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VwGH vom 29.10.2003, 2001/13/0210

VwGH vom 29.10.2003, 2001/13/0210

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl, über die Beschwerde der F reg. Gen.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/73-11/17/2001, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft, beantragte mit Eingabe an das Finanzamt vom die "Rückvergütung" abgeführter Kapitalertragsteuer. Begründend wurde ausgeführt, im Zuge einer Kaufvertragsabwicklung sei ein Betrag von 41,250.000 S treuhändig bei einem Notar hinterlegt und von diesem auf einem Anderkonto veranlagt worden. Von den Erträgen des näher bezeichneten Anderkontos habe die Bank im Zeitraum vom bis Kapitalertragsteuer in Höhe von insgesamt 948.319,07 S einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Da die Beschwerdeführerin als gemeinnützige Bauvereinigung gemäß § 5 Z 10 KStG 1988 von der Körperschaftsteuerpflicht befreit sei, werde die Rückerstattung des angeführten Betrages beantragt.

Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung ab, nach § 94 Z 5 EStG 1988 dürfe der Abzug von Kapitalertragsteuer nur dann unterbleiben, wenn der Empfänger der Kapitalerträge der zum Abzug verpflichteten Bank eine so genannte Befreiungserklärung vorgelegt habe. Da die Beschwerdeführerin eine solche Erklärung nicht abgegeben habe, sei der Abzug von Kapitalertragsteuer durch die Bank zu Recht erfolgt. Im Übrigen unterliege die Beschwerdeführerin mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 2 und 3 gemäß § 1 Abs. 3 Z 3 KStG 1988 ohnedies der (beschränkten) Körperschaftsteuerpflicht, welche durch den Abzug der Kapitalertragsteuer abgegolten worden sei.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend "die nicht rechtzeitig durchgeführte Übermittlung einer Kapitalertragsteuerbefreiungserklärung iSd § 94 Z 5 EStG" und gab gleichzeitig eine Befreiungserklärung ab. Auf Grund einer nicht erfüllten Bedingung sei der geplante Kaufvertrag überraschender Weise nicht zustande gekommen und der beim Notar am treuhändig erlegte Kaufpreis samt Zinsen an die Beschwerdeführerin zurückgezahlt worden. "Aufgrund der Besonderheit der Körperschaftsteuerbegünstigungen für gemeinnützige Körperschaften sowie in Anbetracht des unvorhersehbaren Nichtzustandekommens des aufschiebend bedingten Geschäfts" sei es verabsäumt worden, rechtzeitig eine Befreiungserklärung abzugeben. Die Abgabe hätte "1996 bzw. spätestens 1997 (erstmaliger Abzug von KESt)" erfolgen sollen. Ein grobes Verschulden liege angesichts der geschilderten Besonderheiten und der "nicht alltäglichen Rechtslage" nicht vor.

Dem Antrag wurde mit der Begründung kein Erfolg beschieden, dass für die Abgabe der Befreiungserklärung gemäß § 94 Z 5 EStG 1988 keine Frist vorgesehen sei, weshalb auch keine Fristversäumnis im Sinne des § 308 BAO eingetreten sein könne.

Dieser Ansicht trat die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung mit dem Vorbringen entgegen, dass die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen sei und der Steuerpflichtige daher spätestens bis zu diesem Zeitpunkt eine Befreiungserklärung vorzulegen habe. Solcherart werde eine Frist normiert, gegen deren Versäumung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gemäß § 94 Z 5 EStG 1988 bestehe auch bei Vorliegen aller materiellen Voraussetzungen keine Verpflichtung zur Abgabe einer Befreiungserklärung. Der Kapitalertragsteuerpflichtige habe es selbst in der Hand zu entscheiden, ob und wann er eine Befreiungserklärung abgebe. Wenn in § 94 Z 5 EStG 1988 von einem "Beginn" gesprochen werde, sei damit der Beginn der Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug gemeint, also ein Zeitpunkt, zu dem die Befreiungserklärung bereits vorliegen müsse. Der "Beginn der Frist" zur Abgabe einer Befreiungserklärung sei somit lediglich in der Willensentscheidung des Kapitalertragsteuerpflichtigen zu sehen, dass Kapitalertragsteuer nicht abgezogen werden solle. Da eine Frist immer einen Zeitraum von einem bestimmten Beginn bis zu einem Endpunkt (dem Fristende) umfasse, normiere § 94 EStG 1988 keine gesetzliche Frist zur Abgabe der Befreiungserklärung.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist ausschließlich die Frage strittig, ob § 94 Z 5 EStG 1988 eine gesetzliche, von der Beschwerdeführerin versäumte Frist zur Abgabe einer Befreiungserklärung normiert.

