VwGH vom 03.12.1992, 92/18/0019
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N in B, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Ge-40.324/8-1991/Pan/Kai, betreffend Bestrafung wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Hinsichtlich der Vorgeschichte dieses Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/04/0115, verwiesen. Mit diesem war der damals angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (der belangten Behörde) vom - mit dem der Beschwerdeführer im Instanzenzug einer Übertretung gemäß § 10 Abs. 1 der Maschinen-Schutzvorrichtungsverordnung, BGBl. Nr. 43/1961, iVm § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, schuldig erkannt und hiefür nach § 368 Z. 17 GewO 1973 bestraft worden war, weil er es unterlassen hätte, an einem bestimmten Tag bei einer auf einer näher bezeichneten Baustelle in Verwendung stehenden Tischkreissäge den Zahnkranz unter dem Tisch abdecken zu lassen - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden. Dies mit der Begründung, daß die belangte Behörde neben der Strafnorm des § 368 Z. 17 GewO 1973 im Spruch auch die in diesem Zusammenhang nicht in Betracht kommende Bestimmung des § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes zitiert hatte.
2. In dem daraufhin fortgesetzten Verfahren erließ die belangte Behörde unter dem Datum einen Bescheid, dessen Spruch - soweit für die Erledigung der Beschwerde von Belang - wie folgt lautet:
"Die Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG. 1950 in Verbindung mit § 24 VStG. 1950 und § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Änderung bestätigt, daß die übertretene Norm § 62 der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung in Verbindung mit § 10 der Maschinenschutzvorrichtungsverordnung BGBl. Nr. 43/1961, zu lauten hat und weiters § 101 Z. 9 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung sowie § 33 Abs. 1 lit. a Z. 10 und Abs. 7 Arbeitnehmerschutzgesetz zur Strafnorm des § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz zu ergänzen sind."
Die Änderung des Spruches des Straferkenntnisses hielt die belangte Behörde im Hinblick auf § 44a VStG 1950 deshalb für erforderlich, weil der Tatvorwurf nicht ausschließlich dem § 10 der Maschinen-Schutzvorrichtungsverordnung zu unterstellen sei, sondern vor allem dem § 62 der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung, der auf die Bestimmungen der Maschinen-Schutzvorrichtungsverordnung verweise. Die Abänderung sei auch zulässig gewesen, da an dem Tatvorwurf nichts geändert worden sei; lediglich die Rechtsnormen seien "angepaßt" worden.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die belangte Behörde hat den Spruch des Straferkenntnisses vom dahin geändert, daß die Verwaltungsvorschrift, welche durch die dem Beschwerdeführer angelastete Tat verletzt worden sei, § 62 der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung (ADSchV) iVm § 10 der Maschinen-Schutzvorrichtungsverordnung (M-SchVV) zu lauten habe, und daß als Bestimmungen, nach denen die Strafe zu verhängen sei, neben § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG) noch zusätzlich § 101 Z. 9 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) sowie § 33 Abs. 1 lit. a Z. 10 und Abs. 7 ASchG anzuführen seien.
2.1. Die Beschwerde vertritt dazu die Auffassung, daß eine Bestrafung nach § 31 Abs. 2 lit. p ASchG einen Verstoß gegen die im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 90/04/0115 geäußerte, die belangte Behörde bindende Rechtsanschauung darstelle, derzufolge die genannte Norm des ASchG im Beschwerdefall nicht in Betracht komme.
2.2. Mit diesem Einwand übersieht die Beschwerde, daß die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid spruchgemäß - anders als in ihrem im ersten Rechtsgang erlassenen und mit dem Erkenntnis Zl. 90/04/0115 aufgehobenen Bescheid - als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a lit. a VStG 1950), auch (und primär) § 62 ADSchV angeführt hat. Im Hinblick auf diese abweichende rechtliche Subsumtion - die ihr durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, in der sich zu diesem Punkt keine Stellungnahme findet, nicht verwehrt war - bestand für die belangte Behörde jedenfalls aus dem Blickwinkel des § 63 Abs. 1 VwGG kein Hindernis, § 31 Abs. 2 lit. p ASchG (iVm § 33 Abs. 1 lit. a Z. 10 und Abs. 7) als Strafnorm i.S. des § 44a lit. c VStG 1950 anzuführen.
