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VwGH vom 19.03.1997, 95/16/0160

VwGH vom 19.03.1997, 95/16/0160

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der H in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. 10-259/95, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am verstarb Hildegard S ohne Hinterlassung einer schriftlichen letztwilligen Verfügung.

Nach einer vom Gerichtskommissär am aufgenommenen Niederschrift gaben Karl P und Franz P an, von der Erblasserin mittels eines mündlichen Testamentes zu gleichteiligen Erben eingesetzt worden zu sein.

In einer an das Verlassenschaftsgericht gerichteten Eingabe vom führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe nunmehr zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Erblasserin sie in keiner Weise letztwillig bedacht habe, obwohl sie ihr dies zu Lebzeiten wiederholt versichert habe. Auf Grund dieser wiederholten Aussagen, sie zu bedenken, habe sich die Beschwerdeführerin verpflichtet gefühlt, die Erblasserin bestens zu betreuen. Die Beschwerdeführerin habe sich in den letzten drei Jahren viel um die Erblasserin gekümmert und ihr auch einen nicht unbedeutenden Teil ihrer Freizeit gewidmet. So habe sie insbesondere Arztbesuche und Behördengänge gemeinsam mit der Erblasserin unternommen. Die Verstorbene habe ein Miethaus in St. Pölten geerbt, dessen Verwaltung über ihre Kräfte gegangen sei. Der ganze Schriftverkehr und dergleichen sei Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen. Die Beschwerdeführerin meldete für diese Leistungen der letzten drei Jahre eine Forderung in Höhe von S 118.000,-- gegen die Verlassenschaft an.

Nach einem mit datierten Aktenvermerk des Gerichtskommissärs müsse auf Grund der Behauptung der Hermine P, sie habe die Erblasserin mehrmals zur Sparkasse St. Pölten begleitet und die Erblasserin habe bei dieser Gelegenheit ein Schließfach geöffnet, angenommen werden, daß die Erblasserin ein Schließfach besessen habe, das aber am Todestag nicht mehr bestanden habe. Von der Sparkasse St. Pölten sei ein Verzeichnis über vier Sparkassenbriefe aufgefunden worden.

Nachdem die beiden erbserklärten Erben Karl und Franz P am abhandlungsbehördlich ermächtigt worden waren, die Kraftloserklärung eines (nicht aufgefundenen) Sparbuches der Erblasserin bei der Raiffeisenbank St. Pölten zu beantragen, stellte sich in der Folge heraus, daß dieses Sparbuch bereits am von unbekannten Dritten unter Angabe des Losungswortes realisiert worden war.

Mit Beschluß vom wurde die Verlassenschaft nach Hildegard S Franz und Karl P je zur Hälfte eingeantwortet.

Am hatten die beiden Erben der Staatsanwaltschaft St. Pölten eine Sachverhaltsdarstellung übermittelt, in welcher die Beschwerdeführerin und eine weitere Bekannte der Erblasserin - Katharina W - strafbarer Handlungen beschuldigt wurden.

Im Zuge einer darauf erfolgten Vernehmung der Beschwerdeführerin durch Organe der Bundespolizeidirektion St. Pölten gab diese am an, die Erblasserin habe ihr Ende des Jahres 1990 mitgeteilt, daß sie ein Sparbuch vermisse. Sie sei mit der Erblasserin zur Bank gegangen. Dort sei festgestellt worden, daß sich auf dem Sparbuch ein Guthaben von ca. S 118.000,-- befunden habe. Der Beschwerdeführerin seien weder das Losungswort noch die Nummer des Sparbuches bekannt gewesen.

Der Erbe Franz P gab am an, vom Gerichtskommissär sei im Haus der Erblasserin eine Aufstellung über fünf Sparbücher (Sparbriefe) vorgefunden worden. Sämtliche angeführten Sparbriefe seien aber zum Todestag bereits realisiert gewesen.

Am wurde die Strafanzeige von der Staatsanwaltschaft St. Pölten zurückgelegt.

Nach einer Vernehmung am durch Organwalter des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien, bei der die Beschwerdeführerin bestritt, von Hildegard S Zuwendungen erhalten haben, leitete dieses Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen sie mit Bescheid vom das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung ein. Nach dem Spruch des Einleitungsbescheides bestehe der Verdacht, daß die Beschwerdeführerin im Jänner 1991 Zuwendungen, und zwar Sparbriefe und Sparbücher im Betrag von S 515.000,-- von Hildegard S erhalten habe. In der Begründung des Einleitungsbescheides wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe "diverse Bankwege" für Hildegard S erledigt. Es werde daher "vermutet", daß die Beschwerdeführerin die Guthaben schenkungsweise erhalten habe.

