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VwGH vom 22.10.1992, 92/18/0342

VwGH vom 22.10.1992, 92/18/0342

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 63 - Sch 14/92/Str., betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes,

Spruch

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Nichtstattgebung des Ansuchens um Nachsicht der Strafe richtet;

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Schuld-, Straf- und Kostenausspruches in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretungen nach

1. § 26 Abs. 1, 2. bis 4. § 7 Abs. 1 und 5. § 9 Arbeitszeitgesetz mit Geldstrafen bestraft, weil er es als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG der als Arbeitgeberin fungierenden X KG Zweigniederlassung T in T zu verantworten habe, "daß im Betrieb in Wien 10, S-Gasse,

1) am für die Arbeitnehmer B und V keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zur Überwachung der Einhaltung der im Arbeitszeitgesetz geregelten Angelegenheiten geführt wurden, sondern nur Aufzeichnungen über die gesamten Tagesarbeitsstunden,

2) bei der Beschäftigung der Arbeitnehmerin B in der Woche vom bis die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden um mehr als 10 Stunden überschritten wurde, nämlich um 13 Stunden und 30 Minuten,

3) bei der Beschäftigung der Arbeitnehmerin B in der Woche vom bis die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden um mehr als 10 Stunden überschritten wurde, nämlich um 12 Stunden,

4) bei der Beschäftigung der Arbeitnehmerin V in der Woche vom bis die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden um mehr als 10 Stunden überschritten wurde, nämlich um 12 Stunden und 30 Minuten,

5. bei der Beschäftigung der Arbeitnehmerin B die Tagesarbeitszeit am mehr als 10 Stunden betrug, nämlich 11 Stunden und 30 Minuten."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom , Zlen. 90/19/0054, 0055, 0083, 0086, und die dort angeführte Vorjudikatur) ist eine Beschwerde des Bestraften, die sich gegen die Versagung des Gnadenrechtes gemäß § 51 Abs. 4 VStG richtet, unzulässig. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Nichtstattgebung des Ansuchens um Nachsicht der Strafe richtet.

Der Einwendung des Beschwerdeführers, daß das in erster Instanz eingeschrittene Magistratische Bezirksamt für den

22. Bezirk örtlich nicht zuständig gewesen sei, weil die Filiale in Wien 10. zum Zuständigkeitsbereich des Magistratischen Bezirksamtes für den 10. Bezirk gehöre, ist - wie schon zutreffend von der belangten Behörde - entgegenzuhalten, daß die magistratischen Bezirksämter keine eigenen Behörden, sondern dezentralisierte Dienststellen des eine einheitliche Behörde bildenden Magistrates der Stadt Wien sind (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes7, 326). Beim erstinstanzlichen Bescheid handelte es sich daher um einen Bescheid des - zufolge der am im Hinblick auf den Wohnsitz des Beschwerdeführers in Wien 22. durch die Bezirkshauptmannschaft Baden erfolgten Abtretung gemäß § 29a VStG - örtlich zuständigen Magistrates der Stadt Wien.

Hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz sei - so führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus - vom Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme bei der Behörde erster Instanz am angegeben worden, daß Anwesenheits- bzw. Stundenlisten geführt würden. Dies entspreche auch den Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates für den

2. Aufsichtsbezirk vom , wonach Aufzeichnungen über die gesamten Tagesstunden geführt würden. Erst anläßlich der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß die Aufzeichnungen die täglich geleisteten Arbeitsstunden sowie Ruhepausen enthalten hätten. Die belangte Behörde gehe davon aus, daß es der Lebenserfahrung entspreche, daß die von einem Beschuldigten bei der ersten Vernehmung gemachten Angaben der Wahrheit am nächsten kämen. Damit sei erwiesen, daß lediglich Aufzeichnungen über die gesamten Tagesstunden geführt worden seien.

Bei diesen Überlegungen läßt die Behörde allerdings außer acht, daß die Aussage des Beschwerdeführers vom dahin lautete, daß die vom Filialleiter geführten Anwesenheits- bzw. Stundenlisten der Vorschrift des § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz entsprächen. Eine solche Aussage kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als Zugeständnis dahin gedeutet werden, daß lediglich - der genannten Bestimmung nicht entsprechende - Aufzeichnungen über die gesamten Tagesstunden geführt würden. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist daher in diesem Punkt nicht schlüssig, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang nach sich ziehen mußte.

Hinsichtlich der übrigen ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen bekämpft der Beschwerdeführer die Annahme eines Verschuldens; er vermag jedoch nicht darzutun, daß ihm gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG im Verwaltungsstrafverfahren die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens gelungen sei. Dazu hätte es der Darstellung des Bestehens eines wirksamen Kontrollsystems bedurft, wovon im Beschwerdefall jedoch schon deshalb keine Rede sein kann, weil der Beschwerdeführer eine Kontrolle der in letzter Stufe unter ihm stehenden Kontrollorgane durch seine eigene Person nicht behauptet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0184). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es nicht Aufgabe der Behörde, ein abstraktes Modell eines den Anforderungen entsprechenden Kontrollsystems zu entwerfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0413).

Der Berufung des Beschwerdeführers auf die §§ 8 und 20 Arbeitszeitgesetz kann gleichfalls kein Erfolg beschieden sein, unterließ es der Beschwerdeführer doch im Verwaltungsstrafverfahren, konkrete, durch Beweisanbote untermauerte Behauptungen bezüglich der Verwirklichung der in den genannten Bestimmungen normierten Tatbestandsmerkmale aufzustellen.

Soweit der Beschwerdeführer die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 1 VStG bestreitet, ist er darauf zu verweisen, daß nach der genannten Bestimmung die Strafen nebeneinander zu verhängen sind, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt. Strafdrohungen schließen einander dann aus, wenn nicht jedes Tatbild für sich allein und beide gleichzeitig verwirklicht werden können, also die Verwirklichung des einen Tatbestandes die Verwirklichung des anderen zwingend nach sich zieht (vgl. neben vielen anderen das erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ). Diese Voraussetzungen sind bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Übertretungen jedoch nicht erfüllt.

Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich dagegen wendet, daß die belangte Behörde nicht vom § 21 Abs. 1 VStG Gebrauch gemacht habe, so genügt der Hinweis, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0225) bei Fehlen eines funktionierenden Kontrollsystems bezüglich der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften nicht von einem für die Anwendung der genannten Bestimmung erforderlichen geringfügigen Verschulden gesprochen werden kann.

Die Beschwerde war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, soweit es nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand und einen über den Pauschalbetrag hinausgehenden Schriftsatzaufwand betrifft.