kämpfer gegen die Serben" aufzutreten, habe der einvernehmende Beamte über Aufforderung bestätigt und angegeben, diese Aussage sei ihm noch im Dezember 1996 genau in Erinnerung, weil er davon überrascht gewesen sei, daß ein Österreicher gegen die Serben in den Krieg ziehen würde. Das damalige Vernehmungsteam sei "leicht geschockt" gewesen.
Auch wenn sich die Schilderungen im Zusammenhang mit "Bojan" letztlich als erfunden herausgestellt hätten, was zu der Verurteilung durch das Landesgericht Wels nach § 298 Abs. 1 StGB geführt habe, zeige dies doch, daß sich der Beschwerdeführer mit Erwägungen trage, (direkt oder indirekt) mit Waffengewalt die Kampfhandlungen im ehemaligen Jugoslawien gegen die Serben zu unterstützen. Dazu verwies die belangte Behörde auf die mit dem Beschwerdeführer aufgenommene Niederschrift vom , worin er ausführte, der Meinung zu sein, daß die gegen die Serben kämpfenden Völker und Truppen auf alle nur "erdenkliche Art" unterstützt werden müßten.
Berücksichtige man - so die belangte Behörde weiters -, daß sich der Beschwerdeführer auch unter ehemaligen Fremdenlegionären, Söldnern sowie Rechtsradikalen bewege, gewinne die von ihm zur Geldbeschaffung gesetzte Straftat doch auch waffenpolizeiliche Bedeutung. Bei der festzustellenden Sinneshaltung des Beschwerdeführers, die das Eingreifen außenstehender, nicht autorisierter Personen mit Waffengewalt in die Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien gutheiße, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, daß er aus einer solchen Geisteshaltung heraus Waffen leichtfertig oder allfalls mißbräuchlich verwenden würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 des im vorliegenden Fall noch anzuwendenden WaffG 1986 hat die Behörde spätestens alle fünf Jahre die Verläßlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen. Unter welchen Voraussetzungen die Behörde vom Fortbestand der Verläßlichkeit ausgehen kann und wann diese zu verneinen ist, ergibt sich aus § 6 des Gesetzes. Gemäß Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ist eine Person als verläßlich im Sinne des Waffengesetzes anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird.
§ 6 Abs. 2 leg. cit. zählt in mehreren Tatbeständen gerichtliche Verurteilungen auf, bei deren Vorliegen eine Person keinesfalls als verläßlich im Sinne des Waffengesetzes anzusehen ist. Richtig weist der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die festgestellte Verurteilung wegen schweren Diebstahls und wegen Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung darunter nicht subsumierbar ist.
§ 6 Abs. 2 lautet - soweit hier von Relevanz:
"Eine Person ist keinesfalls als verläßlich anzusehen, wenn sie
1. wegen eines unter Anwendung oder Androhung von Gewalt vorgenommenen vorsätzlichen Angriffes gegen Leib und Leben, die Freiheit, fremdes Vermögen oder die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher gemeingefährlicher strafbarer Handlungen, wegen Zuhälterei, wegen Hochverrates oder anderer Angriffe gegen den Staat, wegen Angriffes auf oberste Staatsorgane, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt oder wegen vorsätzlicher strafbarer Handlungen gegen den öffentlichen Frieden zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder öfter als zweimal zu geringeren Strafen rechtskräftig verurteilt worden ist,
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2. | wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels rechtskräftig verurteilt worden ist, | |||||||||
3. | wegen einer durch fahrlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Personen rechtskräftig verurteilt worden ist, | |||||||||
4. | ..." |
