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VwGH vom 25.09.1997, 95/16/0140

VwGH vom 25.09.1997, 95/16/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der W GesmbH & Co KG in S, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz und Mag. Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien I, Stubenring 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 153/4-10/Zi-1995, betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft mit dem Sitz in Stuttgart war mit einer Einlage von S 25,000.000,-- an der D. Sportschuh GmbH als stille Gesellschafterin beteiligt. Mit Haftungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin zur Haftung für die durch diese Beteiligung ausgelöste Gesellschaftsteuer im Ausmaß von S 500.000,-- herangezogen.

Eine gegen den Haftungsbescheid erhobene Berufung wurde mit - in Rechtskraft erwachsenem - Bescheid als verspätet zurückgewiesen.

Mit einem Antrag vom suchte die Beschwerdeführerin um Nachsicht der angeführten Abgabenschuldigkeit einschließlich des inzwischen verwirkten Säumniszuschlages an. In der Begründung wurde ausgeführt, die finanzielle Belastung beim Versuch, die "Firma D." zu sanieren, Arbeitsplätze zu retten und ein für die österreichische Wirtschaft bedeutendes Unternehmen zu erhalten, habe allein die Beschwerdeführerin getroffen. Die Beschwerdeführerin habe für den Sanierungsversuch folgende Beträge zur Verfügung gestellt:

"D. GmbH & Co KG

Einlage S 18,000.000,--

Garantien S 21,500.000,--

D. GmbH

Einlage S 255.000,--

D. Sportschuh GmbH

Einlage als stiller Gesellschafter S 25,000.000,--

insgesamt S 64,755.000,--"

Trotz des hohen finanziellen Einsatzes sei die Sanierung nicht gelungen. Die D. Gesellschaften hätten Anfang des Jahres 1991 das Insolvenzverfahren einleiten müssen. Damit hätten sämtliche Beteiligungen ihren Wert gänzlich verloren. Der Verlust entspreche dem Kapitaleinsatz von S 64,755.000,--. Es lägen die Voraussetzungen einer Nachsicht i.S.d. § 236 BAO bzw. einer Entlassung aus der Gesamtschuld i.S.d. § 237 BAO vor. Zweck und Ziel des Kapitalverkehrsteuergesetzes sei es, die mit einem Kapital verbundene Erwerbsmöglichkeit allgemein und die durch einen konkreten Kapitaleinsatz spezielle Erwerbsmöglichkeit zu besteuern. Wenn nunmehr feststehe, daß die von der Beschwerdeführerin erworbenen Gesellschaftsrechte völlig wertlos seien, das eingesetzte Kapital verloren sei und keinerlei Erträgnisse gebracht habe, so habe sich dadurch konkretisiert, daß auch schon im Zeitpunkt des Kapitalverkehrs der Wert der erworbenen Rechte in keinem Verhältnis zu dem tatsächlich eingesetzten Kapital gestanden sei. Es sei unbillig, wenn die Beschwerdeführerin als Hauptgeschädigter des Sanierungsversuches zu Steuerleistungen herangezogen werde. Besonders unbillig sei die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin deswegen, weil diese Gesellschaftsteuer von der Beschwerdeführerin bereits am , allerdings nicht an das Finanzamt, sondern an Rechtsanwalt Dr. K. bezahlt worden sei, der für die D. Gesellschaften diese Steuerangelegenheit bearbeitet habe. Das Finanzamt habe zur Sicherstellung eine Bankgarantie verlangt. Die von der Beschwerdeführerin bezahlten Beträge seien zur Sicherstellung für die Bankgarantien verwendet worden. Obwohl der von der Beschwerdeführerin geleistete Betrag von S 500.000,-- für die Gesellschaftsteuerschuld der D. Sportschuh GmbH bestimmt gewesen sei, sei die Bankgarantie, die mit dem von der Beschwerdeführerin bezahlten Betrag abgesichert worden sei, nur hinsichtlich von Steuerschulden der D. GmbH ausgestellt worden. Dieser Irrtum hätte einerseits Rechtsanwalt Dr. K. auffallen müssen, andererseits hätte auch das Finanzamt prüfen müssen, ob durch die beigebrachte Bankgarantie tatsächlich sämtliche Gesellschaftsteuerschulden ausreichend sichergestellt seien. Der Fehler bei der Ausstellung bzw. bei der Annahme der Bankgarantie habe dazu geführt, daß die bezahlten Beträge schließlich zur Abdeckung anderer Verbindlichkeiten der D. Gesellschaften verwendet worden seien. Es sei der Beschwerdeführerin gelungen zu verhindern, daß sie nicht von den Insolvenzen der Firma D. mitgerissen worden sei. Eine weitere Belastung mit S 500.000,-- könnte aber auch zur Zahlungsunfähigkeit der Beschwerdeführerin führen.

