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VwGH vom 13.03.1997, 95/15/0124

VwGH vom 13.03.1997, 95/15/0124

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der Dr. H in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 95-3a/93, betreffend Gewerbesteuer 1986 bis 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist als selbständige Augenärztin tätig. Sie betreibt auch ein "Kontaktlinseninstitut". Sie hatte für die Jahre 1986 bis 1988 die Vorsteuern aus diesen Tätigkeiten gemäß der VO des Bundesministers für Finanzen vom , BGBl. Nr. 627, mit Durchschnittssätzen (1,4 % des Umsatzes) ermittelt, daneben aber noch die Vorsteuern aus dem Kontaktlinsenerwerb geltend gemacht. Gegen die Umsatzsteuerbescheide, mit denen das Finanzamt die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als einheitliche ärztliche Tätigkeit angesehen und lediglich Vorsteuern in Höhe von 1,4 % des Gesamtumsatzes anerkannt hatte, hatte sie Berufung eingebracht und zur Begründung ua ausgeführt: Beim Kontaktlinseninstitut handle es sich um eine Tätigkeit, die der eines Optikers ähnlich sei und deshalb nicht der Tätigkeit als Augenärztin zugerechnet werden könne. Es lägen zwei vollkommen gesonderte Bereiche vor, die auch zu einer unterschiedlichen Ermittlung der abziehbaren Vorsteuern führen müßten. Auf Vorhalt habe sie dem Finanzamt mitgeteilt, die Leistungen des Kontaktlinseninstitutes würden nicht ausschließlich an eigene Patienten erbracht, sondern "selbstverständlich auch für andere Kunden". Da im allgemeinen die Anpassung von Kontaktlinsen (etwa durch den Optiker) eine vorherige Untersuchung durch den Augenfacharzt voraussetze und zudem nach der Anpassung in gewissen Zeitabständen eine laufende Beobachtung des Patienten zu erfolgen habe, ergebe sich zwangsweise eine Kombination zwischen der ärztlichen Tätigkeit und dem Verkauf von Kontaktlinsen. Eine ärztliche Tätigkeit ergebe sich sowohl vor als auch nach dem Verkauf der Kontaktlinsen; der Verkauf als solcher unterscheide sich jedoch nicht von der Verkaufstätigkeit durch den Optiker und sei sohin nicht als freiberufliche Tätigkeit iSd Vorsteuerpauschalierung anzusehen. Der Berufung war Folge gegeben worden.

Das Finanzamt sah sodann das Kontaktlinseninstitut als eigenständigen Gewerbebetrieb an und erließ für die Jahre 1986 bis 1989 Gewerbesteuerbescheide. Die Beschwerdeführerin berief gegen diese Bescheide. Sie brachte vor, das Kontaktlinseninstitut stelle eine völlig untergeordnete Einrichtung im Rahmen der ärztlichen Betätigung dar. Im Rahmen der ärztlichen Ordination würden auch Kontaktlinsen verordnet, angepaßt und verkauft. Der Einkauf und der Verkauf der Kontaktlinsen erfolge im Rahmen der Ordination und stelle sachlich und organisatorisch einen untergeordneten Teilbereich der fachärztlichen Tätigkeit dar. Er werfe nur geringen Ertrag ab (ca. 15 bis 22 % der Gesamtroherträge). Überdies gehe jedem Kontaktlinsenverkauf eine ärztliche Betreuung voraus, sodaß Kontaktlinsen nur an eigene Patienten abgegeben würden.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt der Beschwerdeführerin vor, aus dem Kontaktlinseninstitut würden ca. 20 bis 30 % ihres Gesamtumsatzes erwirtschaftet. Leistungen würden zudem nicht nur an eigene Patienten der Beschwerdeführerin, sondern auch an Patienten anderer Augenfachärzte erbracht. Wenn die Beschwerdeführerin davon spreche, daß sie ausschließlich eigene Patienten versorge, so seien damit offenbar nicht langjährige eigene Patienten gemeint; die Beschwerdeführerin gehe vielmehr davon aus, daß der Kunde mit der jeweils erforderlichen Anpassung der Kontaktlinsen durch sie als Arzt zu ihrem Patienten werde.

In der mündlichen Berufungsverhandlung verwies die Beschwerdeführerin nochmals darauf, daß kein eigenständiges Kontaklinseninstitut vorliege, sondern sich "alles in der Augenarztpraxis abspielt". Alle Kunden würden einer augenärztlichen Behandlung unterzogen; ein "Gassenverkauf" finde nicht statt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide habe die Beschwerdeführerin darauf verwiesen, daß die Tätigkeit im Kontaktlinseninstitut mit jener eines Optikers deckungsgleich sei. Auch sei die Beschwerdeführerin im Branchenverzeichnis des amtlichen Telefonbuches unter der Bezeichnung "Kontaktlinsenoptiker" eingetragen. Die Beschwerdeführerin habe daher diesen Arbeitsbereich von der ärztlichen Tätigkeit abgegrenzt. Nach Ansicht der belangten Behörde stelle das Anpassen von Kontaktlinsen eine selbständige (ärztliche) Tätigkeit dar. Der Verkauf von Linsen, den auch ein Optiker durchführen könne, sei hingegen als gewerbliche Tätigkeit anzusehen, und zwar insbesondere dann, wenn er nicht bloß an eigene Patienten erfolge. Der Verkauf könne von jedem gewerblich Berechtigten erfolgen; dieser müsse nicht Augenfacharzt sein. Die Betätigung im Rahmen des Kontaktlinseninstitutes sei nicht untrennbar mit jener der fachärztlichen Ordination verbunden und müsse daher eigenständig einer bestimmten Einkunftsart zugeordnet werden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes 1953 unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer.

