VwGH vom 11.09.1998, 97/19/1523
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des Dr. GK in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom , Zl. 710.283/36-I 8/1997, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Justiz vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf bescheidmäßige Feststellung des "Rechtes des Antragstellers, in Zivilprozessen in eigenen Angelegenheiten in jedem Fall und in jeder Instanz ohne Rechtsanwalt wirksam Prozeßhandlungen vornehmen zu können", mangels Zuständigkeit der belangten Behörde zurückgewiesen. Begründend führte diese aus, über die Frage des Bestehens einer Anwaltspflicht im Zivilprozeß hätten ausschließlich die unabhängigen Gerichte zu erkennen. Mit Rücksicht auf die in Österreich geltenden verfassungsgesetzlichen Bestimmungen über die Unabhängigkeit der Rechtsprechung (Art. 87 Abs. 1 B-VG) und die Trennung der Justiz von der Verwaltung (Art. 94 B-VG) sei es der belangten Behörde verwehrt, über Angelegenheiten der Rechtsprechung zu befinden. Es fehle ihr daher an der Zuständigkeit zur Entscheidung über den gegenständlichen Antrag.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Entgegen der Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG habe es die belangte Behörde unterlassen, die bei Bescheiderlassung angewendete Gesetzesbestimmung ausdrücklich anzuführen. Tatsächlich existiere keine Rechtsnorm, welche die Entscheidung über "allgemeine Fragen der Anwaltspflicht" den unabhängigen Gerichten zuweise. Unter Berufung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 11.500, vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, in Ermangelung einer konkreten Rechtsnorm, welche die Kompetenz zur Entscheidung über den geltend gemachten Feststellungsanspruch den Gerichten zuweise, sähen die Zuständigkeitsbestimmungen, insbesondere jene des Bundesministeriengesetzes, die "subsidiäre Omnikompetenz" der Verwaltungsbehörden, insbesondere des Bundesministers (hier: für Justiz) als oberstes Organ der Verwaltung vor. Die belangte Behörde habe daher ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den gegenständlichen Feststellungsanspruch zu Unrecht verneint. Darüber hinaus stellt die Beschwerde ausführliche Erwägungen über die Vereinbarkeit der Anwaltspflicht mit Art. 6 MRK an.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Art. 83 Abs. 1, Art. 92 und Art. 94 B-VG lauten:
"Art. 83. (1) Die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte wird durch Bundesgesetz festgestellt.
...
Art. 92. (1) Oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen ist der Oberste Gerichtshof.
...
Art. 94. Die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt."
Art. 6 Abs. 1 MRK lautet auszugsweise:
"Art. 6. (1) Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. ..."
§ 2 Abs. 1, 2 und 3 des Bundesministeriengesetzes 1986, BGBl. Nr. 76, lautet auszugsweise:
"§ 2. (1) Der Wirkungsbereich der Bundesministerien umfaßt:
...
2. die Sachgebiete, die gemäß dem Teil 2 der Anlage einzelnen Bundesministerien zur Besorgung zugewiesen sind.
(2) Die Bundesministerien haben gemäß den Weisungen (Art. 20 Abs. 1 B-VG) und unter der Verantwortung (Art. 74, 76 und 142 B-VG) des mit ihrer Leitung (Art. 77 Abs. 3 B-VG) betrauten Bundesministers im Rahmen ihres Wirkungsbereiches aufgrund der Gesetze die ihnen durch bundesverfassungsgesetzliche Vorschriften, allgemeine Entschließungen des Bundespräsidenten, durch dieses Bundesgesetz oder andere bundesgesetzliche Vorschriften oder durch Verordnungen aufgrund des § 15 übertragenen Geschäfte der obersten Bundesverwaltung in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise zu besorgen.
(3) Geschäfte der obersten Bundesverwaltung im Sinne des Abs. 2 sind Regierungsakte, Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung oder der Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten."
In Teil 2 der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986 heißt es:
"I. Bundesministerium für Justiz
1. Angelegenheiten des Zivilrechts, soweit sie nicht in den Wirkungsbereich eines anderen Bundesministeriums fallen.
...
4. Angelegenheiten der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit.
Dazu gehören insbesondere auch:
Angelegenheiten der Organisation und des Verfahrens der ordentlichen Gerichte, der Kartellgerichte und des schiedsrichterlichen Verfahrens."
§ 1 JN lautet:
"§ 1. Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen wird, soweit dieselben nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen sind, durch Bezirksgerichte, Bezirksgerichte für Handelssachen, Landesgerichte, Handelsgerichte, durch Oberlandesgerichte und durch den Obersten Gerichtshof (ordentliche Gerichte) ausgeübt."
