VwGH vom 10.07.1996, 95/15/0142
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Steiermark gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B 129/4-3a/94, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1992 (mitbeteiligte Partei: Mag. V, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Mitbeteiligte ist am Institut für Anglistik der Universität Graz als pragmatisierte L1-Lehrerin tätig. Zusätzlich erzielte sie im Streitjahr aus remunerierten Lehraufträgen Einnahmen von S 42.167,-- und aus einem nicht remunerierten Lehrauftrag (zwei Wochenstunden) Kollegiengeldabgeltungen in Höhe von S 20.232,--.
Das Finanzamt erblickte in den von der Mitbeteiligten aus der Lehrbeauftragtentätigkeit erzielten Einkünften solche aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 EStG bzw. Entgelte für sonstige Leistungen eines Unternehmers im Sinne des UStG 1972. In der Berufung gegen die dieser Auffassung des Finanzamtes Rechnung tragenden Bescheide betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 1992 begehrte die Mitbeteiligte, die aufgrund des nicht remunerierten Lehrauftrages erzielten Einkünfte bzw. Entgelte als solche aus einer nichtselbständigen Tätigkeit anzusehen. Sie brachte im Berufungsverfahren vor, sie sei an dem Institut, an dem sie die Lehrtätigkeit absolviere, als Dienstnehmer (pragmatisierter L1-Lehrer) tätig. Ihre dienstrechtliche Stellung mache eine Ablehnung von nicht remunerierten Lehraufträgen sehr schwierig, wenn die Abhaltung dieser Kurse als im Interesse des Institutes liegend angesehen werde. Die Nichtselbständigkeit ihrer Tätigkeit ergebe sich auch daraus, daß sie den Lehrauftrag ohne eine Benützung der Einrichtungen des Institutes (z.B. Bibliothek, Sprachlabor, Self-Access-Center etc.) nicht durchführen könne und auch im Hinblick auf die Benützung dieser Einrichtungen an die Weisungen des Institutes gebunden sei. Aufgrund ihrer dienstrechtlichen Stellung als L1-Lehrer mit 11 Stunden Lehrverpflichtung könne sie keine zusätzlichen Tätigkeiten für das Institut ausüben, wenn sie nicht zwei Stunden unremuneriert abhalte.
Die Mitbeteiligte legte eine schriftliche Erklärung des Leiters der Abteilung für Sprachenausbildung und Fachdidaktik, im Streitjahr Vorstand des Institutes, in welchem sie tätig war, vor. Aus diesem ergibt sich, daß die Mitbeteiligte am Institut für Anglistik als vollbeschäftigter pragmatisierter L1-Lehrer tätig und somit fest in den Betrieb dieses Universitätsinstitutes eingegliedert sei. Die Aufrechterhaltung des Lehrbetriebes mache es immer wieder notwendig, daß Lehrer zusätzlich auch unremunerierte Lehraufträge ausführten. Diese Lehraufträge würden vom Institutsvorstand im Bedarfsfall beantragt; es werde vom Dienstnehmer erwartet, daß er diese Tätigkeit als Teil seiner Dienstpflichten betrachte und entsprechend ausführe.
Die Universitätsdirektion der Universität Graz teilte der belangten Behörde mit, daß die Kollegiengeldabgeltung für einen nichtremunerierten Lehrauftrag von der tatsächlichen Lehrtätigkeit abhängig sei, sodaß im Falle der nicht vollständigen Erfüllung des Lehrauftrages nur ein anteiliger Anspruch auf Kollegiengeld bestehe.