3. Im Gegensatz zur Meinung des Beschwerdeführers steht
§ 62 ADSchV im Hinblick auf § 33 Abs. 1 lit. a Z. 10 ASchG iVm
§ 101 Z. 9 AAV - letztere Bestimmung führt unter den außer
Kraft getretenen Vorschriften der ADSchV nicht auch deren § 62 an - nach wie vor in Geltung, und zwar im Grunde der vorzitierten Norm des ASchG als Bundesgesetz.
4. Auch das Beschwerdevorbringen, wonach der von der belangten Behörde (auch) als verletzt erachtete § 10 M-SchVV zur Tatzeit () nicht mehr in Geltung gestanden sei, ist verfehlt. Der Beschwerdeführer übersieht, daß der von ihm zur Begründung seines Standpunktes herangezogene § 18 der Allgemeinen Maschinen- und Geräte-Sicherheitsverordnung-AMGSV, BGBl. Nr. 219/1983, in der Folge mehrmals geändert wurde (für den Beschwerdefall relevant: Verordnung BGBl. Nr. 667/1987, nach deren Z. 4 die im zitierten § 18 im einzelnen angeführten Bestimmungen der M-SchVV - zu denen im übrigen der hier interessierende § 10 nicht zählt - mit Ablauf des bzw. mit Ablauf des außer Kraft treten).
5.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei ihm spruchgemäß durch das insoweit bestätigte Straferkenntnis der Tatvorwurf als "Betriebsinhaber" und nicht als "Arbeitgeber" gemacht worden. Auch die Verfolgungshandlung der Erstinstanz habe das Tatbestandsmerkmal der Arbeitgebereigenschaft des Beschwerdeführers nicht enthalten.
5.2. Wenngleich der Beschwerdeführer im Straferkenntnis und (infolge dessen insoweit erfolgter Bestätigung) im bekämpften Bescheid als "Betriebsinhaber" schuldig erkannt wurde, kommt diesem Umstand vorliegend keine entscheidende Bedeutung zu. Wesentlich ist vielmehr, daß der insoweit aufrecht erhaltene Schuldspruch in seinem Kontext keinen Zweifel daran läßt, daß dem Beschwerdeführer angelastet wurde, die Tat in eigener Verantwortung (als Einzelunternehmer) begangen zu haben und nicht etwa als für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit strafrechtlich Verantwortlicher i.S. des § 9 VStG 1950 (zur Vertretung nach außen Berufener, verantwortlicher Beauftragter) oder als Bevollmächtigter. Dies im Zusammenhalt mit der Anführung des § 31 Abs. 2 lit. p ASchG als der nach § 44a lit. c VStG 1950 für relevant erachteten Gesetzesbestimmung führt ohne weiteres zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer ungeachtet der Verwendung des Wortes "Betriebsinhaber" in seiner Eigenschaft als "Arbeitgeber" - die er übrigens nie, auch nicht in der Beschwerde in Abrede gestellt hat - zur Verantwortung gezogen wurde. Entsprechendes gilt für die in der Beschwerde angesprochene, von der Erstbehörde an den Beschwerdeführer als Beschuldigten gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung.
6. Dem Beschwerdeführer ist es mithin nicht gelungen, die Annahme der belangten Behörde, der inkriminierte Sachverhalt verwirkliche den objektiven Tatbestand des § 62 ADSchV iVm § 10 (Abs. 1) M-SchVV, als rechtswidrig aufzuzeigen.
7.1. In seinem die subjektive Tatseite bestreitenden Beschwerdevorbringen behauptet der Beschwerdeführer, in seinem Betrieb ein "sehr gut" funktionierendes "Organisations- und Kontrollsystem" installiert zu haben, welches die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften garantiere. Er verweist dazu auf seine im Verwaltungsstrafverfahren erstattete Äußerung vom , in der er dargelegt habe, daß er seine Arbeitnehmer und deren Vorgesetzte ständig unterweise, stichprobenartige überraschende Baustellenkontrollen durchführe und die ihm direkt untergebenen Aufsichtspersonen überwache. Insbesondere durch die überraschenden Baustellenkontrollen übe der Beschwerdeführer eine Kontrolle über die für die Baustelle jeweils zuständigen Techniker und Vorarbeiter aus. Keine dieser Personen habe bisher Anlaß zu Beanstandungen gegeben. Zum Beweis für das Bestehen eines solcherart funktionierenden Kontrollsystems habe der Beschwerdeführer seine Gattin als Zeugin namhaft gemacht. Die Behörde habe jedoch diesem Beweisantrag nicht entsprochen.
