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VwGH vom 21.09.1999, 97/18/0418

VwGH vom 21.09.1999, 97/18/0418

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

97/18/0419

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des Ö Ö, (geb. ), in Wien, vertreten durch Mag. Martin Nemec, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Brünnerstraße 37/5, gegen 1. den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 720/97, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. Aufenthaltsverbot (Zl. 97/18/0418), und 2. den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 720/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung als verspätet i.A. Aufenthaltsverbot (Zl. 97/18/0419), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , Zl. IV-675.738-FrB/97, mit dem gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden war, gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab.

Das erstinstanzliche Verfahren betreffend die Erlassung des besagten Aufenthaltsverbotes sei mit Bescheid vom abgeschlossen worden. Dieser Bescheid sei laut postamtlichem Zustellschein nach zwei vergeblichen Zustellversuchen am 13. und , bei denen jeweils die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches und die Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt worden sei, am beim Postamt hinterlegt worden und an diesem Tag erstmals zur Abholung bereit gelegen. Der letzte Tag der Berufungsfrist sei daher der gewesen.

Der am (rechtzeitig) unter Beifügung einer Berufung gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei damit begründet worden, dass eine Hinterlegungsanzeige im Briefkasten des Beschwerdeführers nicht deponiert gewesen wäre und er eine solche daher auch nicht vorgefunden hätte. Die Erstbehörde habe den Antrag wegen Unglaubwürdigkeit des Vorbringens abgewiesen. Demgegenüber mache der Beschwerdeführer der Erstbehörde zum Vorwurf, dass sie den Sachverhalt nicht geprüft und es insbesondere unterlassen hätte, ihn selbst und den Briefträger einzuvernehmen. Eine Vernehmung des Postzustellers im Wiedereinsetzungsverfahrens sei nicht zielführend, weil der Wiedereinsetzungsantrag zur Voraussetzung habe, dass die Frist zu laufen begonnen habe, was nur dann der Fall sei, wenn seitens des Postzustellers eine ordnungsgemäße und somit rechtswirksame Zustellung des Schriftstücks - wofür auch eine öffentliche Urkunde vorliege - erfolgt sei, weil nur in diesem Fall eine Frist versäumt werden könne. Die beantragte Vernehmung des Postzustellers sei daher im Wiedereinsetzungsverfahren nicht erforderlich. Eine Vernehmung des Antragstellers sei aber ebenfalls nicht erforderlich, weil der Antragsteller im Wiedereinsetzungsantrag alles Erforderliche vorzubringen gehabt habe und kein Grund zur Annahme bestehe, dass sich bei einer Vernehmung etwas anderes ergeben könnte. Dem Beschwerdeführer sei es mit seinem Vorbringen aber nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass etwa die postalische Aufforderung nach dem ersten Zustellversuch oder die Hinterlegungsanzeige nach dem zweiten Zustellversuch von dritten Personen entfernt worden wäre und somit nach gültiger Zustellung ein Ereignis eingetreten wäre, welches für ihn unvorhersehbar bzw. unabwendbar gewesen sei.

2. Gleichfalls mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den schon genannten Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , Zl. IV-675,783-FrB/97, mit dem gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Die Berufungsfrist betrage im Verwaltungsverfahren zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides. Die ordnungsgemäße Hinterlegung des Bescheides habe die Wirkung der Zustellung. Das Schriftstück sei am hinterlegt worden und an diesem Tag erstmals zur Abholung bereit gelegen. Die ordnungsgemäße Hinterlegung sei durch den Zustellschein, somit durch eine öffentliche Urkunde, erwiesen. Der letzte Tag der Berufungsfrist sei somit der gewesen. Einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht stattgegeben worden. Die erst nach dem eingebrachte Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen, ohne dass die belangte Behörde in der Lage gewesen wäre, sich mit den Berufungsausführungen in der Sache selbst auseinander zu setzen.

3. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages

1. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltunsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid vom versäumt wurde, somit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (§ 71 Abs. 1 AVG).

2. Nach der vorliegend in Betracht kommenden Bestimmung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/18/0217). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Partei, welche die Wiedereinsetzung begehrt, einen Wiedereinsetzungsgrund zu behaupten und diesen glaubhaft zu machen (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze

I2 (1998) unter E 298 ff zu § 71 AVG wiedergegebene ständige hg. Rechtsprechung).