In der mündlichen Berufungsverhandlung gab die Mitbeteiligte an, als pragmatisierte L1-Lehrerin im Hochschuldienst sei sie als ausschließlich unterrichtende Lehrerin ähnlich einer AHS-Lehrerin tätig und dem Institutsvorstand völlig unterstellt und an seine Weisungen gebunden. Die Lehrveranstaltung "Grammatik- und Wortschatz-Intensivkurs" stehe unmittelbar im Zusammenhang mit der anderen Lehrtätigkeit der Mitbeteiligten.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Im gegenständlichen Fall werde die Eingliederung in den Betrieb eines Hochschulinstitutes darin erblickt, daß der mit Kollegiengeldern abgegoltene Lehrauftrag in unmittelbarem Zusammenhang mit der nichtselbständigen Tätigkeit der Mitbeteiligten stehe, bei der sie ähnlich wie eine AHS-Lehrerin ausschließlich unterrichtend tätig und an die Weisungen des Institutsvorstandes gebunden sei. Für die Durchführung des Lehrauftrages sei die Benützung der Institutseinrichtungen notwendig, die Mitbeteiligte unterliege dabei den Weisungen des Institutes. Lehraufträge könnten vom Institutsvorstand beantragt werden, vom jeweiligen Dienstnehmer werde erwartet, daß er diese Tätigkeit als Teil seiner Dienstpflicht betrachte und entsprechend ausführe.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf § 292 BAO gestützte Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Steiermark.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Zuspruch von Kostenersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall hängt die Entscheidung sowohl im Bereich des Einkommensteuer- als auch des Umsatzsteuerrechts von der Frage ab, ob die Mitbeteiligte ihre Leistungen als Lehrbeauftragte (hinsichtlich des nicht remunerierten Lehrauftrages) im Rahmen eines Dienstverhältnisses (als nichtselbständig Tätige) oder als selbständig Tätige erbracht hat.
Nach Lehre und Rechtsprechung sind wesentliche Kriterien für die Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, einer Weisungsgebundenheit, die die Entschlußfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus beschränkt, und der organisatorischen Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers. Unter diesen Gesichtspunkten ist das Gesamtbild einer Tätigkeit darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen (vgl. hg. Erkenntnis vom , 94/15/0123).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Dienstverhältnis eines Lehrbeauftragten dann anzunehmen, wenn der Lehrbeauftragte fest in den Betrieb eines Hochschulinstitutes eingegliedert und dort gleich den anderen am betreffenden Institut als Arbeitnehmer beschäftigten Personen tätig ist. Ist die zeitliche und örtliche Bindung des Lehrbeauftragten an eine bestimmte Arbeitsstätte und seine Abhängigkeit vom Institutsbetrieb bereits so groß, daß sie sich faktisch nicht mehr von der eines Dienstnehmers unterscheidet, so ist sie auch steuerlich nicht anders zu beurteilen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 94/15/0123, m.w.N.).
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 92/13/0089, über die Beschwerde eines Universitätsassistenten entschieden, dessen Tätigkeit im Rahmen eines nicht remunerierten Lehrauftrages im angefochtenen Bescheid als selbständig (und umsatzsteuerpflichtige) behandelt worden ist. Der Gerichtshof hat für wesentlich gehalten, daß der Beschwerdeführer an dem Institut, an welchem er seine Lehrtätigkeit absolviert hat, als Dienstnehmer tätig gewesen ist, und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde verkannt hat, daß es für die Frage der Selbständigkeit wesentlich auf die Eingliederung des Beschwerdeführers in den Institutsbetrieb ankomme. Er hat sodann ausgeführt: Aufgrund dieser unrichtigen Rechtsauffassung hat es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, aus welchen Gründen eine Eingliederung des als Universitätsassistent tätigen Beschwerdeführers in den Betrieb des Universitätsinstituts hinsichtlich der in Rede stehenden Einnahmen allenfalls zu verneinen ist.
Im gegenständlichen Fall bekämpft der beschwerdeführende Präsident die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde dahingehend, daß diese ohne ausreichende Ermittlungen angenommen habe, die Mitbeteiligte sei hinsichtlich des nicht remunerierten Lehrauftrages weisungsgebunden tätig gewesen.
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht bleibt sohin unbekämpft, daß die Mitbteiligte im Rahmen ihres Dienstverhältnisses als L1-Lehrerin an der Universität (ähnlich wie eine AHS-Lehrerin) ausschließlich unterrichtend tätig gewesen ist und die mit Kollegiengeldern abgegoltene Lehrauftragstätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Tätigkeit gestanden hat. Unbestritten ist ebenfalls, daß sich die Mitbeteiligte für ihren Lehrauftrag der Einrichtigungen des Instituts bedienen mußte und daß vom jeweiligen Dienstnehmer erwartet worden ist, derartige Lehraufträge zu übernehmen.
In Anbetracht dieses unbestrittenen Sachverhaltes kann es der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig erkennen, wenn die belangte Behörde die Selbständigkeit der Mitbeteiligten nicht angenommen hat.
Der beschwerdeführende Präsident bringt unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2360/76, vor, die Tätigkeit eines weisungsgebundenen Hochschulassistenten unterscheide sich tiefgreifend von der selbständigen Lehrbeauftragtentätigkeit, sodaß beide Tätigkeiten gesondert zu beurteilen sind. Dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht zielführend, weil die Mitbeteiligte im Rahmen ihres Dienstverhältnisses an der Universität als L1-Lehrerin tätig ist und aus diesem Grunde ihre Dienstpflichtigen primär in der Erteilung von Unterricht bestehen.
Soweit in der Beschwerde unter Hinweis auf das
hg. Erkenntnis vom , 81/13/0171, darauf verwiesen wird, eine Lehrtätigkeit im Ausmaß von zwei Wochenstunden bewirke noch keine Eingliederung in den Betrieb eines Hochschulinstitutes, wird übersehen, daß das genannte Erkenntnis eine Person betraf, die nicht auch aufgrund eines Dienstverhältnisses an diesem Institut tätg war.
Der beschwerdeführende Präsident verweist auch auf § 38 Abs. 4 UOG, nach welcher Bestimmung durch die Erteilung eines Lehrauftrages ein Dienstverhältnis nicht begründet wird. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 94/15/0123 (zu § 9 Abs. 1 Z. 4 des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes) ausgesprochen hat, macht es aber eine derartige Bestimmung nicht entbehrlich, das Rechtsverhältnis eines Steuerpflichtigen darauf zu untersuchen, ob die für oder die gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale überwiegen.
Zum Unternehmerrisiko ist auszuführen, daß dieses bei der Mitbeteiligten auf der Kostenseite nicht gegeben ist, weil sie sich der Mittel des Instituts bedient hat. Darin, daß die Mitbeteiligte für einzelne nicht geleistete Stunden ihres Lehrauftrages kein Entgelt erhalten hätte, kann, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 86/14/0119, für eine unterrichtende Tätigkeit erkannt hat, noch kein ein Dienstverhältnis ausschließendes Unternehmerrisiko erblickt werden.
Die im Dienstverhältnis ausgeübte Tätigkeit ist nach den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde eine - im Grundsatz der Tätigkeit einer AHS-Lehrerin vergleichbare - Unterrichtstätigkeit. Da eine grundsätzlich gleichartige Unterrichtstätigkeit auch im Lehrauftrag ausgeübt wird, und in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon auszugehen ist, daß der Institutsvorstand die Übernahme dieser Lehrauftragstätigkeit angeordnet hat und ihm die Weisungsbefugnis hinsichtlich der Benutzung der für die Abhaltung der Lehrveranstaltung erforderlichen Einrichtungen zukommt, spricht die erforderliche Gesamtbetrachtung eindeutig dafür, die streitgegenständliche Lehrauftragstätigkeit als nichtselbständig zu beurteilen. Daran vermag auch die vom beschwerdeführenden Präsidenten vermißte "inhaltliche Weisungsunterworfenheit hinsichtlich der Gestaltung des Unterrichts" schon deshalb nichts zu ändern, weil diesem Kriterium im Rahmen der unterrichtenden Tätigkeit auf einer Hochschule mit Rücksicht auf den Grundsatz der Freiheit von Wissenschaft und Lehre keine entscheidende Bedeutung beizumessen ist.
Soweit die Beschwerde im übrigen rügt, die belangte Behörde hätte prüfen müssen, in welcher Hinsicht die Eingliederung in das Universitätsinstitut hinsichtlich des remunerierten Lehrauftrages geringer gewesen sei als hinsichtlich des nicht remunerierten Lehrauftrages, ist darauf zu verweisen, daß die Frage der steuerlichen Beurteilung des remunerierten Lehrauftrages nicht von der Anfechtungserklärung der gegenständlichen Beschwerde - diese legt gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den Streitgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fest - umfaßt ist.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.