VwGH vom 19.12.2001, 2001/13/0242
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde der E GesmbH in W, vertreten durch Dr. Helmut Kientzl, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Pöckgase 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/413-06/2001, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 1995 bis 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Im Beschwerdefall ist die Vorschreibung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen strittig. Die Vorschreibung betraf die an den zu 82 % beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer Alfred S. bezahlten Geschäftsführervergütungen in Höhe von S 1,358.000,-- (1995) bzw. je S 1,400.000,-- (1996 bis 1999) sowie Sachbezüge von je S 84.000,-- (1995 bis 1997) bzw. S 28.000,-- (1998). Dazu vertrat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im Ergebnis die Auffassung, die Beschäftigung des Geschäftsführers weise ungeachtet seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter mit Ausnahme der Weisungsgebundenheit sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 auf. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei erziele aus der Geschäftsführertätigkeit demnach Einkünfte im Sinne des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988, weshalb er im Sinne der Bestimmung des § 41 Abs. 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes in der ab dem Jahre 1994 anzuwendenden Fassung Dienstnehmer sei. Dies habe die Pflicht der Beschwerdeführerin ausgelöst, von den Bezügen des Geschäftsführers den Dienstgeberbeitrag abzuführen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird geltend gemacht, dass die Beschäftigung des Gesellschafter-Geschäftsführers "sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2 EStG 1988)" nicht aufweise.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Erkenntnis vom , G 109/00, hat der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung bestimmter, auch im gegenständlichen Fall zur Anwendung kommender gesetzlicher Bestimmungen abgewiesen. Er hat dazu u. a. ausgeführt, dass verschiedene Merkmale eines Dienstverhältnisses, die im Zusammenhang mit einer weisungsgebundenen Tätigkeit Indizien für ein Dienstverhältnis seien, im Fall der - auf die gesellschaftsrechtliche Beziehung zurückzuführenden - Weisungsungebundenheit ihre Unterscheidungskraft verlieren und daher für die Lösung der Frage, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses im Vordergrund stehen, nicht brauchbar sind. Zu den Merkmalen, die in diesem Sinn vor dem Hintergrund der Weisungsungebundenheit ihre Indizwirkung zur Bestimmung des durch eine Mehrzahl von Merkmalen gekennzeichneten Typusbegriffes des steuerlichen Dienstverhältnisses verlieren, gehören vor allem folgende: fixe Arbeitszeit, fixer Arbeitsort, arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Einstufung der Tätigkeit, Anwendbarkeit typischer arbeitsrechtlicher Vorschriften wie Arbeits- und Urlaubsregelung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz, sowie die Heranziehung von Hilfskräften in Form der Delegierung von bestimmten Arbeiten (vgl. dazu und zu den folgenden Ausführungen insbesondere die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/14/0052, 2001/14/0054, und vom , 2001/15/0061, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Insgesamt stellt somit das in § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 für wesentlich beteiligte Gesellschafter normierte Vorliegen der sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses - abgesehen vom hinzuzudenkenden Merkmal der Weisungsgebundenheit - vor allem auf die Kriterien der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Kapitalgesellschaft und das Fehlen des Unternehmerwagnisses ab. Von Bedeutung ist noch das Merkmal der laufenden (wenn auch nicht notwendig monatlichen) Entlohnung. Ausgehend von diesen Kriterien ist bei Anwendung des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 leg.cit. zu beurteilen, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die für ein Dienstverhältnis sprechenden Kriterien im Vordergrund stehen.
Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige auf Dauer einen Teil des rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Organismus bildet und seine Tätigkeit im Interesse dieses Organismus ausüben muss. Die im Beschwerdefall unstrittige kontinuierliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung (der auf ein Jahr abgeschlossene mündliche Geschäftsführervertrag wurde jeweils um ein weiteres Jahr verlängert) spricht für diese Eingliederung. Auf eine Bindung an betriebliche Ordnungsvorschriften (feste Arbeitszeit, Anwesenheitspflicht) kommt es hingegen nicht an.
Zur Frage der Vertretungsbefugnis hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es nicht unüblich ist und einem Dienstverhältnis nicht entgegensteht, wenn sich leitende Angestellte, insbesondere Geschäftsführer, bei bestimmten Verrichtungen vertreten lassen können (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2001/13/0084). Dass im Beschwerdefall tatsächlich keine vom Geschäftsführer selbst zu tragenden Kosten für die Vertretung angefallen sind, wird in der Beschwerde im Übrigen ausdrücklich eingeräumt.
Unternehmerwagnis liegt vor, wenn der Erfolg der Tätigkeit des Steuerpflichtigen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der persönlichen Geschicklichkeit sowie von den Zufälligkeiten des Wirtschaftslebens abhängt und der Steuerpflichtige für die mit seiner Tätigkeit verbundenen Aufwendungen selbst aufkommen muss. Im Vordergrund dieses Merkmales steht, ob den Steuerpflichtigen tatsächlich - in seiner Stellung als Geschäftsführer - das Wagnis ins Gewicht fallender Einnahmenschwankungen trifft. In die Überlegungen einzubeziehen sind auch Wagnisse, die sich aus Schwankungen aus nicht überwälzbaren Ausgaben ergeben. Auf ein Wagnis aus der Stellung als Gesellschafter oder gar auf das Unternehmerwagnis der Gesellschaft kommt es nicht an. Die vom Lohnsteuerprüfer festgestellten, der Höhe nach unbestrittenen, Geschäftsführerbezüge lassen ein Unternehmerwagnis im Beschwerdefall nicht erkennen. Soweit die Beschwerdeführerin die Folgen einer schlechten Geschäftsführung (Wegfall der Existenzgrundlage als Geschäftsführer) aufzeigt, ist ihr zu entgegnen, dass diese Folgen unabhängig davon eintreten, ob der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist oder nicht.
Mit dem Hinweis auf die Besteuerung der Einkünfte ihres Geschäftsführers als solche aus selbständiger Arbeit und dem daraus resultierenden Fehlen der Lohnsteuerbegünstigungen verliert die Beschwerdeführerin das Trennungsprinzip (siehe hiezu insbesondere die Ausführungen im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 109/00) aus den Augen.
Die zivilrechtliche Qualifizierung des Leistungsverhältnisses zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter-Geschäftsführer sieht der Verwaltungsgerichtshof als irrelevant für die Beurteilung der Frage an, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer mit den für die Geschäftsführungstätigkeit bezogenen Vergütungen Einkünfte nach § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 erzielt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/13/0121, mit weiteren Nachweisen). Das sich mit dieser Frage beschäftigende Beschwerdevorbringen ist daher von vornherein nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die Beschwerdeführerin rügt weiters, dem Geschäftsführer sei "die mündliche Aussage" vor der belangten Behörde verwehrt worden. Verfahrensmängel können zur Aufhebung eines angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG allerdings nur dann führen, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, was von der beschwerdeführenden Partei aufzuzeigen ist. Ausführungen zur Relevanz des gerügten Verfahrensmangels enthält die Beschwerde nicht.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Wien, am