3.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wesentlichen damit begründet, dass er den besagten Aufenthaltsverbots-Bescheid nie erhalten und auch keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden habe. In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer diesbezüglich weiters vor, ein unvorhergesehenes bzw unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 AVG sei typisch dann gegeben, wenn der Wiedereinsetzungswerber aus welchem Grund auch immer eine Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden und daher vom Zustellvorgang keine Kenntnis erlangt habe, und ihm folglich auch das Verstreichen der Berufungsfrist nicht bekannt gewesen sei. Ein solches unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis habe der Beschwerdeführer sowohl in seinem Wiedereinsetzungsantrag vom als auch in seiner Berufung vom gegen die Abweisung dieses Antrages in erster Instanz behauptet. Der Beschwerdeführer habe nie behauptet, dass "der dem Bescheid vom angeschlossene Rückschein unecht" gewesen sei; vielmehr habe er ausgeführt, dass er trotz Hinterlegung eine Hinterlegungsanzeige nie vorgefunden hätte. Die belangte Behörde habe sich über die Anträge, ihn selbst und den am "13., 14. und tätigen Briefträger" einzuvernehmen, hinweggesetzt. Ungeachtet dessen hätte die belangte Behörde von sich aus den wahren Sachverhalt (insbesondere durch Aufnahme der nötigen Beweise) zu ermitteln und festzustellen gehabt. Im vorliegenden Fall sei aber jegliches Ermittlungsverfahren unterblieben, was gegen die Grundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und der Amtswegigkeit verstoße und weswegen die angefochtenen Bescheide willkürlich erlassen worden seien.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hat zwar richtig erkannt, dass dann, wenn dem Empfänger trotz ordnungsgemäßer Zustellung eine Hinterlegung nicht zur Kenntnis gelangt sein sollte, ihm für diesen Fall das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Verfügung steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/05/0063). Dem Beschwerdeführer ist es aber - mit der Behörde - nicht gelungen, im Sinn des § 71 Abs. 1 AVG glaubhaft zu machen, dass er unverschuldet bzw. bloß auf Grund eines Versehens minderen Grades durch ein unvorhergesehenes und/oder unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid vom verhindert war.

Die Beschwerde räumt ein, dass der besagte Aufenthaltsverbots-Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom - wie aus dem diesbezüglichen Rückschein zu entnehmen sei - ordnungsgemäß und rechtswirksam im Wege der Hinterlegung zugestellt worden sei und zieht somit nicht in Zweifel, dass die Hinterlegungsanzeige in die Gewahrsame des Beschwerdeführers gelangt ist (vgl. den in der Beschwerde als Argument für die Rechtswirksamkeit der Zustellung ins Treffen geführten, im Akt erliegenden Rückschein mit dem Stempel des Zustellpostamtes vom , aus dem sich ergibt, dass die Verständigung über die Hinterlegung durch Einlegen in das Hausbrieffach in die Gewahrsame des Beschwerdeführers gelangt ist). In einem solchen Fall muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in der Lage gewesen ist, den Zustellvorgang in Gestalt der Hinterlegungsanzeige wahrzunehmen. Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, jene Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich darzulegen, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, dass er von einem in seine Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umständen keine Kenntnis erlangen konnte. Die "Unerklärlichkeit" des Verschwindens eines in seine Gewahrsame gelangten amtlichen Schriftstückes (hier: der Hinterlegungsanzeige) geht zu Lasten des Beschwerdeführers, dem es im Wiedereinsetzungsverfahren obliegt, einen solchen Hinderungsgrund an der Wahrnehmung der Frist (hier: der Berufungsfrist betreffend den besagten Aufenthaltsverbots-Bescheid vom ) geltend zu machen, der nicht durch ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden herbeigeführt wurde. Die auf die bloße Unaufklärbarkeit der Gründe für die Unkenntnis von einem Zustellvorgang gerichtete Behauptung des Beschwerdeführers, die Hinterlegungsanzeige nicht erhalten zu haben, reicht - da diese in seine Gewahrsame gelangt ist - für eine Wiedereinsetzung nicht aus. (Vgl. zu dem Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0545).

Schon von daher sind auch die auf eine mangelhafte Ermittlung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes gerichteten Verfahrensrügen nicht zielführend. Ungeachtet dessen läuft der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung gestellte Antrag auf Einvernahme seiner Person und des am 13. Jänner, 14. Jänner und tätigen Briefträgers auf einen bloßen, im Verwaltungsverfahren nicht zulässigen Erkundungsbeweis hinaus, waren doch diese Beweisanträge nach Ausweis des Aktes nicht auf die Feststellung bestimmter, vom Beschwerdeführer behaupteter Tatsachen gerichtet (vgl. Aktenblatt 66); weiters wäre für den Beschwerdeführer mit der besagten Einvernahme des Briefträgers angesichts der außer Streit gestellten ordnungsgemäß erfolgten Hinterlegung des Aufenthaltsverbots-Bescheides vom nichts gewonnen, weil für den Zusteller der Zustellvorgang betreffend die Hinterlegungsanzeige mit deren Anbringung abgeschlossen war und das weitere Schicksal dieser Anzeige daher außerhalb seiner Ingerenz lag.

Auf dem Boden des Gesagten entspricht somit die von der belangten Behörde ausgesprochene Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages dem Gesetz (§ 71 Abs. 1 Z. 1 AVG).

Zur Zurückweisung der Berufung

Da die Berufung gegen den besagten Aufenthaltsverbots-Bescheid unbestritten nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist (§ 63 Abs. 5 AVG) erhoben wurde, steht auch die Zurückweisung der Berufung als verspätet mit dem Gesetz in Einklang.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als zur Gänze unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am