Fristen sind Zeiträume, vor oder nach deren Ablauf eine bestimmte Handlung rechtswirksam vorgenommen werden muss, um die vorgesehenen Rechtswirkungen auszulösen (Stoll, BAO-Kommentar2, 1174, mit Hinweis auf Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I, 298). Zum Wesen einer Frist gehört im gegebenen Zusammenhang jedenfalls ein Endzeitpunkt. Liegt keine (versäumte) Frist vor, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von vornherein nicht in Betracht.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die im September 2000 abgegebene Befreiungserklärung für Zinserträge der Jahre 1996 bis 1999 sei vom Finanzamt als verspätet qualifiziert worden, woraus sich ergebe, dass eine Frist versäumt worden sein müsse.

§ 94 Z 5 EStG 1988 in der durch das Bundesgesetz BGBl. Nr.

12/1993 gestalteten Fassung lautet:

"Der zum Abzug Verpflichtete (§ 95 Abs. 3) hat keine

Kapitalertragsteuer abzuziehen:

...

5. Bei Kapitalerträgen im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 3 und Abs. 3, deren Empfänger keine natürliche Person ist, unter folgenden Voraussetzungen:

a) Der Empfänger erklärt dem zum Abzug Verpflichteten bei Nachweis seiner Identität schriftlich, daß die Zinserträge als Betriebseinnahmen eines in- oder ausländischen Betriebes, ausgenommen eines Hoheitsbetriebes (§ 2 Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) zu erfassen sind (Befreiungserklärung).

b) Der Empfänger leitet eine Gleichschrift der Befreiungserklärung unter Angabe seiner Steuernummer im Wege des zum Abzug Verpflichteten dem zuständigen Finanzamt zu.

c) Bei Kapitalerträgen gemäß § 93 Abs. 3 sind das Wertpapier und der Kupon auf dem Depot eines Kreditinstitutes hinterlegt.

Der Empfänger hat dem zum Abzug Verpflichteten und dem zuständigen Finanzamt im Wege des zum Abzug Verpflichteten unverzüglich alle Umstände mitzuteilen, die dazu führen, daß die Kapitalerträge nicht mehr zu den Einnahmen eines in- oder ausländischen Betriebes gehören (Widerrufserklärung). Die Befreiung beginnt mit dem Vorliegen sämtlicher unter lit. a bis c angeführter Umstände und endet mit dem Wegfallen der Voraussetzung der lit. c, der Abgabe der Widerrufserklärung oder mit der Zustellung eines Bescheides, in dem festgestellt wird, daß die Befreiungserklärung unrichtig ist."

Die Abgabe einer Befreiungserklärung gemäß § 94 Z 5 EStG 1988 ist - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - an keine Frist gebunden, weil ein Endzeitpunkt für die Abgabe der Befreiungserklärung nicht normiert ist. Es liegt allein im Belieben des Steuerpflichtigen, ob und gegebenenfalls wann er eine Befreiungserklärung abgibt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin wird auch mit der Wendung "Die Befreiung beginnt mit dem Vorliegen sämtlicher unter lit. a bis c angeführter Umstände ..." keine Frist für die Abgabe der Befreiungserklärung festgelegt. Aus der Bestimmung folgt nur, dass die Befreiung erst mit dem Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen eintritt.

Die Befreiungserklärung kann nach der angeführten Gesetzesstelle jederzeit, aber nur für die Zukunft und nicht rückwirkend für die Vergangenheit abgegeben werden. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bestimmung des § 95 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 hinzuweisen. Danach gilt bei Meldung des Eintritts von Umständen, die die Abzugspflicht beenden (insbesondere bei Abgabe einer Befreiungserklärung), der Zinsertrag, der auf den Zeitraum vom letzten Zufließen gemäß § 19 bis zur Meldung entfällt, als zugeflossen, ist also dem Kapitalertragsteuerabzug zu unterwerfen. Die Versagung der Befreiung für die Vergangenheit ist somit nicht darauf zurückzuführen, dass eine Frist versäumt wurde, sondern darauf, dass die Befreiungserklärung nicht rückwirkend (mit Wirkung für vergangene Zeiträume) abgegeben werden kann.

Es ist demnach nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde dem Wiedereinsetzungsantrag schon mangels Fristversäumnis keine Folge gegeben hat. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am