VwGH vom 26.02.1999, 97/19/0121

VwGH vom 26.02.1999, 97/19/0121

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

97/19/0122

97/19/0123

97/19/0140

97/19/0141

97/19/0124

97/19/0142

97/19/0144

97/19/0145

97/19/0143

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

97/19/0118 E

97/19/0127 E

97/19/0128 E

97/19/0210 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde 1.) der 1973 geborenen AB, 2.) der 1976 geborenen MV, 3.) der 1970 geborenen AV,

4.) der 1973 geborenen AP, 5.) der 1975 geborenen BS, 6.) der 1974 geborenen NH, 7.) der 1973 geborenen BS, 8.) der 1971 geborenen TH,

9.) der 1971 geborenen EG, sowie 10.) der 1972 geborenen MS, alle vertreten durch Dr. H und Dr. B, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom , 1.) Zl. 120.232/2-III/11/96 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), 2.) Zl. 120.229/2-III/11/96 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), 3.) Zl. 120.230/2-III/11/96 (betreffend die Drittbeschwerdeführerin),

4.) Zl. 120.233/2-III/11/96 (betreffend die Viertbeschwerdeführerin), 5.) Zl. 120.236/2-III/11/96 (betreffend die Fünftbeschwerdeführerin), 6.) Zl. 115.837/2-III/11/96 (betreffend die Sechstbeschwerdeführerin, 7.) Zl. 120.235/2-III/11/96 (betreffend die Siebentbeschwerdeführerin), 8.) Zl. 119.696/2-III/11/96 (betreffend die Achtbeschwerdeführerin), 9.) Zl. 111.594/2-III/11/96 (betreffend die Neuntbeschwerdeführerin), sowie

10.) Zl. 120.234/2-III/11/96 (betreffend die Zehntbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das jeweilige Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen sind ungarische Staatsbürgerinnen; sie beantragten jeweils am die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der unselbständigen Erwerbstätigkeit als Tänzerin. Den Anträgen legten sie jeweils für ihren Arbeitgeber, eine Künstlervermittlungsagentur, ausgestellte Einzelsicherungsbescheinigungen des Arbeitsmarktservices Innsbruck vom bei. Die Aufenthaltsbehörde erster Instanz teilte dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom mit, dass sie beabsichtigte, die Anträge der Beschwerdeführerinnen abzuweisen, weil diese zum einen nicht beabsichtigten, ihren Hauptwohnsitz in Österreich zu begründen, zumal dieser jeweils in Ungarn bestehen bleibe und darüberhinaus keine gesicherte, für Inländer ortsübliche Unterkunft zu Verfügung stehe, weil die Beschwerdeführerinnen während ihres Aufenthaltes in einem Gästezimmer einer Fremdenpension untergebracht seien. Der Aufenthalt stelle überdies angesichts der von den Beschwerdeführerinnen ausgeübten Tätigkeit als "Tänzerin/Striptease-Tänzerin" eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit dar.

Die Beschwerdeführerinnen machten in einem Schriftsatz vom geltend, sie würden sich an der genannten Pension "hauptwohnsitzmäßig" anmelden und sich dann dort aufhalten, wenn sie im Raum Innsbruck bzw. in Innsbruck-Stadt ihrer Beschäftigung nachgingen. In Österreich seien ca. 20 bis 30 Auftrittsorte vorgesehen, wobei die auftretenden Tänzerinnen am jeweiligen Auftrittsort untergebracht würden. Darüberhinaus widersprachen die Beschwerdeführerinnen der Annahme der Aufenthaltsbehörde erster Instanz, ihre Tätigkeit stelle eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar.