Nach Abweisung des Nachsichtsansuchens wurde in der Berufung gegen den Abweisungsbescheid ausgeführt, im Zeitpunkt der Fälligkeit der Gesellschaftsteuer hätte der offene Betrag hereingebracht werden können, zumal die Beschwerdeführerin damals dem Unternehmen S 25,000.000,-- zugeführt habe. Eine Gefährdung der Einbringung sei erst durch die vom Finanzamt ausgesprochene Aussetzung bzw. Hemmung der Einbringung entstanden. Obwohl das Finanzamt die Gefährdung der Einbringlichkeit erkannt habe und diese Gefährdung durch die Vorlage der unvollständig ausgestellten Bankgarantie nicht weggefallen sei, habe das Finanzamt die Hemmung bewilligt. Nur durch diesen Fehler habe es überhaupt dazu kommen können, daß die Steuerschuld nicht von der D. Sportschuh GmbH hereingebracht werden konnte.

Im Berufungsverfahren wurde nach einer entsprechenden Anfrage eine Disziplinaranzeige gegen Rechtsanwalt Dr. K. vom vorgelegt, wonach dieser von dem an ihn zur Entrichtung der Gesellschaftsteuer überwiesenen Betrag von (zusammen) S 860.000,-- einen Teilbetrag von S 500.000,-- gegen eine Honorarforderung aufgerechnet habe. Die von Dr. K. dem Finanzamt übergebenen Bankgarantien hätten sich nur auf die Steuerschulden der D. GmbH und der D. GmbH & Co KG und nicht auf die D. Sportschuh GmbH bezogen. Die Bank habe daher - nach Eröffnung der Insolvenzverfahren - die Zahlung der Steuer von S 500.000,-- verweigert.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung betreffend Nachsicht und Entlassung aus der Gesamtschuld als unbegründet ab. Hinsichtlich der Abweisung des Nachsichtsbegehrens verwies die belangte Behörde insbesondere auf den Umstand, daß bei Gesamtschuldverhältnissen die Voraussetzungen für eine Nachsicht bei allen Gesamtschuldnern vorliegen müssen. Hinsichtlich des Begehrens um Entlassung aus der Gesamtschuld führte die belangte Behörde zunächst zum Vorliegen einer persönlich bedingten Unbilligkeit aus, die Finanzanlagen der Beschwerdeführerin hätten nach der Darstellung im Berufungsverfahren zum umgerechnet ca. 14,400.000 S, die Barmittel rund 6,6 Mio S und der Jahresüberschuß fast 5 Mio S ausgemacht. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Einhebung der gegenständlichen Abgaben zu einer anormalen Belastungswirkung oder zu einem atypischen Vermögenseingriff führen soll, auch wenn die aushaftenden Verbindlichkeiten, insbesondere Bankschulden von rund 21 Mio S berücksichtigt werden. Weiters verwies die belangte Behörde darauf, daß Verluste, die im Rahmen des allgemeinen Unternehmerwagnisses liegen, keine Unbilligkeit der Einhebung begründen. Auch wirtschaftspolitische Überlegungen begründeten keine Unbilligkeit der Einhebung. Das Nachsichtsverfahren diene weiters nicht dazu, eine verspätete Berufung gegen den Haftungsbescheid zu "sanieren". Auch das auftragswidrige Verhalten des Rechtsanwaltes Dr. K. vermöge keine Unbilligkeit der Einhebung zu begründen, weil der Beschwerdeführerin gegen Dr. K. ein Schadenersatzanspruch zustehe. Aus dem Fehlverhalten des Dr. K. könne nicht ein Mitverschulden des Finanzamtes "konstruiert" werden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Entlassung aus der Gesamtschuld verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf Antrag eines Gesamtschuldners kann dieser gemäß § 237 Abs. 1 BAO aus der Gesamtschuld ganz oder teilweise entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Beschwerdeführerin erblickt eine Unbilligkeit i.S.d.

