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VwGH vom 29.10.2003, 2001/13/0211

VwGH vom 29.10.2003, 2001/13/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl, über die Beschwerde der L in P, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Dr. Robert Steiner, Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun und Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom , Zl. RV/664- 15/19/1999, betreffend u.a. Einkommensteuer 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Wie dem Bericht über eine bei der Beschwerdeführerin durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung zu entnehmen ist, hat die Beschwerdeführerin mit Kaufvertrag vom mehrere Liegenschaften von ihrem (damaligen) Ehemann J.L. gegen Übernahme der darauf lastenden Schulden erworben. Mit Vergleich vom - so der Prüfer weiter - sei vereinbart worden, dass der Kaufvertrag vom ex tunc für ungültig erklärt werde und die Rückübereignung der Liegenschaften gegen Bezahlung eines Betrages von S 6,000.000,-- erfolgen solle. Dieser Betrag sei der Beschwerdeführerin im Juli 1992 zugeflossen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat der Prüfer dazu die Ansicht, die vereinbarte Rückwirkung könne für den Bereich des Steuerrechtes nicht anerkannt werden. Durch die entgeltliche Rückübereignung der Liegenschaften habe die Beschwerdeführerin einen Spekulationsgewinn erzielt, welcher nach Abzug der seinerzeitigen Anschaffungskosten sowie angefallener Herstellungs- , Instandsetzungs- und Rechtsanwaltskosten S 2,628.090,-- betrage und im Jahr 1992 zu erfassen sei.

Gegen den einen entsprechenden Spekulationsgewinn ausweisenden Einkommensteuerbescheid für 1992 erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie unter anderem vorbrachte, der niedrige Kaufpreis in Höhe von S 1,781.700,-- für sieben Häuser spräche ungeachtet der Bezeichnung als "Kaufvertrag" für das Vorliegen einer Schenkung. Bei einem Verkauf unter Fremden wären "gut und gern 12 Millionen S" erzielt worden. Die anlässlich der Annullierung des Kaufvertrags bezahlte Vergleichssumme stelle kein Einkommen dar und könne nicht zur Ermittlung eines Spekulationsgewinnes führen.

Der Prüfer erwiderte in seiner Stellungnahme zur Berufung, dass bei Abschluss des Kaufvertrages beide Parteien die Übereignung der besagten Liegenschaften um einen fix vereinbarten Kaufpreis gewollt hätten. Aus den Gerichtsakten gehe hervor, dass - wäre die Ehe nicht geschieden worden - der Vertrag nicht angefochten worden wäre, weshalb die Darstellung des Vertrags als Scheingeschäft oder Schenkung nicht nachvollziehbar sei. Die Beschwerdeführerin sei wirtschaftliche und grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaften gewesen. Darüber hinaus wirke gemäß § 23 Abs. 4 BAO eine erfolgreiche gerichtliche Anfechtung eines Rechtsgeschäfts im Abgabenverfahren nicht zurück.

In einer Ergänzung zur Berufung brachte die Beschwerdeführerin neuerlich vor, die Übertragung der Grundstücke sei aus privaten Gründen weit unter dem tatsächlichen Wert von 12 Mio. S erfolgt. J.L. habe die Häuser bis zum bewirtschaftet und für deren Aus- und Umbau sehr viel Zeit aufgewendet, sodass die finanzielle Abwicklung der Verbindlichkeiten vernachlässigt worden wäre und es daher zu ständigen Klagen und Exekutionen gekommen sei. Solcherart habe sich die Beschwerdeführerin entschlossen, selbst die Verwaltung der Häuser zu übernehmen. Der Einheitswert der übertragenen Grundstücke habe - wie einer näheren Aufschlüsselung zu entnehmen sei - insgesamt S 1,697.000,-- betragen. Auf den Liegenschaften hätten Verbindlichkeiten in Höhe von S 1,781.700,-- gelastet, wobei die diesbezüglichen Konten nach der Übereignung nach wie vor auf den Ehemann der Beschwerdeführerin gelautet hätten; auch sei anlässlich der Übertragung im Jahr 1987 kein Geld geflossen. Aus "persönlichen Motiven (Vorwurf der ehelichen Untreue, die zur Scheidung geführt hat)" sei der Vertrag rückgängig gemacht worden. Die im Vergleich vom vereinbarte Abfindungssumme sei als Entschädigung für das gemeinsam erworbene Vermögen gedacht gewesen, wobei die Beschwerdeführerin die ab 1987 neu eingegangenen Kredite übernommen, der (seit 1990 geschiedene) Ehemann die bereits seinerzeit im Grundbuch eingetragenen Kredite zurückzuzahlen gehabt habe. Aus Kostengründen sei über "Vorschlag der Anwälte" mit dem vor Gericht geschlossenen Vergleich vom gleichzeitig der seinerzeitige Kaufvertrag rückgängig gemacht und eine Vermögensaufteilung zwischen den nunmehr geschiedenen Ehegatten vorgenommen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Für das Vorliegen einer gemischten Schenkung sei entscheidend, dass die Parteien die teilweise Unentgeltlichkeit gewollt und ausdrücklich oder schlüssig zum Ausdruck gebracht hätten. Ein krasses Missverhältnis des Wertes der beiden Leistungen allein reiche für die Annahme einer gemischten Schenkung nicht aus. Aus den Gerichtsakten gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin und ihr damaliger Ehemann bei Vertragsabschluss beabsichtigt hätten, die Liegenschaften dem Zugriff der Gläubiger des Ehemannes zu entziehen. Um eine mögliche Gläubigeranfechtung zu erschweren, habe man ein entgeltliches Rechtsgeschäft geschlossen. Trotz Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sei daher von einem Kauf auszugehen. Auch könne die erfolgreiche Anfechtung die Entstehung der Steuerschuld nicht verhindern oder nachträglich beseitigen, weil bei Steuertatbeständen, die an die Verwirklichung wirtschaftlicher Vorgänge anknüpften, steuerrechtlich die tatsächlichen Gegebenheiten und Ergebnisse von Bedeutung seien, gleichgültig ob das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft nichtig sei.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 30 Abs. 1 EStG 1988 liegt ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft vor, wenn bei der Veräußerung eines Grundstücks der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Wurde das Grundstück unentgeltlich erworben, so ist auf den Anschaffungszeitpunkt beim Rechtsvorgänger abzustellen.

Eine unentgeltliche Übertragung ist nicht nur bei einer (reinen) Schenkung, sondern auch bei einer gemischten Schenkung anzunehmen. Eine solche setzt voraus, dass der Kaufpreis aus privaten Motiven unter dem tatsächlichen Wert liegt. Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn aus den Verhältnissen der Personen zu vermuten ist, dass sie einen zum Teil entgeltlichen, zum Teil unentgeltlichen Vertrag schließen wollen. Entscheidend ist, dass die Parteien einen Teil der Leistung als geschenkt ansehen wollen. Erforderlich ist, dass sich die Vertragspartner des doppelten Charakters der Leistung als teilweise entgeltlich, teilweise unentgeltlich bewusst gewesen sind, beide die teilweise Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt und ausdrücklich oder schlüssig zum Ausdruck gebracht haben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/14/0102).

Eine (gemischte) Schenkung kann bei einem offenbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in Betracht kommen. Ein solches offenbares Missverhältnis liegt dann vor, wenn sich nach Lage des Falles für den einen Teil auf jeden Fall eine Vermögenseinbuße, für den anderen Teil auf jeden Fall eine Bereicherung ergibt. Bei der Feststellung, ob ein solches krasses Missverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen (geringfügige Wertunterschiede bleiben außer Betracht) und damit eine Bereicherung eines Vertragsteiles vorliegt, sind Leistung und Gegenleistung nach ihrem gemeinen Wert zu vergleichen. Ein krasses Missverhältnis des Wertes der beiderseitigen Leistungen reicht zwar für sich allein nicht aus, die Annahme einer gemischten Schenkung zu begründen; es kann jedoch - als einer der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles - den Schluss auf die Schenkungsabsicht der Parteien rechtfertigen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/15/0084).

Die Frage, ob die Ehegatten bei Abschluss des Übereignungsgeschäftes im Jahr 1987 (zumindest teilweise) eine Schenkungsabsicht gehabt haben oder tatsächlich einen Kaufvertrag haben schließen wollen, ist eine Tatfrage, welche die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zu beurteilen hat.