Im Zusammenhang mit der Frage der Vorschreibung bestimmter ärztlicher Kammerbeiträge hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 88/18/0047, ausgesprochen, der Verkauf von Kontaktlinsen durch einen Augenfacharzt führe, zumal er von jedem gewerberechtlich Berechtigten, der kein Augenarzt sei, durchgeführt werden könne, nicht zu solchen Einkünften, die der ärztlichen Tätigkeit zuzuordnen seien.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes besteht kein Zweifel, daß der geschäftsmäßige Verkauf von Kontaktlinsen grundsätzlich zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt.

Zu Unrecht wirft die Beschwerde der belangten Behörde vor, sie habe einen "Gassenverkauf" von Kontaktlinsen ohne entsprechende Betreuung angenommen. Im angefochtenen Bescheid geht die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin für jeden ihrer "Kunden" eine ärztliche Anpassung der Linsen vorgenommen hat.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß das Anpassen von Kontaktlinsen eine ärztliche Tätigkeit sei und zu Einkünften aus selbständiger Arbeit führe, während im Verkauf der Kontaktlinsen - diesen könne auch ein Optiker durchführen - eine gewerbliche Tätigkeit zu sehen sei. Dieser Verkauf stehe mit den anderen Tätigkeiten nicht in untrennbarem Zusammenhang; die Eigenständigkeit ergebe sich einerseits aus der Einschaltung des "Kontaktlinseninstitutes" im Branchenverzeichnis des Telefonbuches und andererseits aus dem Vorbringen in der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid, wonach die Tätigkeit im Kontaktlinseninstitut deckungsgleich mit der Tätigkeit eines Optikers sei.

Um zwei Betriebe (iSd §§ 21 bis 23 EStG) ausnahmeweise zu einer Einheit zusammenfassen zu können, kommt es ausschließlich darauf an, ob die Bindung zwischen den Betrieben nach den objektiv gegebenen Merkmalen so eng ist, daß die Betriebe nach der Verkehrsauffassung als eine Einheit anzusehen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/14/0194). Dabei kommt es auf die organisatorische, wirtschaftliche und sachliche Verflechtung an.

Stehen mehrere Tätigkeiten zueinander im Verhältnis einer derartigen Verflechtung, so ist davon auszugehen, daß sie eine einheitliche Betätigung bilden, die das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes zur Folge hat. Im Falle einer solchen einheitlichen Betätigung ist anhand der Kriterien der §§ 21 bis 23 EStG (bzw. § 1 GewStG) zu prüfen, unter welche Einkunftsart die aus diesem einheitlichen Betrieb fließenden Einkünfte fallen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/13/0201). Wenn eine gewerbliche Tätigkeit mit einer freiberuflichen Tätigkeit in dieser Weise zusammentrifft und dabei als untergeordnete Tätigkeit - entscheidend ist dabei das Verhältnis der Gewinne (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/13/0083, und - zur Hausapotheke eines Arztes - vom , Zl. 3026/52) - im Hintergrund steht (Nebentätigkeit), so liegt insgesamt eine freiberufliche Tätigkeit vor.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Einschaltung als "Kontaktlinseninstitut" im Branchenverzeichnis des Telefonbuches reiche nicht aus, um die Annahme einer Verflechtung zwischen der gewerblichen und der freiberuflichen Tätigkeit zu negieren. Mit diesem Vorbringen ist sie im Recht.

Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Tätigkeit als Augenfacharzt und dem Verkauf von Kontaktlinsen ergibt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes u.a. daraus, daß die Nachfrage nach der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit, zu der die belangte Behörde zu Recht auch das Anpassen der Linsen gezählt hat, durch den Kontaktlinsenverkauf unmittelbar gefördert wird. Der sachliche Zusammenhang ergibt sich aus der für beide Bereiche erforderlichen - zueinander in Beziehung stehenden - Sachkompetenz.

Im Verwaltungsverfahren hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß sie den Kontaktlinsenverkauf in den Räumen ihrer Ordination durchführe. Die belangte Behörde ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten. Bei einem im Rahmen der fachärztlichen Ordination durchgeführten Verkauf ist aber auch die Voraussetzung des organisatorischen Zusammenhanges gegeben.

Bei dieser Sachlage ist ungeachtet einer eingeschränkten eigenständigen Werbetätigkeit für den Kontaktlinsenverkauf (durch die Einschaltung im Telefonbuch) aufgrund der angeführten Verflechtung der Betätigungen nach der Verkehrsauffassung ein einheitlicher Betrieb anzunehmen. Daran ändert nichts, daß der eigentliche Verkauf der Linsen auch von Optikern durchgeführt wird.

Die belangte Behörde hat sohin die Rechtslage verkannt. Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht hat sie es unterlassen, Überlegungen zu der Frage der untergeordneten Bedeutung der gewerblichen Betätigung anzustellen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben war. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der angefochtene Bescheid war nur einfach vorzulegen. Der Kostenersatz für die Beilagengebühr konnte daher nur für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zugesprochen werden.