In der (Administrativ-)Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, auf Grund des Ermittlungsergebnisses der Bundespolizeidirektion St. Pölten sei davon auszugehen, daß die Erblasserin Sozialkontakte zu zahlreichen anderen, besser bekannten Personen wie Katharina W und deren Tochter sowie zu zahlreichen Mitgliedern der Familie P gepflegt hätte, daß Hermine P zwei Sparbücher und Karin W S 60.000,-- geschenkt erhalten hätten und letztlich die Brüder P zu Erben eingesetzt worden wären. Die handschriftliche Liste über vier nummernmäßig bezeichnete Sparkassenbriefe und ein nummernmäßig bezeichnetes Sparbuch seien bereits im Verlassenschaftsverfahren aktenkundig gewesen. Ob diese Konten tatsächlich bestanden hätten, sei unklar geblieben. Lediglich das Sparbuch sei von einer unbekannten Person am realisiert worden. Es sei unrichtig, daß die Beschwerdeführerin für die Verstorbene "diverse Bankwege" erledigt hätte. Die Beschwerdeführerin sei Hildegard S lediglich einmal im Jahre 1991 bei der Einleitung eines Kraftloserklärungsverfahrens behilflich gewesen, als die Erblasserin ein Sparbuch verloren hätte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, auf Grund der von der Beschwerdeführerin in ihrer Forderungsanmeldung gegebenen Sachverhaltsdarstellung liege der Verdacht eines Finanzvergehens vor.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch in ihren Rechten verletzt, daß "entgegen der Bestimmung des § 82 Abs. 3 FinStrG gegen sie ein Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde".

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens setzt im Sinne des § 82 Abs. 1 FinStrG das Vorliegen genügender Verdachtsgründe gegen den Beschuldigten voraus. Ein solcher Verdacht kann dabei immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht ist dabei mehr als eine bloße Vermutung. Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann.

Unter dem Gesichtspunkt des von der belangten Behörde gegen die Beschwerdeführerin erhobenen Vorwurfs einer Schenkungssteuerhinterziehung wäre daher für die Annahme eines entsprechenden Verdachtes das Vorliegen von Tatsachen erforderlich, aus denen auf eine Schenkung bzw. eine freigebige Zuwendung der verstorbenen Hildegard S geschlossen werden könnte. Eine solche Zuwendung setzt voraus, daß im Vermögen des Bedachten eine Bereicherung auf Kosten und mit Willen des Zuwendenden eintritt.

Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid allein auf den Umstand, daß die Beschwerdeführerin Kontakte zu der Verstorbenen gehabt hatte, und verweist dazu im wesentlichen auf ihre Angaben in der Forderungsanmeldung. Aus der bloßen Tatsache, daß die Beschwerdeführerin mit der Verstorbenen regelmäßig Kontakte hatte und ihr darüberhinaus bei der Verwaltung ihres in St. Pölten gelegenen Hauses behilflich gewesen ist, kann aber keinesweg auf Zuwendungen der Verstorbenen noch zu deren Lebezeiten an die Beschwerdeführerin geschlossen werden. Vielmehr haben die umfangreichen Erhebungen sowohl der Sicherheits- als auch der Finanzbehörden auch nicht den geringsten Anhaltspunkt für eine solche Zuwendung von der Verstorbenen ergeben. Zu Recht verweist die Beschwerdeführerin auf die zahlreichen Kontakte der Verstorbenen zu anderen Personen, denen diese offenkundig ähnlich wie der Beschwerdeführerin letztwillige Zuwendungen in Aussicht gestellt hat. Wenn in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde in der Gegenschrift ausgeführt wird, die Beschwerdeführerin habe in der Forderungsanmeldung darauf verwiesen, sie sei von der Verstorbenen "bereits beschenkt" worden, so unterlag sie dabei einem Irrtum: Mit den Worten "Auf Grund ihrer wiederholten Aussagen, mich zu bedenken bzw. dies schon getan zu haben, ..." war von der Beschwerdeführerin in der Forderungsanmeldung klarerweise gemeint gewesen, die Verstorbene habe ihr gegenüber behauptet, diese hätte bereits eine letztwillige Verfügung zu ihren Gunsten getroffen. Auf eine gegenüber der Beschwerdeführerin bereits ausgeführte Zuwendung kann aber aus diesen Worten nicht geschlossen werden. Die von der belangten Behörde bei ihrer Beweiswürdigung angestellten Überlegungen entsprechen somit nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut.

Da somit die von der belangten Behörde vorgenmmene Beweiswürdigung nicht als schlüssig gesehen werden kann, hat sie Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Der Ersatz der Kosten des Verfahrens im Sinne der §§ 47 ff VwGG war im beantragten Ausmaß zuzuerkennen.