§ 27 Abs. 1 ZPO lautet:
"§ 27. (1) Vor den Bezirksgerichten in Sachen, deren Streitwert an Geld oder Geldeswert 30.000,-- S übersteigt, und vor allen höheren Gerichten müssen sich die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten lassen (absolute Anwaltspflicht)."
Eine bestimmte Kompetenz der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist im B-VG nicht ausdrücklich festgelegt. Gemäß Art. 83 Abs. 1 B-VG ist die Zuständigkeit der Gerichte durch Bundesgesetz festzustellen. § 1 JN verweist im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 MRK jedenfalls die Kompetenz zur Setzung individueller Vollzugsakte nicht nur im Bereich des Zivilrechtes, sondern auch in jenem des Zivilprozeßrechtes (wovon § 27 Abs. 1 ZPO umfaßt ist) an die ordentlichen Gerichte. Gegenteiliges ist auch aus den Vollzugsklauseln (Art. XXIV EGJN und Art. LV EGZPO) nicht ableitbar (zur Bedeutung der Nennung des Bundesministeriums für Justiz in einer Vollzugsklausel in Angelegenheiten, deren Vollzug primär den Gerichten zukommt, vgl. Barfuß, Ressortzuständigkeit und Vollzugsklausel, 104 ff).
Auch ermächtigt - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - die Zuweisung eines allgemeinen Wirkungsbereiches zu einem Bundesministerium durch das Bundesministeriengesetz 1986 für sich allein noch nicht zur Setzung von Verwaltungsakten (Art. 18 Abs. 1 und 2 B-VG). Mit dieser Zuweisung wird dem betreffenden Bundesminister nur ganz allgemein die Leitung und Verwaltung bestimmter Sachgebiete übertragen. Nach den EB zur RV zum Bundesministeriengesetz 1973 (483 BlgNR, 13. GP, 22) hat die im BMG vorgenommene Festlegung des allgemeinen Wirkungsbereiches der Bundesministerien etwa Bedeutung für die Zuständigkeit zur Vorbereitung einer Regierungsvorlage; darüber hinaus wird auch eine gewisse Präzisierung verfassungsrechtlicher Vorschriften, die vom zuständigen Bundesministerium sprechen, erreicht (vgl. zum Ganzen Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 685).
Eine Verwaltungsbehörde ist aber zur Erlassung von Feststellungsbescheiden, von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall, daß sie in einem Gesetz ausdrücklich hiezu berufen wird, abgesehen, nur zuständig, wenn die Angelegenheit auch dann, wenn es sich nicht um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes handeln würde, in ihre Zuständigkeit fiele, ihr also im Bereich des Vollzuges der jeweiligen Materie eine abstrakte Kompetenz zukäme (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2918/A;
Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 407). Eine solche abstrakte Kompetenz zum Vollzug der zivilprozessualen Bestimmungen betreffend die Anwaltspflicht kommt aber nach dem Vorgesagten den Verwaltungsbehörden nicht zu.
Gegenteilige Aussagen sind dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 11.500, nicht zu entnehmen. In diesem Erkenntnis setzt sich der Verfassungsgerichtshof insbesondere mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Übertragung bisher von der Verwaltung geführter, "civil rights" im Sinne des Art. 6 MRK betreffender Angelegenheiten an die Gerichte durch den einfachen Gesetzgeber auseinander. Die Übertragung des Vollzuges des Zivil- und Zivilprozeßrechtes an die ordentlichen Gerichte durch § 1 JN bleibt von den im Erkenntnis vom getroffenen Aussagen des Verfassungsgerichtshofes unberührt.
Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrat, Verwaltungsbehörden seien zur Entscheidung über den Feststellungsantrag des Beschwerdeführers nicht zuständig. Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hatte die belangte Behörde daher ihre sachliche Unzuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Da für die Erledigung des - unzulässigen - Antrages auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über zivilprozessuale Fragen keine Behörde zuständig ist, ging die belangte Behörde zutreffend mit Zurückweisung des darauf gerichteten Antrages des Beschwerdeführers vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2551/76).
Insoweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides die angewendete Rechtsnorm nicht nennt, ist ihm folgendes zu entgegnen:
Lediglich ein Bescheid, der nicht erkennen läßt, auf welche gesetzliche Grundlage er sich stützt, verletzt die Vorschrift des § 59 Abs. 1 AVG. Wenn der Inhalt eines Bescheides jedoch eindeutig erkennen läßt, auf welche Vorschrift er sich gründet, muß der Bescheid als in Vollziehung dieser Norm angesehen werden, auch wenn er die angewendete Vorschrift nicht ausdrücklich nennt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/09/0209). Vorliegendenfalls läßt der angefochtene Bescheid eindeutig erkennen, daß die belangte Behörde in Vollzug der Bestimmung des § 6 Abs. 1 AVG ihre sachliche Unzuständigkeit von Amts wegen wahrgenommen hat. Daher liegt auch der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.
Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.