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VwGH vom 22.05.1996, 95/16/0149

VwGH vom 22.05.1996, 95/16/0149

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

95/16/0239

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, 1. über den Antrag des G in E, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in P, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Vorlage des Mängelbehebungsschriftsatzes und 2. über die Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat V) als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom , Zl. 792/1-2/T-1993, betreffend Finanzvergehen,

Spruch

zu 1. den Beschluß gefaßt:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht

stattgegeben;

und zu 2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Spruchsenat beim Hauptzollamt Linz als Finanzstrafbehörde I. Instanz erkannte den Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom schuldig, er habe am vorsätzlich unter Verletzung der im § 52 ZollG und § 119 BAO normierten abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht zu dem von einem Angestellten einer näher bezeichneten Spedition begangenen Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG dadurch beigetragen, daß er den beim Kauf des näher bestimmten PKW von JR (in der Folge: Autoverkäufer) unter Angabe eines unrichtigen Kaufpreises erstellten Kaufvertrag - statt des tatsächlich bezahlten Kaufpreises von S 155.000,-- inklusive Verzollung wurden lediglich DM 12.000,-- exklusive Verzollung angegeben - unterfertigt habe, wobei der Autoverkäufer diesen unterfakturierten Kaufvertrag der verfügungsberechtigten Spedition zur Verzollung des PKW vorgelegt habe, wodurch eine Verkürzung von Eingangsabgaben in der Höhe von S 10.592,-- bewirkt worden sei. Dies mit der Begründung, der festgestellte Sachverhalt decke sich weitgehend mit den Angaben des Beschwerdeführers. Auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite stünden damit im Einklang, weil der Beschwerdeführer noch am bestätigt habe, der Kaufpreis sei nicht DM 12.000,--, sondern S 155.000,-- gewesen. Er habe wegen des im Kaufvertrag angeführten verringerten Kaufpreises gegenüber dem Autoverkäufer Bedenken geäußert, dieser Kaufpreis sei für die Verzollung eventuell zu niedrig. Der Autoverkäufer habe aber seine Bedenken zerstreut und er solle die Verzollung des PKW ihm überlassen. Aus dieser Verantwortung gehe unzweifelhaft hervor, daß dem Beschwerdeführer der Zusammenhang zwischen Verzollung und Kaufpreis und die dadurch bewirkte Abgabenverkürzung bewußt gewesen sei. Zweifelsohne sei der Beschwerdeführer auch gewillt gewesen, diese Abgabenverkürzung hinzunehmen, sonst hätte er den Autoverkäufer aufgefordert, den richtigen Kaufpreis in den Kaufvertrag einzusetzen. Dies habe er aber nicht getan; schließlich habe er bei lebensnaher Betrachtung des Sachverhaltes durch die Unterfakturierung des Kaufvertrages und die dadurch bewirkte Eingangsabgabenverkürzung Kaufpreisvorteile. Der Beschwerdeführer habe gewußt und gewollt, daß durch die Unterfakturierung eine Verkürzung von Eingangsabgaben bewirkt werde und er hiedurch einen Kaufpreisvorteil erlange.

In der Berufung machte der Beschwerdeführer unrichtige Sachverhaltsfeststellungen und unrichtige Beweiswürdigung geltend und beantragte die Vernehmung des Autoverkäufers zum Beweis der Richtigkeit der Verantwortung des Beschwerdeführers.

Mit der angefochtenen Berufungsentscheidung gab die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat V) als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz der Berufung keine Folge. In der Begründung heißt es, mit der Berufung versuche der Beschwerdeführer sein ursprüngliches Geständnis, welches in der Niederschrift vor dem Hauptzollamt Linz vom protokolliert worden sei, als falsch hinzustellen, wobei er vorbringe, seine Angaben unter der Androhung der Hausdurchsuchung getätigt zu haben und er auf Grund einer "scharfen Vorgangsweise" der erhebenden Beamten in einer entsprechenden körperlichen bzw. psychischen Verfassung gewesen wäre, daß er die letztendlich niedergeschriebenen Angaben nicht entsprechend kontrolliert bzw. nicht auf den daraus sich ergebenden Inhalt überprüft hätte. Der Berufungssenat habe den Beweisanträgen Rechnung getragen und das Beweisverfahren dahingehend ergänzt, daß in der Berufungssenatsverhandlung die Zeugen Abteilungsinspektor J.P., Bezirksinspektor W.K. und der mittlerweile aus dem Dienst der Zollbehörde ausgeschiedene R.K. einvernommen worden seien. Auf Grund dieses nunmehr ergänzten Beweisverfahrens und der Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Verlesung der gesamten Strafakten stehe folgender Sachverhalt als erwiesen fest: Der Beschwerdeführer habe das Geständnis vom durchaus freiwillig gemacht und sei in keiner Weise dazu gezwungen worden. Er sei auch nicht in einer psychischen Ausnahmesituation gestanden, der eine mangelnde "Diskretions- und Dispositionsfähigkeit" zur Folge gehabt hätte. Zu dieser ergänzenden Feststellung gelange der Berufungssenat auf Grund folgender Beweiswürdigung: Während sich der Zeuge R.K. an die Vernehmung im Detail nicht mehr genau erinnern könne, schilderten der Abteilungsinspektor und der Bezirksinspektor die Situation jeweils glaubwürdig so, daß der Beschwerdeführer in keinerlei Drucksituation gestanden sei. Das von ihnen protokollierte und vom Beschwerdeführer unterschriebene Geständnis sei von ihm völlig freiwillig gemacht worden. Die dies bezweifelnde Verantwortung des Beschwerdeführers könne daher als bloße Schutzbehauptung zurückgewiesen werden. Auch auf Grund des nunmehr ergänzten Beweisverfahrens zeige sich somit, daß die vom Spruchsenat vorgenommene Beweiswürdigung durchaus schlüssig und nachvollziehbar sei. Der Beschwerdeführer habe in keiner Weise schlüssig darbringen können, warum diese Feststellungen falsch gewesen sein sollten.