§ 237 BAO zunächst darin, daß es als "Sanierungsbeitrag der Republik Österreich" eine "Zusage" einer Nachsicht auch der gegenständlichen Abgabenschuldigkeit gegeben hätte. Abgesehen davon, daß von der Beschwerdeführerin in keiner Weise näher dargestellt wurde, von welchem Organwalter eine derartige Zusage gegeben worden sein sollte, kann in der Einhebung einer Abgabe, die durch den Erwerb einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an einem sanierungsbedürftigen Unternehmen entstanden ist, nicht von vornherein eine Unbilligkeit gelegen sein. Wird wie hier eine beherrschende Stellung in einer Unternehmensgruppe angestrebt, so kann in dem Umstand, daß diese Akquisition der Sicherung der Fortführung des Unternehmens dient, nicht eine Unbilligkeit erblickt werden. Die behauptete Zusicherung einer Nachsicht der bereits durch den Beteiligungserwerb ausgelösten Abgaben durch Organwalter des Abgabengläubigers hätte daher nicht dem Gesetz entsprochen.

Wenn die Beschwerdeführerin dabei vorbringt, sie sei "Hauptleidtragende des gescheiterten Sanierungsversuches" gewesen, so ist ihr entgegenzuhalten, daß eine Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben nicht vorliegt, die an das Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes anknüpfen, wenn der Zweck oder Erfolg vereitelt wird, das Geschäft in der Folge einen anderen Verlauf nimmt als erwartet oder sich überhaupt zerschlägt und daraus Verluste resultieren (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 16/3093/80).

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, daß die in Rede stehende Steuerschuldigkeit deswegen nicht von der Hauptschuldnerin geleistet wurde, weil das Finanzamt eine Bankgarantie akzeptiert hatte, die sich nur auf die Abgabenschuldigkeiten der D. GmbH & Co KG und der D. GmbH, nicht aber der D. Sportschuh GmbH bezog. Damit übersieht die Beschwerdeführerin aber, daß die Besicherung der Gesellschaftsteuerschuldigkeiten aus dem Grunde beigebracht werden mußte, damit vom Finanzamt die für die Eintragungen im Firmenbuch erforderlichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen i. S.d. § 160 Abs. 2 BAO ausgestellt werden konnten. Eine solche Firmenbucheintragung kommt aber für die im Beschwerdefall den Anlaß der Besteuerung bildende stille Beteiligung nicht in Betracht.

Entgegen den Angaben der Beschwerdeführerin ist also die Besicherung der gegenständlichen Abgabenschuldigkeit nicht aus einem Irrtum heraus unterblieben, sondern es hat der damalige Rechtsvertreter bewußt die Ausstellung einer Bankgarantie nicht veranlaßt und den in Rede stehenden Betrag aus welchem Titel auch immer behalten. Diese Unterlassung des Vertreters ist dabei den von ihm vertretenen Gesellschaften zuzurechnen. Dieser Umstand, daß es auf Grund des Verhaltens des Rechtsvertreters letztlich nicht zur Entrichtung der Abgaben durch die D. Sportschuh GmbH gekommen ist, stellt aber keine Unbilligkeit i.S.d. §§ 236f BAO dar. Der vom Rechtsvertreter des Vertragspartners verursachte Nachteil der Beschwerdeführerin - die Vorgangsweise des Vertreters wurde als disziplinäre Verfehlung geahndet (vgl. AnwBl. 1997, 573) - kann dabei nicht im Wege einer Nachsicht bzw. Entlassung aus der Gesamtschuld dem Abgabengläubiger und damit der Allgemeinheit überbunden werden. Dabei kommt der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Frage nach der Durchsetzbarkeit eines allfälligen Schadenersatzanspruches gegenüber Dr. K. keine Bedeutung zu.

Der Einwand, das Finanzamt habe es unterlassen, durch Vollstreckungsmaßnahmen bei der Hauptschuldnerin zur Abdeckung der Steuerschulden zu gelangen, richtet sich in Wahrheit gegen den Umfang des Haftungsbescheides. Dieser Bescheid ist jedoch in Rechtskraft erwachsen.

Soweit von der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt wird, daß die belangte Behörde (im Sachverhaltsteil des angefochtenen Bescheides) irrtümlich auf eine tatsächlich nicht erfolgte Reduzierung des Rückstandes auf S 200.000,-- verwiesen hatte, so ist ihr entgegenzuhalten, daß das Vorliegen einer "persönlich bedingten" Unbilligkeit im Hinblick auf die - in der Beschwerdeschrift nicht in Abrede gestellten - gute Ertrags- und Vermögenslage verneint wurde. Es war daher nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Begründungsmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.