Mit Bescheiden jeweils vom wies die Aufenthaltsbehörde erster Instanz die Anträge gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 2 und 6 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Die Behörde erster Instanz stützte sich darauf, dass für keine der Beschwerdeführerinnen eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für die Geltungsdauer der Aufenthaltsbewilligung gesichert sei. Die Überprüfung der Wohnungsverhältnisse habe ergeben, dass es sich bei der von den Einschreitern jeweils in Aussicht genommenen Unterkunft um ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Gästezimmer einer Fremdenpension handle. Dies stelle einen zwingenden Ausschließungsgrund gemäß § 5 Abs. 1 AufG dar. Darüberhinaus beabsichtige der Dienstgeber der Beschwerdeführerinnen diese als Bartänzerinnen zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang werde festgehalten, dass mehrere Kontrollen des Arbeitsinspektorates in einem näher bezeichneten Gastbetrieb zu Anzeigen gegen den Dienstgeber der Einschreiterinnen wegen des Verdachtes der Übertretung nach dem AuslBG geführt hätten und die diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahren bei der Bezirksverwaltungsbehörde anhängig seien. Die Verweigerung der Bewilligung verstoße auch nicht gegen Art. 8 MRK, weil familiäre bzw. berufliche Bindungen nicht bestünden und die gegenständlichen Entscheidungen keine wesentliche Eingriffsnähe besäßen.

Die Beschwerdeführerinnen erhoben jeweils Berufung.

Aus einem im Verwaltungsakt der Zweitbeschwerdeführerin erliegenden Bericht der belangten Behörde vom über verschiedene Erhebungen geht hervor, dass bei einer am vom Arbeitsinspektorat Innsbruck durchgeführten Kontrolle in einem näher bezeichneten Innsbrucker Nachtlokal u.a. die Erstbeschwerdeführerin und- nach dem Inhalt des Antrages auf Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens des Arbeitsinspektorates Innsbruck für den 14. Aufsichtsbezirk, vgl. Beilage 1 zu diesem Bericht) - auch die Sechstbeschwerdeführerin sowie bei einer am durchgeführten Kontrolle die Fünftbeschwerdeführerin bei der Arbeit als Striptease-Tänzerinnen angetroffen worden seien. Die Tänzerinnen hätten zum Zeitpunkt der Kontrollen weder über einen Befreiungsschein noch über eine Arbeitserlaubnis verfügt. Sie seien für drei bis fünf Tage für die Tätigkeit als Striptease-Tänzerinnen in diesem Nachtlokal verpflichtet worden, wobei sie über keinen Aufenthaltstitel verfügten. Da die ungarischen Tänzerinnen von ihrem Dienstgeber nicht nur an dieses Nachtlokal, sondern auch an andere Lokale im Bundesgebiet vermittelt worden seien, sei im Einzelfall nicht nachvollziehbar, über welchen Zeitraum die Ausländerinnen im Bundesgebiet aufhältig gewesen seien. Aus einer Anzeige des Arbeitsinspektorates Innsbruck vom gehe lediglich hervor, dass die Tänzerinnen zwischen ein bis neun Monaten als Striptease-Tänzerinnen tätig gewesen seien.

Bei der routinemäßigen Einholung von Meldeauskünften in der Pension, welche die Beschwerdeführerinnen als ihre Unterkunft angegeben hatten, habe in Erfahrung gebracht werden können, dass diese "im Zeitraum von bis in Abständen" zehn weibliche ungarische Staatsbürgerinnen beherbergt habe. Unter den übermittelten Namen dieser ungarischen Staatsbürgerinnen finden sich u.a. die Namen der Zweit-, Dritt-, Fünft-, Siebent-, Acht- und Neuntbeschwerdeführerin. Aufgrund der Anzeigen des Arbeitsinspektorates der Stadt Innsbruck sowie der angeführten "Meldeliste" der genannten Pension seien, bis auf die Zehntbeschwerdeführerin, alle Antragstellerinnen nachweislich vor ihrer Antragstellung im Bundesgebiet aufhältig gewesen bzw. seien vier ungarische Staatsbürgerinnen bei der Beschäftigung als Striptease-Tänzerinnen durch das Arbeitsinspektorat betreten worden.

Ohne den Beschwerdeführerinnen diese Ermittlungsergebnisse vorzuhalten, wies die belangte Behörde jeweils mit Bescheid vom die Berufungen der Beschwerdeführerinnen ab. Hinsichtlich der Erst- bis Neuntbeschwerdeführerinnen wurde die Abweisung jeweils auf § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z 4 und Z 6 FrG gestützt. Die Abweisung der Berufung der Zehntbeschwerdeführerin wurde nur auf § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gestützt. Die belangte Behörde stellte jeweils fest, die Beschwerdeführerinnen hätten bei ihrem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Aufenthaltszweck eine unselbständige Erwerbstätigkeit als Tänzerin angegeben. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 AufG benötigten Fremde, welche sich zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet aufhielten, eine Aufenthaltsbewilligung. Dies entspreche auch sinngemäß dem Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der ungarischen Volksrepublik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 481/1976, wo ausgeführt werde, dass nach Art. 1 Z 3 dieses Abkommen keine Anwendung finde, wenn ein Arbeitsverhältnis beabsichtigt sei. Die Sichtvermerkspflicht bzw. Pflicht zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung sei für die Beschwerdeführerinnen somit sowohl nach den österreichischen innerstaatlichen Regelungsnormen, als auch nach dem bilateralen Übereinkommen der beiden beteiligten Staaten vorgesehen.

Im Fall der Erst-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführerinnen stellte die Behörde fest, diese Beschwerdeführerinnen hätten sich "nachweislich am " im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten; im Fall der Zweit-, Dritt-, Viert-, Siebent-, Acht- und Neuntbeschwerdeführerin stellt die belangte Behörde einen Aufenthalt "im Zeitraum von Juli 1995 bis März 1996 in Abständen" fest. Die Beschwerdeführerinnen seien einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, ohne im Besitz einer arbeitsrechtlichen oder aufenthaltsrechtlichen Bewilligung zu sein. Somit hätten die Beschwerdeführerinnen das angeführte bilaterale Abkommen missbraucht und wären bewusst "sichtvermerksfrei" zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach Österreich eingereist. Dies sei bei einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates im näher bezeichneten Nachtlokal behördlich festgestellt worden. Weiters sei festgestellt worden, dass sich die Beschwerdeführerinnen bereits seit dem Juli 1995 bis Ende März 1996 immer wieder im Raume Innsbruck eingefunden hätten und "somit eine gewerbsmäßige fortandauernde Erwerbsmäßigkeit ohne entsprechende gesetzliche Berechtigung nicht ausgeschlossen werden könne" (so im Fall der Erst-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführerinnen) bzw. "somit eine gewerbsmäßige fortandauernde Erwerbstätigkeit ohne entsprechende gesetzliche Berechtigung ausgeübt hätten" (so im Fall der Zweit-, Dritt-, Viert-, Siebent-, Acht- und Neuntbeschwerdeführerin). Dies werde durch die vorgelegten Unterlagen im Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Tätigkeit ihres Arbeitsgebers bestätigt. Die von den Beschwerdeführerinnen ausgeübte Erwerbstätigkeit werde von diesem (gemeint: ihrem Arbeitgeber) gewerbsmäßig und nachweisbar in weiteren Fällen auf gleiche Art und Weise ohne die entsprechenden behördlichen Genehmigungen durchgeführt.

Im Fall der Zehntbeschwerdeführerin führte die belangte Behörde aus, in der von dieser angegebenen unselbständigen Erwerbstätigkeit trete die Künstleragentur H. als Vermittler und Auftraggeber, somit als Arbeitgeber, auf. Diese Agentur betreibe nachweislich diese Tätigkeit im Raume Innsbruck seit dem Juli 1995 ohne Beachtung der vorgesehenen arbeitsrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen ihrer Arbeitnehmer. Dies werde durch die vorgelegten Unterlagen im Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Tätigkeit des Arbeitgebers bestätigt. Die von der Zehntbeschwerdeführerin ausgeübte Erwerbstätigkeit werde von diesem (gemeint: ihrem Arbeitgeber) gewerbsmäßig und nachweisbar in weiteren Fällen auf gleiche Art und Weise ohne die entsprechenden behördlichen Genehmigungen betrieben.

In allen angefochtenen Bescheiden vertrat die belangte Behörde schließlich die Meinung, die jeweils vorgelegten Einzelsicherungsbescheinigungen könnten keine Grundlage für eine positive Entscheidung darstellen, da durch den angeführten Sachverhalt eine positive Zukunftsprognose über das Verhalten der Beschwerdeführerinnen in Bezug auf die österreichische Rechtslage auch im Hinblick auf ihren Arbeitgeber nicht zu erwarten sei und durch die Verletzungen der angeführten Normen eine Bewilligung nicht im gesetzlichen Rahmen der Behörde liege.

Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen, weil außer der angegebenen Erwerbstätigkeit keinerlei familiäre oder private Interessen vorgebracht worden seien und auch im Ermittlungsverfahren der erkennenden Behörde nicht zur Kenntnis gelangt seien. Als öffentliche Interessen seien in diesem Fall vor allem der ordentliche Zugang zum Arbeitsmarkt und der Schutz der Arbeitnehmer, wie überhaupt die Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung, anzuführen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden. Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat hierüber erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerinnen noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten, weshalb auf die gegenständlichen Beschwerdefälle die Bestimmung des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997 keine Anwendung findet.

§ 5 Abs. 1 und 2 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn für den Fremden von der zuständigen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Bestätigung für die Änderung des Aufenthaltszweckes oder eine gültige Sicherungsbescheinigung oder eine gültige Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde oder der Fremde eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt."

§ 10 Abs. 1 Z 4 und 6 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

....

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

....

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Art. 1 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der ungarischen Volksrepublik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 481/1978, lautete:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die Inhaber eines gültigen gewöhnlichen Reisepasses sind, dürfen ohne Sichtvermerk in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort bis zu 30 Tagen aufhalten.

(2) Ungarische Staatsbürger, die Inhaber eines gültigen Heimreisescheines sind, dürfen ohne Sichtvermerk durch das Hoheitsgebiet der Republik Österreich reisen; die Aufenthaltsdauer ist in diesen Fällen mit drei Tagen begrenzt.

(3) Die Berechtigung des Abs. 1 gilt nicht für Staatsbürger, die sich in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begeben wollen, um dort ein Arbeitsverhältnis einzugehen oder dauernden Aufenthalt zu nehmen."

Die belangte Behörde stützte die Abweisung der verfahrensgegenständlichen Anträge der Erst- bis Neuntbeschwerdeführerinnen nicht nur auf die Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG, sondern auch auf jenen des § 10 Abs. 1 Z 6 FrG. Der letztgenannte Sichtvermerksversagungsgrund liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allerdings nur dann vor, wenn sich der Fremde im für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluß an einen Touristensichtvermerk oder an eine sichtvermerksfreie Einreise (weiterhin) im Bundesgebiet aufgehalten hat. Voraussetzung für den - hier allein in Frage kommenden - zweitgenannten Tatbestand ist, dass der Fremde nach einer zulässigen sichtvermerksfreien Einreise weiterhin im Bundesgebiet verblieben ist.

Abgesehen davon, dass die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Bescheide von einer unrechtmäßigen Einreise der Beschwerdeführerinnen ohne einen erforderlichen Sichtvermerk (und nicht von einer zulässigen sichtvermerksfreien Einreise) ausging, wurde auch nicht festgestellt, dass sich die Beschwerdeführerinnen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (das war jeweils der ) weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten haben. Die Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z 6 FrG erweist sich somit als rechtswidrig.

Die Behörde erster Instanz hatte die Anträge der Beschwerdeführerinnen mangels Vorliegens einer ortsüblichen Unterkunft für die Dauer ihres angestrebten Aufenthaltes abgewiesen. Die belangte Behörde hat in den angefochtenen Bescheiden erstmals vom Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 FrG Gebrauch gemacht. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies der Partei vorzuhalten (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1463). Unterlässt dies die belangte Behörde - wie in den vorliegenden Fällen - so unterliegt das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht dem sonst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwirklicht eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt grundsätzlich ebenso den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG wie die Ausübung einer nach dem AuslBG unerlaubten Erwerbstätigkeit (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1615).

Die belangte Behörde stützte sich in den erst- fünft,- und sechstangefochtenen Bescheiden auf einen Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen "am " und in den zweit- bis viert- und siebent- bis neuntangefochtenen Bescheiden auf einen Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen "im Zeitraum vom Juli 1995 bis März 1996 in Abständen". Weiters wurde als Grundlage für die Verwirklichung des genannten Sichtvermerksversagungsgrundes festgestellt, dass die Beschwerdeführerinnen, ohne im Besitz einer arbeitsrechtlichen oder aufenthaltsrechtlichen Bewilligung zu sein, einer Erwerbstätigkeit nachgegangen seien bzw. daß dies nicht ausgeschlossen werden könne. Die Beschwerdeführerinnen bringen diesbezüglich in ihren Beschwerden vor, diese Vorhaltungen seien unrichtig und die genannten Feststellungen entbehrten jeglichen Ermittlungsergebnisses. Die belangte Behörde begründe ihre Berufungsentscheidungen einzig und allein mit nicht nachvollziehbaren Erhebungsergebnissen hinsichtlich eines unerlaubten Aufenthaltes und unerlaubter Erwerbstätigkeit am bzw. in der Zeit vom Juli 1995 bis März 1996.