7.2. Das vom Beschwerdeführer der Behörde gegenüber zu seiner Entlastung erstattete Vorbringen war nicht geeignet, mangelndes Verschulden - bei der ihm angelasteten Übertretung handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt - im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 gelaubhaft zu machen. Denn mit seinen diesbezüglichen Ausführungen (oben 7.1.) hat er lediglich das Bestehen eines Kontrollsystems in generell-abstrakter Form dargetan. Mit einer solchen ganz allgemein die Existenz eines Kontrollsystems für seinen Betrieb behauptenden Darstellung hat der Beschwerdeführer nicht - wie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für erforderlich erachtet (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0225 m.w.N.) - auf der Grundlage entsprechenden Tatsachenvorbringens zu erkennen gegeben, wie diese Kontrolle KONKRET funktionieren sollte. Dazu wäre es erforderlich gewesen, anzugeben, welche Personen an der verfahrensgegenständlichen Baustelle zum Tatzeitpunkt vom Beschwerdeführer mit der Überwachung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften betraut waren, welche einschlägigen Anordnungen er diesen Personen gegeben und auf welche Weise er diese auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben bzw. die Befolgung der ihnen erteilten Weisungen überwacht hat (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis Zl. 91/19/0225).
Da mithin der Beschwerdeführer im Verfahren auch nicht ansatzweise das Bestehen eines im vorstehenden Sinn wirksamen Kontrollsystems aufgezeigt hat - bloß stichprobenartige Überprüfungen der Baustellen bzw. der Einhaltung von Weisungen des Verantwortlichen durch Aufsichtspersonen reichen hiefür keineswegs aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0177 u.v.a.) -, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie Verschulden (in Form der Fahrlässigkeit) des Beschwerdeführers als erwiesen angenommen hat. Ihr kann insoweit auch nicht mit Erfolg vorgehalten werden, sie habe die vom Beschwerdeführer beantragte Einvernahme seiner Gattin als Zeugin nicht durchgeführt, da dieser in der Eingabe vom gestellte Beweisantrag das - wie gezeigt untaugliche - Vorbringen betreffend das Existieren eines Kontrollsystems schlechthin hätte untermauern sollen.
8. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, der Anregung des Beschwerdeführers entsprechend, beim Verfassungsgerichtshof "eine Überprüfung der von der belangten Behörde angewendeten Bestimmungen ... im Hinblick auf Art. 5 und 6 MRK" zu beantragen.
Die in der Beschwerde vertretene Ansicht, daß der vorliegend angewendete Straftatbestand vor dem nach der Judikatur insoweit relevanten Zeitpunkt noch nicht in Verwaltungsvorschriften enthalten gewesen und daher nicht vom Vorbehalt zu Art. 5 MRK umfaßt sei, ist unzutreffend.
Vom genannten Vorbehalt sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch jene Gesetze umfaßt, die zwar nach dessen Erklärung erlassen wurden, die aber keine nachträgliche Erweiterung jenes materiellrechtlichen Bereiches bewirken, der durch die Abgabe des Vorbehaltes ausgeschlossen werden sollte. Vom Vorbehalt sind daher Gesetze auch dann gedeckt, wenn gleichartige Straftatbestände bereits in Verwaltungsvorschriften vorhanden waren, die vor dem erlassen wurden (s. etwa die Erkenntnisse VfSlg. 11523/1987 und 11834/1988, jweils m.w.N.). Dies trifft im Beschwerdefall zu:
Die im Zeitpunkt der Abgabe des Vorbehaltes geltenden §§ 131 Abs. 1 und 132 lit. i (iVm §§ 74, 74a) GewO 1859 hatten eine der im Beschwerdefall maßgeblichen Strafbestimmung des § 31 Abs. 2 lit. p (iVm § 33 Abs. 1 lit. a Z. 10 und Abs. 7) ASchG entsprechende Strafnorm vorgesehen. Der in Rede stehende Straftatbestand des ASchG ist demnach vom österreichischen Vorbehalt zu Art. 5 MRK erfaßt.
9. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
10. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.