VwGH vom 27.04.1995, 92/17/0300
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-05/26/00363/92, betreffend Übertretung des Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien erkannte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom den Beschwerdeführer schuldig, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs. 3 des (Wiener) Parkometergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 47/1974 i.d.g.F., begangen zu haben, daß er am um 12.53 Uhr in W, X-Gasse 2, ein bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt habe, ohne die Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet zu haben, da der Parkschein fehlte. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es (u.a.), basierend auf einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 5152/1965) habe der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (z.B. im Erkenntnis vom , Zl. 81/17/0168) ausgesprochen, daß innerhalb einer Kurzparkzone weitergehende Verkehrsbeschränkungen wie Halte- oder Parkverbote erlassen werden dürften, ohne daß das Gebiet der Kurzparkzone dadurch unterbrochen würde. