VwGH vom 12.11.1992, 92/18/0156
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 63 - H 3/92/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, des Arbeitsruhegesetzes und des KJBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Ausspruch über die Strafen im Umfang des von der belangten Behörde modifiziert bestätigten Spruchpunktes "zu II)" und des von ihr bestätigten Spruchpunktes "zu V)" des Straferkenntnisses einschließlich des diesbezüglichen Ausspruches über den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer als zur Vertretung nach außen Berufener der Komplementärgesellschaft einer näher bezeichneten Kommanditgesellschaft schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, daß an einem bestimmten Tag bei namentlich genannten Arbeitnehmern die höchstzulässige Tagesarbeitszeit von zehn Stunden überschritten worden sei; daß an bestimmten Tagen einem namentlich genannten Arbeitnehmer keine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens zehn Stunden gewährt worden sei; daß namentlich genannten Arbeitnehmern keine ununterbrochene Wochenendruhe gewährt worden sei, da diese am (dem Datum nach bezeichneten) Sonntag (in bestimmt bezeichnetem Ausmaß) Inventurarbeiten zu verrichten gehabt hätten; daß an einem bestimmten Samstag für namentlich genannte Arbeitnehmer die Wochenendruhe nicht spätestens um 15 Uhr begonnen habe, da diese am genannten Tag (in bestimmt bezeichnetem Ausmaß) Inventurarbeiten durchzuführen gehabt hätten; und daß namentlich genannten Jugendlichen keine ununterbrochene Wochenfreizeit von 43 Stunden gewährt worden sei (wobei das Ausmaß der tatsächlich gewährten Wochenruhe unter Anführung von Arbeitsende und Arbeitsbeginn genau bezeichnet wurde).
Der Beschwerdeführer habe dadurch Übertretungen nach § 28 Abs. 1 iVm § 9 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969, (AZG); nach § 28 Abs. 1 iVm § 12 AZG; nach § 27 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes, BGBl. Nr. 144/1983, (ARG); nach § 27 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 ARG; und nach § 30 iVm § 19 Abs. 1 KJBG, BGBl. Nr. 599/1987, begangen.
Es wurde deshalb über den Beschwerdeführer wegen jeder Übertretung eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) in bestimmter Höhe (Dauer) verhängt, insgesamt S 118.000,-- (220 Tage). Ferner wurden die vom Beschwerdeführer zu leistenden Beiträge zu den Kosten des erstinstanzlichen und des Berufungsverfahrens festgesetzt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. In Ansehung der ihm angelasteten Übertretungen, bei zahlreichen Arbeitnehmern nicht für die Einhaltung der höchstzulässigen Tagesarbeitszeit von zehn Stunden (§ 9 AZG) gesorgt zu haben, macht die Beschwerde geltend, die belangte Behörde habe zwar berücksichtigt, daß den Arbeitnehmern eine Mittagspause von eineinhalb Stunden gewährt worden sei, jedoch den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstand, daß es im Laufe des Nachmittags zu längeren Arbeitsunterbrechungen gekommen sei, rechtlich unzutreffend dahin beurteilt, daß diese Unterbrechungen (Pausen) nicht als Ruhepausen i.S des AZG zu werten seien. Auf Grund dieser unrichtigen Rechtsansicht habe es die belangte Behörde unterlassen, hinsichtlich der besagten Arbeitsunterbrechungen ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Diese Rüge ist nicht zielführend.
1.2. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen in seiner Berufung vom ) nicht, wie er es nunmehr in der Beschwerde darstellt, vorgebracht, daß bei der Bemessung der tatsächlich geleisteten Tagesarbeitszeit außer einer Mittagspause von eineinhalb Stunden noch zusätzliche Zeiten nachmittäglicher Arbeitsunterbrechungen als Ruhepausen (die nicht in die Arbeitszeit einbezogen werden dürften) zu berücksichtigen seien; er hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die "Mittagspausen mindestens 1 Stunde betragen haben und es auch im Laufe des Nachmittags zu längeren Arbeitsunterbrechungen gekommen ist", und weiters, daß richtigerweise "bei allen namentlich angeführten Dienstnehmern eine tatsächlich gewährte Ruhepause von insgesamt mindestens 1 1/2 Stunden (hätte) berücksichtigt werden müssen". Diesem Vorbringen aber hat die belangte Behörde Rechnung getragen, indem sie einen Zeitraum von eineinhalb Stunden als Ruhepause i.S. des AZG (§ 11 Abs. 1,§ 2 Abs. 1 Z. 1) wertete und diesen nicht in die geleistete Tagesarbeitszeit einbezog.
Abgesehen davon sei der Vollständigkeit halber angemerkt, daß in keiner Weise spezifizierte "Arbeitsunterbrechungen im Laufe des Nachmittags" wohl nur als der der Anzahl und der Dauer nach nicht genau fixierte Arbeitsunterbrechungen angesehen und solcherart nicht als Ruhepausen i.S. des § 11 Abs. 1 und damit auch des § 2 Abs. 1 Z. 1 AZG, vielmehr als Arbeitszeit zu qualifizieren sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0245).
2.1. In Ansehung der ihm zur Last gelegten Übertretungen, bei zahlreichen Arbeitnehmern nicht für die Einhaltung der höchstzulässigen Tagesarbeitszeit Sorge getragen zu haben, behauptet der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit der Strafbemessung, und zwar mit der Begründung, daß die belangte Behörde dem maßgeblichen objektiven Kriterium i.S. des § 19 Abs. 1 VStG, nämlich dem Ausmaß der Arbeitszeitüberschreitung, nicht ausreichend Rechnung getragen habe. Damit ist der Beschwerdeführer im Recht.
2.2. Es trifft zu, daß hinsichtlich der hier in Rede stehenden Taten des Beschwerdeführers das die Grundlage der Strafbemessung bildende objektive Kriterium i.S. des § 19 Abs. 1 VStG jeweils das Ausmaß der Arbeitszeitüberschreitung ist; auf dieses ist bei jedem einzelnen Delikt abzustellen (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 90/19/0245).
Während die Behörde erster Instanz in ihrem Straferkenntnis vom spruchmäßig - und dies allein ist entscheidend - lediglich eine "Ruhepause von 30 Minuten" berücksichtigt, also nicht in die geleistete Tagesarbeitszeit einbezogen hatte, sprach die belangte Behörde - in Abänderung dieses Spruchteiles - aus, daß hinsichtlich dieser Tatanlastungen "Ruhepausen von insgesamt 1 Stunde und 30 Minuten zu berücksichtigen sind, sodaß sich die angeführten Tagesarbeitszeiten um 1 Stunde reduzieren". Ungeachtet dieser im Grunde des § 19 Abs. 1 VStG relevanten Änderung des Schuldspruches nahm die belangte Behörde bei der Gestaltung des diese Taten betreffenden Strafausspruches auf das genannte objektive Strafzumessungskriterium nicht Bedacht.
3.1. Hinsichtlich der von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Verstöße des Beschwerdeführers gegen das Gebot der Einhaltung der Wochenendruhe (§ 3 Abs. 1 und 2 ARG) wirft die Beschwerde der belangten Behörde ebenfalls vor, § 19 Abs. 1 VStG nicht ausreichend beachtet zu haben, und zwar deshalb, weil sie das in Ansehung der einzelnen Arbeitnehmer unterschiedliche Ausmaß der Beschäftigung nach 15 Uhr des betreffenden Samstages außer acht ließ. Auch in diesem Umfang ist der Beschwerde Erfolg beschieden.
3.2. Auszugehen ist davon, daß das hier maßgebliche objektive Strafzumessungskriterium im Ausmaß der Arbeitszeit, die nach Beginn der Wochenendruhe (spätestens Samstag um 15 Uhr) liegt, bzw. im Ausmaß der damit verbundenen Schädigung oder Gefährdung der Gesundheit der Arbeitnehmer zu erblicken ist. Indem die belangte Behörde bei der Bemessung der die Nichteinhaltung der Wochenendruhe betreffenden Strafen auf das Ausmaß der Schädigung und Gefährdung der durch die verletzte Verwaltungsvorschrift geschützten Interessen, nämlich der "Möglichkeit der Erholung durch die Gewährung von einer ausreichenden Ruhezeit", abstellte und dieses als "nicht unwesentlich" betrachtete, trug sie zwar ganz allgemein gesehen dem § 19 Abs. 1 VStG Rechnung, verabsäumte es aber, dieses Kriterium entsprechend differenziert - nach Maßgabe des sehr unterschiedlichen Zeitpunktes, zu dem für die einzelnen Arbeitnehmer am Samstag nach 15 Uhr die Arbeit geendet hatte - zu berücksichtigen, wobei eine Bedachtnahme in Form einer Zusammenfassung von sich in bezug auf diesen Zeitpunkt nicht erheblich unterscheidenden Taten jeweils in Gruppen und eine daran anknüpfende Staffelung der Strafsätze als ausreichend anzusehen gewesen wäre. Demnach verkannte die belangte Behörde auch in dieser Hinsicht die Rechtslage.
4. Nach dem Gesagten erweist sich der bekämpfte Bescheid in seinem Ausspruch über die Strafen und die (im untrennbaren Zusammenhang mit diesem stehenden) Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens (des erstinstanzlichen und des Berufungsverfahrens) in dem im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichnetem Umfang als inhaltlich rechtswidrig. Er war deshalb insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Im übrigen - dem gegen die Auferlegung eines Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens erhobenen Beschwerdeeinwand mangelt die Berechtigung, da es mit § 64 Abs. 1 VStG (idF vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990) im Einklang steht, im Umfang der Bestätigung des Straferkenntnisses einen Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vorzuschreiben - war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.