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VwGH vom 18.01.1990, 89/09/0093

VwGH vom 18.01.1990, 89/09/0093

Betreff

N gegen Landesarbeitsamt Wien vom , Zl. IIc/6704 B, betreffend Aussetzung eines Verfahrens in Angelegenheit eines Ansuchens um Erteilung eines Befreiungsscheines nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der beantragten Höhe von S 9.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte der Beschwerdeführer, der die türkische Staatsbürgerschaft besitzt und zu diesem Zeitpunkt mit einer Österreicherin verheiratet war, am beim Arbeitsamt Angestellte in Wien die Ausstellung eines (neuen) Befreiungsscheines mit einer Gültigkeitsdauer von zwei Jahren gemäß § 15 Abs. 1 lit. b des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 215/1975 (AuslBG), beantragt.

Mit Bescheid des genannten Arbeitsamtes vom wurde das Ermittlungsverfahren auf "Verlängerung eines Befreiungsscheines" unter Berufung auf § 38 AVG 1950 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das von der Bundespolizeidirektion Graz gegenüber dem Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot ausgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei von der erkennenden Behörde in Erfahrung gebracht worden, daß über den Beschwerdeführer ein "noch nicht rechtskräftiges Aufenthaltsverbot" verhängt worden sei. Da gemäß § 15 Abs. 1 lit. b AuslBG der Ausstellung eines Befreiungsscheines wichtige öffentliche Interessen nicht entgegenstehen dürfen, sei die Einhaltung der Vorschriften über den Aufenthalt im Bundesgebiet im öffentlichen Interesse gelegen. Da die Frage, ob über den Beschwerdeführer "rechtskräftig ein Aufenthaltsverbot verlängert werde" eine Vorfrage darstelle, die schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bilde, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, die Rechtslage habe sich durch die Novelle vom , BGBl. Nr. 231 geändert. Der Rechtsgrund zur Aussetzung des Verfahrens auf Erteilung eines Befreiungsscheines sei gemäß dem nunmehrigen § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG nicht mehr gegeben.

Dieser Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom unter Berufung auf § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG keine Folge und bestätigte den Bescheid der Behörde erster Rechtsstufe. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 15 Abs. 2 (richtig: Abs. 1) Z. 2 AuslBG sei einem Ausländer auf Antrag einen (richtig: ein) Befreiungsschein auszustellen, wenn der Ausländer mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei und seinen Wohnsitz im Bundesgebiet habe. Zum Nachweis, daß der Beschwerdeführer von seinem Wohnsitz in Wien am amtlich in die Türkei ohne nähere Anschrift abgemeldet worden sei, sei ihm mit Schreiben vom eine Kopie der diesbezüglichen Auskunft des Meldeamtes vom übermittelt worden. Entgegen dieser Mitteilung behaupte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom daß er an der bisher bekannten Adresse sowohl aufrecht gemeldet als auch tatsächlich wohnhaft sei. Da aus der Sicht der belangten Behörde behördlichen Mitteilungen jedenfalls erhöhte Beweiskraft "angemessen" werde, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die Behandlung der Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit dem Beschluß vom , B 250/89, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt, weil die gerügte Rechtsverletzung im vorliegenden Fall nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung eines einfachen Gesetzes wäre. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen. Gleichzeitig wurde die Beschwerde nach Art. 144 Abs. 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete zu der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde eine Gegenschrift, in welcher deren kostenpflichtige Abweisung als unbegründet beantragt wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Entscheidung in der "Sache" durch die belangte Behörde verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit zunächst vor, die angefochtene Entscheidung stelle keinen Bescheid dar, weil nach der Klausel "Für die Richtigkeit der Ausfertigung" nicht angeführt sei, um welche zur Beglaubigung ermächtigte Person es sich handle. Überdies sei der nach dieser Klausel aufscheinende handschriftliche Vermerk nicht als eigenhändige Unterschrift zu werten. Die handschriftlichen Aufzeichnungen könnten keiner bestimmten Person zugeordnet werden.

Dazu ist der Beschwerdeführer auf § 18 Abs. 4 zweiter Satz iVm § 58 Abs. 3 AVG 1950 und auf die Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 545/1925, zu verweisen, wonach bei Ausfertigungen von Bescheiden an die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden auch die Beglaubigung durch die Kanzlei treten kann.

Die dem Beschwerdeführer zugegangene und von ihm dem Verwaltungsgerichtshof in Fotokopie vorgelegte Ausfertigung des gegenständlichen Bescheides enthielt - im Einklang mit der Aktenlage - die Beisetzung des Namens des Genehmigenden in der Form "im Auftrag: Dr. V eh" und daneben die Beglaubigung der Kanzlei mit der Klausel "Für die Richtigkeit der Ausfertigung" und der eigenhändigen, gut leserlichen Unterschrift des Beglaubigenden.

Da die dargestellte Vorgangsweise der obgenannten Gesetzesstelle und dem § 4 der zitierten Verordnung entspricht, ist der angefochtene Bescheid in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Berechtigung kommt indes dem weiteren Beschwerdevorbringen zu, die belangte Behörde hätte nicht über den Antrag selbst, sondern nur darüber entscheiden dürfen, ob der von der Behörde erster Rechtsstufe behauptete Aussetzungsgrund vorliegt oder nicht.

Gemäß § 66 Abs. 4 erster Satz AVG 1950, auf den sich der angefochtene Bescheid stützt, hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

"Prozeßgegenstand" der Berufungsentscheidung ist daher die "Verwaltungssache", die zunächst der Behörde erster Rechtsstufe vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, dann darf die Berufungsbehörde nicht in merito entscheiden (vgl. im Zusammenhang die Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/10/0064 und vom , Zl. 85/11/0109). "Sache" iS des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG 1950 war allein die Frage, ob die Entscheidung der Erstbehörde nach der mit in Kraft getretenen Änderung des § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG dem § 38 AVG 1950 entsprach, ob also das Verfahren zu Recht ausgesetzt (unterbrochen) wurde.

Da die belangte Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung über diese Grenzen hinausging, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG von dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zuständigen Dreiersenat aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206.