VwGH vom 16.11.1995, 95/16/0114
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch die Dr. A in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-667/94, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer und die Spar- und Darlehenskasse der Arbeitnehmer der D-AG errichteten am eine als "Darlehensvorvertrag" bezeichnete Urkunde, die auszugsweise folgenden Inhalt hat:
" ... 1. Die Vertragsparteien vereinbaren, künftig, und zwar frühestens 14 Tage, spätestens aber 3 Monate nach Abschluß dieser Vereinbarung einen Darlehensvertrag über den Darlehensbetrag von
S 148.000.--
(in Worten: Einhundertachtundvierzigtausend)
mit nachstehendem Inhalt abzuschließen.
Dieser Darlehensvorvertrag räumt dem Schuldner und der Genossenschaft lediglich das Recht ein, den Abschluß eines Darlehensvertrages zu verlangen; der Schuldner erlangt jedoch nicht die Verfügung über den als Darlehensbetrag genannten Geldbetrag. Der Abschluß des Darlehensvertrages hat über Aufforderung einer der Vertragsparteien innerhalb des vorgesehenen Zeitraumes unverzüglich zu erfolgen.
2. Der vereinbarte Zinssatz wird 7,75% p.a. im nachhinein, die Zuzählungsprovision 0.6 % p.a. betragen. Dies entspricht einer Verzinsung von 9,0 %.
Es wird folgender Betrag zugezählt werden:
Darlehensbetrag ........................ S 148.000.--
abzügl. Zuzählungsprovision ............ S 3.552.--
Auszahlungsbetrag S 144.448.--
Die Gesamtbelastung einschließlich Zinsen beträgt S 176.160.--.
3. Die Rückzahlung des Darlehensbetrages wird in 48 Monatsraten (Kapital- und Zinsenrate) zu S 3.596.-- (in Worten: Dreitausendfünfhundertneunzigsechs) erfolgen. ..."
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien qualifizierte die getroffene Vereinbarung mit der Begründung als Kreditvertrag, der Wille der Vertragspartner sei nicht auf den Abschluß eines künftigen Vertrages sondern auf Erfüllung gerichtet gewesen und forderte mit Bescheid vom Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 1 GebG an.
Dagegen berief der Beschwerdeführer mit dem Argument, aus dem maßgeblichen Urkundeninhalt ergebe sich eindeutig nur der auf einen künftigen Vertragsabschluß gerichtete Parteiwille, hingegen nicht die Einräumung einer Verfügungsmacht über einen bestimmten Geldbetrag.
Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde erster Instanz beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz über die Berufung.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, wobei sie die Auffassung vertrat, nach dem Inhalt des gegenständlichen Vertragstextes sei darin eine Vereinbarung gelegen, die dem Beschwerdeführer innerhalb der fixierten Frist die Verfügung über den Geldbetrag einräume. Die im Vertrag genannte Frist lasse nicht erkennen, daß die Zeit für den eigentlichen Vertragsabschluß noch nicht reif gewesen sei, sondern stecke nur den Rahmen ab, innerhalb dessen die Erfüllung der Kreditzusage stattzufinden hätte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gebührenfreiheit verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 GebG sind Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird, gebührenpflichtig.
Gemäß § 936 ABGB liegt das Wesen eines Vorvertrages darin, daß eine Vereinbarung getroffen wird, künftig einen Vertrag (bestimmten Inhaltes) abzuschließen.
Ein Vertrag, künftig ein Darlehen zu geben, ist gemäß § 983 Satz 2 ABGB dem Vorvertrag gemäß § 936 ABGB zuzuordnen und mit einem Darlehensvertrag nicht zu verwechseln.
Das Wesen eines gebührenpflichtigen Kreditvertrages liegt in der konsensualen Begründung der Verpflichtung des Kreditgebers, dem Kreditnehmer die Möglichkeit einer Fremdfinanzierung privater oder betrieblicher Bedürfnisse aus vertraglich hiefür bereitgestellten Mitteln des Kreditgebers zu eröffnen. Der Kreditnehmer kann auf Grund des Kreditvertrages rückzahlbare, verzinsliche Mittel des Kreditgebers in Anspruch nehmen. Ein Kreditvertrag, der bereits unmittelbar eine Leistungspflicht begründet, ist kein Darlehensvorvertrag und von einem solchen (der lediglich auf Vertragsabschluß ausgerichtet ist) zu unterscheiden (vgl. insbesondere die bei Fellner, Gebühren und Verkehrssteuern, Band I, 2. Teil, Stempel- und Rechtsgebühren, Erg. B, 11 B, Abs. 1 und Erg. Y, 17 Y, aber auch im angefochtenen Bescheid selbst zitierten hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 81/15/0005 bis 0009, und vom , Zl. 90/15/0129, auf die zur Vermeidung weiterer Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann).
Nach dem im vorliegenden Fall deutlichen und damit gemäß § 17 Abs. 1 GebG auch maßgeblichen Urkundeninhalt stand dem Beschwerdeführer aus der Vereinbarung vom noch keineswegs der von der belangten Behörde angenommene Anspruch auf Verfügung über den Geldbetrag von S 148.000,-- also noch kein Leistungsanspruch zu, sondern lediglich das Recht auf Abschluß des in der Vertragsurkunde inhaltlich näher detaillierten (und damit dem inhaltlichen Bestimmtheitserfordernis des § 936 ABGB hinlänglich entsprechenden) Hauptvertrages (= Darlehensvertrages).
Insoweit die belangte Behörde ihren Bescheid auf die vertraglich formulierte Frist "frühestens 14 Tage spätestens aber 3 Monate nach Abschluß dieser Vereinbarung" stützt und vermeint, es handle sich dabei um den Rahmen für die Erfüllung der Kreditzusage, übersieht sie, daß der Urkundentext mit dieser Zeitspanne nicht die Fälligkeit der Darlehenszuzählung sondern die "Zeit der Abschließung" des Hauptvertrages iS des § 936 ABGB umschreibt. Dies ist nach herrschender Meinung, nämlich auch im Wege einer sogenannten "Fälligkeitszeitstrecke", zulässig (vgl. z.B. Reischauer in Rummel, ABGB I2 Rz 4 zu § 936 ABGB sowie Gschnitzer in Klang2 IV/1, 577). Da der Beschwerdeführer aus der Vereinbarung vom (ebenso wie seine Vertragspartnerin) zivilrechtlich lediglich das Recht erlangt hat, innerhalb eines Jahres ab dem Ablauf der vertragsgemäß festgelegten Drei-Monats-Frist gerichtlich auf den Abschluß des Darlehensvertrages (= Hauptvertrages) zu dringen und weil (anders als dies die belangte Behörde gesehen hat) der vorliegende Fall sachverhaltsmäßig mit den, der oben zitierten hg. Judikatur zugrunde liegenden Fällen überhaupt nicht vergleichbar ist (dort wurden nämlich im Wege der zu beurteilenden Rechtsgeschäfte Geldmittel bereits zur Disposition gestellt) ist die Beschwerde im Recht, wenn sie die Auffassung vertritt, es handle sich im vorliegenden Fall um einen nicht gebührenpflichtigen Darlehensvorvertrag. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es eines weiteren Eingehens auf die übrigen Beschwerdeargumente bedurfte.
Mit Rücksicht auf die durch die angeführte hg. Judikatur klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand zu nehmen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.