Mit der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem subjektiv öffentlichen Recht, entsprechend den Bestimmungen der §§ 35 Abs. 2 i.V.m. 11 FinStrG wegen Vergehens der Hinterziehung von Eingangsabgaben in der Tatbegehungsform der Beitragstäterschaft nicht für schuldig erkannt und nicht bestraft zu werden, weiters auf Durchführung der von ihm beantragten Beweise, nämlich der Einvernahme des Zeugen J.R. (Autoverkäufer) sowie letztlich auf fehlerfreie Handhabung des bei der Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens, verletzt.

Dem nach Einbringung der Beschwerde mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom erteilten Mängelbehebungsauftrag kam der Beschwerdeführer erst nach Ablauf der gesetzten Frist in Verbindung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der beiden Rechtssachen erwogen:

Betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist festzustellen, daß dem mit erteilten Mängelbehebungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen wurde. Da die Beschwerde nach Ansicht des erkennenden Senates aber bereits als ursprünglich ordnungsgemäß eingebracht anzusehen ist und der Mängelbehebungsauftrag nicht erforderlich war, hinderte die verspätete Mängelbehebung die meritorische Behandlung der Beschwerde nicht, obgleich dem Wiedereinsetzungsantrag mangels Vorliegens eines der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglichen Sachverhaltes nicht stattgegeben werden konnte.

In der Hauptsache bekämpft die Beschwerde die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides und rügt in diesem Zusammenhang die Nichteinvernahme des als Zeugen namhaft gemachten Autoverkäufers, wobei vorgebracht wird, durch dessen Einvernahme hätte bewiesen werden können, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt der Unterfertigung des Kaufvertrages keine Kenntnis davon gehabt, daß ein anderer als der vereinbarte Kaufpreis eingesetzt wurde. Dies habe der Beschwerdeführer erst nach Erhalt der Zollbestätigung erfahren.

Nach § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.

In dieser Bestimmung ist der Grundsatz der freien Beweiswürdigung festgelegt. Dieser Grundsatz bedeutet, daß für den Beweis einer Tatsache nicht irgendwelche Beweisregeln, sondern allgemein der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse ausschlaggebend ist. Bei der Feststellung dieses inneren (materiellen) Wahrheitsgehaltes hat die Behörde schlüssig im Sinn der Denkgesetze vorzugehen.

Es obliegt dem Verwaltungsgerichtshof in den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangte, insbesondere zu prüfen, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustandegekommen sind. Somit wird vom Verwaltungsgerichtshof geprüft, ob das Ergebnis der von der Behörde durchgeführten Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang steht und die Sachverhaltsannahme der Behörde in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren gewonnen wurde (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/16/0031).

Schon in der Berufung gegen das Straferkenntnis des Spruchsenates als Finanzstrafbehörde erster Instanz beantragte der Beschwerdeführer zu seiner Entlastung die Einvernahme des Autoverkäufers. Der nunmehr angefochtene Bescheid geht darauf aber in keiner Weise ein. Die belangte Behörde durfte sich über diesen Beweisantrag jedoch, ohne darauf einzugehen, nicht einfach hinwegsetzen, zumal der Autoverkäufer Vertragspartner des Beschwerdeführers war und im Beschwerdefall entscheidende Aussagen machen könnte. In der mündlichen Verhandlung des Berufungssenates wurde zwar der gesamte Akteninhalt verlesen - damit auch Aktenvermerke über Kontakte der Behörde mit dem Autoverkäufer -, dieser fand im angefochtenen Bescheid aber keine Berücksichtigung.

Unter diesen Gegebenheiten kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Grundlagen für die Beweiswürdigung in einem mängelfreien Verfahren zustandegekommen sind. Da im Beschwerdefall nicht ausgeschlossen werden kann, daß im Fall der Durchführung der beantragten Beweisaufnahme und der anschließenden auf diese Beweise gestützten Beweiswürdigung ein anderer Bescheid zu ergehen hätte, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet. Ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen erübrigt sich somit auf Grund des nicht mängelfrei festgestellten Sachverhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.