Bei Vorliegen einer derartigen Verurteilung ist demnach eine Person keinesfalls als verläßlich anzusehen, womit sich eine weitere Prüfung der Verläßlichkeit im Sinn des § 6 Abs. 1 erübrigt. Daß sich die den Beschwerdeführer belastende strafgerichtliche Verurteilung nicht unter den angeführten Tatbeständen findet, besagt allerdings noch nicht, daß er deshalb als verläßlich im Sinne des § 6 Abs. 1 leg. cit. anzusehen wäre. Die belangte Behörde hat vielmehr zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, daß bei der Wertung einer Person als "verläßlich" im Sinne des WaffG ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen ist, weil der Begriff der Verläßlichkeit ein Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person rechtfertigen demnach die Folgerung, daß die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/01/0414). Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verläßlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/20/0874, mwN). Die solcherart anzustellende Verhaltensprognose kann dabei bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluß rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, daß er von Waffen keinen mißbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde. Im gegebenen Fall ist zunächst grundsätzlich festzuhalten, daß der Beschwerdeführer nicht davor zurückschreckte, einen schweren Angriff auf das Vermögen einer anderen Person zu setzen, wobei es sich nicht "nur" um eine Tat gehandelt hatte, die unüberlegt anläßlich einer plötzlich vorgefundenen Gelegenheit gesetzt worden wäre, sondern vielmehr um ein gezieltes und sehr überlegtes Vorgehen. Die belangte Behörde hat zutreffend hervorgehoben, daß der Beschwerdeführer nach Entdeckung seiner Tat ein kompliziertes "Lügengebäude" errichtete und keinerlei Bedenken hatte, wissentlich eine nicht gesetzte Straftat vorzutäuschen, womit er umfangreiche weitere Erhebungen durch damit befaßte Polizeiorgane auslöste. Der waffenrechtliche Bezug nicht nur der vorgetäuschten Straftat, sondern auch der unmittelbaren Tätigkeit des Beschwerdeführers als "Sammler von Langwaffen" sowie der aufgrund einer offenbar gegebenen Neigung zur Befassung mit (geschichtlichen und aktuellen) militärischen Ereignissen gegebene Bekanntenkreis von "ehemaligen Fremdenlegionären, Söldnern sowie Rechtsradikalen" kann nicht außer Betracht gelassen werden. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde zu Unrecht vor, sie habe die weitere Aussage des Beschwerdeführers, daß er sich "in keiner Weise mit diesen Personen identifiziere, mit ihrem Gedankengut oder ihren Tätigkeiten", verschwiegen. Diese Passage findet sich vielmehr ausdrücklich in den getroffenen Feststellungen (Seite 3 des angefochtenen Bescheides). Andererseits bestehen im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung keine Bedenken gegen die weitere Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe im Zuge seiner Einvernahme auch angegeben, daß er sich vorstellen könne, "selbst als Kämpfer gegen die Serben" aufzutreten. Die belangte Behörde konnte sich dabei auf die Aussage eines einvernehmenden Beamten stützen sowie auf den unmittelbaren Bezug dieser Aussage mit der vom Beschwerdeführer vorgetäuschten Straftat der Neutralitätsgefährdung. Die belangte Behörde verwies auch zu Recht auf die vom Beschwerdeführer nicht bestrittene protokollierte Aussage, wonach er es für erforderlich halte, daß die gegen die Serben kämpfenden Völker und Truppen auf "alle nur erdenkliche Art unterstützt werden". Der Auffassung der Behörde, daß der das damalige Protokoll führende Beamte, der sich auf die Ausforschung des genannten "Bojan" konzentrierte, die inkriminierte Äußerung im Protokoll festzuhalten vergaß, kann nicht entgegengetreten werden. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der bestrittenen Äußerung des Beschwerdeführers lediglich um eine von ihm nicht ernst gemeinte Facette im Rahmen der insgesamt vorgetäuschten Straftat handelte oder aber, ob er derartiges ernstlich in Erwägung zog. Angesichts der jedenfalls zum Ausdruck gebrachten Geisteshaltung des Beschwerdeführers und seines durch die gerichtliche Verurteilung dokumentierten fehlgeleiteten Charakterzuges, wonach er im Falle von finanziellen Nöten zur Behebung seiner Situation nicht davor zurückschreckt, schwere Straftaten zu setzen, ist die von der belangten Behörde angesichts seines waffenrechtlich bedeutsamen Umfeldes getroffene Prognose, es könne auch eine waffenrechtlich bedenkliche Verhaltensweise nicht ausgeschlossen werden, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.