VwGH vom 17.09.1992, 92/18/0336
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. Fr-627/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz ein bis befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer mit den rechtskräftigen Urteilen des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom wegen der Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach dem § 81 Z. 1 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (§ 81 Z. 1) leg. cit. zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 1 Jahr, vom wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 15, 127 und 129 Z. 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten und vom wegen des am begangenen Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Ferner sei er viermal wegen Verwaltungsübertretungen, darunter auch wegen der Übertretung nach § 14 Abs. 1 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz, rechtskräftig bestraft worden. Allein schon durch die Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt. Die bekanntgewordenen Bestrafungen zeigten nach Ansicht der belangten Behörde insgesamt eine Neigung des Beschwerdeführers zur Mißachtung der in Österreich bestehenden Rechtsvorschriften. Die Subsumtion dieses durch die strafrechtlichen Delikte und Verwaltungsübertretungen manifestierten Gesamtverhaltens unter die Generalklausel des § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz erscheine jedenfalls gerechtfertigt. Bei der Interessenabwägung gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz habe die belangte Behörde alle vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände berücksichtigt, insbesondere dessen Aufenthalt seit seinem zweiten Lebensmonat in Österreich, den Umstand, daß sich seine gesamte Familie in Österreich aufhalte, daß er hier eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen sei, die von ihm ein Kind erwarte, und daß nahezu keine Beziehungen mehr zu seinem Heimatland bestünden. Die belangte Behörde gehe daher von einer starken Integration des Beschwerdeführers in Österreich, von familiären Bindungen zu den in Österreich wohnenden Familienangehörigen (Eltern, Bruder) und von einer Bindung zu seiner Lebensgefährtin, die von ihm ein Kind erwarte, aus. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bedeute zweifellos einen erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Er gehe derzeit (wieder) einer Beschäftigung in Österreich nach, übe aber keine qualifizierte Tätigkeit aus und habe auch keine Berufungsausbildung abgeschlossen. Die berufliche Tätigkeit könne er daher auch im Ausland ausüben, sodaß sein berufliches Fortkommen durch ein Aufenthaltsverbot nicht erheblich beeinträchtigt sei. Bei einer Gegenüberstellung der privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet mit den öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen würden, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, daß bei derart schwerwiegenden Rechtsverletzungen, wie sie vom Beschwerdeführer in einem relativ kurzen Zeitraum begangen worden seien, auch bei sehr starker sozialer Integration in Österreich wegen der Schwere und Häufung der begangenen strafbaren Handlungen das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiege, als das gegenläufige private Interesse des Beschwerdeführers.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer tritt der zutreffenden Auffassung der belangten Behörde, allein schon wegen der Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt, nicht entgegen. Damit ist davon auszugehen, daß die Annahme gerechtfertigt ist, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. neben vielen anderen das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0204).
Der im Grunde des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorgenommenen Interessenabwägung vermag der Beschwerdeführer nichts Stichhältiges entgegenzusetzen: Soweit er darzutun versucht, daß seine Straftaten auf seine jugendliche Unbedachtheit und Unreife zurückzuführen gewesen seien, sich seine Einstellung jedoch mittlerweile geändert habe und er, seitdem er mit seiner nunmehrigen Verlobten zusammenlebe, nicht mehr straffällig geworden sei, übersieht er, daß er die dem Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom zugrundeliegende Tat am begangen hat; zu diesem Zeitpunkt lebte er aber - wie aus seinem Vorbringen in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hervorgeht - bereits mehrere Monate in Lebensgemeinschaft mit seiner Verlobten. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die Lebensgemeinschaft eine wesentliche Änderung der Einstellung des Beschwerdeführers im positiven Sinne bewirkt hätte. Der Aufnahme weiterer Beweise bedurfte es in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht mehr.
Dazu kommt, daß dem Beschwerdeführer bereits am für den Fall eines neuerlichen Straffälligwerdens die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Aussicht gestellt wurde, wodurch er sich jedoch nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist jedenfalls auch die ihm zur Last fallende Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes keineswegs als unbedeutend zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0243).
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es liege im öffentlichen Interesse, daß er weiterhin seinem Beruf in Österreich nachgehe, um für den Unterhalt seines Kindes und seiner zukünftigen Ehefrau sorgen zu können, ist entgegenzuhalten, daß öffentliche Interessen im Rahmen des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz nur insoweit zu berücksichtigen sind, als es sich um die in § 3 Abs. 1 leg. cit. angeführten öffentlichen Interessen handelt, die mit den privaten Interessen des Fremden abzuwägen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0114). Darüber hinaus ist nicht erkennbar, warum der Beschwerdeführer die bisher von ihm in Österreich ausgeübte nicht qualifizierte Berufstätigkeit nicht auch in einem anderen Land verrichten könne, zumal hiefür auch keine besonderen Sprachkenntnisse erforderlich sind. Mit dem Hinweis, daß er in "Restjugoslawien" keine Chance auf einen Arbeitsplatz habe, vermag der Beschwerdeführer keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung aufzuzeigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0286).
Wenn die belangte Behörde somit bei der gegebenen Sachlage zum Ergebnis kam, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die sich in den mehrfachen groben Rechtsbrüchen manifestierende Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit unter Berücksichtigung der von ihm ins Treffen geführten, durchaus bedeutsamen privaten Gesichtspunkte (insbesondere die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich, das Ausmaß der Integration, die familiären Bindungen sowie die Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin, die von ihm ein Kind erwartet) unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.