Die dabei von der belangten Behörde anzustellende Beweiswürdigung unterliegt insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, ob die belangte Behörde gegen die Denkgesetze oder gegen das allgemeine menschliche Erfahrungsgut verstoßen hat (vgl. das einen ebenfalls zwischen ehemaligen Ehegatten geschlossenen Kaufvertrag betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/13/0008).

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, die Schenkungsabsicht würde sich im Beschwerdefall schon aus dem (beiden Vertragspartnern bei Vertragsabschluss bekannten) Missverhältnis zwischen dem Wert der übergebenen Liegenschaften und der in der vereinbarten Schuldübernahme gelegenen Gegenleistung der Beschwerdeführerin ergeben. Auch sei es weder zu einem Geldfluss gekommen noch sei im Rechtsverhältnis zu den Kreditgebern eine Änderung eingetreten. Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen, insbesondere den von der Beschwerdeführerin angegebenen Verkehrswert der Liegenschaften nicht in Zweifel gezogen und die Beschwerdeführerin nicht zur Vorlage diesbezüglicher Beweismittel aufgefordert. Vielmehr hat sie das Vorliegen eines Missverhältnisses der beiderseitigen Leistungen ausdrücklich eingeräumt, diesem Umstand aber deswegen keine Bedeutung beigemessen, weil die Absicht der Ehegatten auf die Entgeltlichkeit der Übereignung gerichtet gewesen sei, was einer "teilweisen Schenkungsabsicht der Vertragsparteien ausdrücklich entgegenstehen" müsse. Sie stützt ihre Feststellung, die Absicht der Ehegatten sei auf eine entgeltliche Übertragung der Liegenschaften gerichtet gewesen, auf das im zivilgerichtlichen Verfahren aufgenommene Tonbandprotokoll vom . Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass die diesbezügliche Aussage des J.L. nicht für den Standpunkt der belangten Behörde spräche, habe er doch erklärt, eine "reine Schenkung" sei nur deshalb nicht vereinbart worden, um Anfechtungen des Rechtsgeschäftes durch Gläubiger des J.L. schwieriger zu gestalten.

Die Aussage, dass die (äußere) Form eines Kaufvertrages gewählt worden sei, um mögliche Gläubigeranfechtungen zu erschweren, lässt offen, ob die Entgeltlichkeit bloß vorgetäuscht oder tatsächlich ein Preis vereinbart wurde, welcher unter den gegebenen Umständen als "angemessener Kaufpreis" allfälligen Anfechtungsklagen stand halten und die Bezeichnung der Vereinbarung als "Kaufvertrag" rechtfertigen konnte. Im Zusammenhalt mit den weiteren Ausführungen des J.L., in denen er vom Vorliegen eines Scheingeschäftes spricht und behauptet, die Ehegatten seien sich darüber einig gewesen, dass "das Ganze nichts kosten solle", erscheint die von der belangten Behörde allein aus der (von J.L. eingeräumten) Absicht der Gläubigerschädigung abgeleitete Feststellung der fehlenden Bereicherungsabsicht zwischen den Ehegatten nicht schlüssig.

Soweit im angefochtenen Bescheid ergänzend bemerkt wird, bei einer allfälligen Zwangsversteigerung der Liegenschaften hätte auch nur ein "niedrigerer Erlös" erzielt werden können, ist zu sagen, dass die ohne Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu dem unter Fremden erzielbaren Preis getroffene unbestimmte Feststellung den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen vermag.

Die in der Gegenschrift der belangten Behörde gemachten Ausführungen zur Beweiskraft öffentlicher Urkunden übersehen, dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Prozessunterlagen geeignet waren, die Beweiskraft der vor einem Notar abgegebenen Erklärungen der Parteien (einen "Kaufvertrag" abschließen zu wollen) zu erschüttern. Die Versuche der belangten Behörde, in der Gegenschrift aufzuzeigen, dass das im Kaufvertrag vom vereinbarte Entgelt im Ergebnis als angemessen betrachtet werden könne, müssen schon deshalb scheitern, weil in der Gegenschrift eine dem angefochtenen Bescheid fehlende Begründung nicht nachgeholt werden kann.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am