Mit diesen Ausführungen legen die Beschwerdeführerinnen die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels (des fehlenden Parteiengehörs) in ausreichender Weise dar. Wären die Beschwerdeführerinnen nämlich tatsächlich in den genannten Zeiträumen bzw. an dem genannten Tag nicht im Bundesgebiet aufhältig gewesen und hätten sie die ihnen vorgeworfene Tätigkeit nicht ausgeübt, hätte die belangte Behörde nicht von der Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes und unrechtmäßiger Erwerbstätigkeit ausgehen können.

Darüberhinaus sind die zitierten Feststellungen der belangten Behörde in den erst- bis neuntangefochtenen Bescheiden auch durch die im Akt erliegenden Erhebungsergebnisse nicht zur Gänze gedeckt. Wenn die belangte Behörde nämlich von einem Aufenthalt der Erstbis Neuntbeschwerdeführerinnen "seit dem Juli 1995 bis Ende März 1996 immer wieder im Raume Innsbruck" spricht, geht sie über den Inhalt der Ermittlungsergebnisse (vgl. Beilage 3 zum Bericht der belangten Behörde vom ) hinaus, ist doch dem Erhebungsbericht vom selbst zu entnehmen, daß im Einzelfall nicht nachvollziehbar sei, über welchen Zeitraum die jeweiligen Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufhältig war. Aus der Mitteilung der Eigentümerin der im Verfahren näher bezeichneten Pension vom hinsichtlich der in dem obbezeichneten Zeitraum aufhältigen ungarischen Staatsbürgerinnen geht nur hervor, dass sich die genannten Personen "in Abständen" in Innsbruck aufgehalten hätten. Daraus ist nicht ableitbar, dass sich sämtliche in dieser Mitteilung genannten ungarischen Staatsbürgerinnen im genannten Zeitraum wiederholt in Innsbruck aufgehalten haben. Um derartige Feststellungen hinsichtlich des Aufenthaltes der Erstbis Neuntbeschwerdeführerinnen treffen zu können, hätte es weiterer Ermittlungen (etwa genaue Angabe der Meldedaten jeder einzelnen Beschwerdeführerin) bedurft.

Schließlich vermag auch der weiters von der belangten Behörde zur Stützung der Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG herangezogene Umstand, dass der Arbeitgeber der Beschwerdeführerinnen "gewerbsmäßig und auch in weiteren Fällen auf gleiche Art und Weise ohne entsprechende behördliche Genehmigungen vorgehe", die Annahme nicht zu begründen, der Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen sei geeignet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu gefährden. Bei einer auf die Person der jeweiligen Beschwerdeführerin abgestellten Beurteilung, ob deren Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden werde, ist es ohne Belang, ob dem Arbeitgeber der Beschwerdeführerinnen Verwaltungsübertretungen anzulasten sind oder nicht.

Die belangte Behörde stützte sich im zehntangefochtenen Bescheid hinsichtlich der Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG schließlich ausschließlich darauf, dass die Zehntbeschwerdeführerin für einen Arbeitgeber tätig zu werden gedenke, welcher - in anderen Fällen - ohne entsprechende behördliche Genehmigungen tätig sei. Wie schon oben dargestellt, vermag dieser Umstand allein aber keineswegs die Schlussfolgerung zu tragen, die Zehntbeschwerdeführerin selbst, der seitens der Behörde weder ein unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich noch die Ausübung einer unrechtmäßige Erwerbstätigkeit vorgeworfen wurde, verwirkliche bereits durch die Rechtsübertretungen ihres Arbeitgebers den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG.

Insoweit die belangte Behörde die Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG durch die Beschwerdeführerinnen (auch) in dem Umstand erblickte, daß ihr Arbeitgeber Verwaltungsvorschriften übertrat, belastete sie die angefochtenen Bescheide - neben den oben dargestellten Verfahrensmängeln - mit (prävalierender) Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war jeweils nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß (Eingabegebühr für zwei Ausfertigungen der Beschwerde, Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen.

Wien, am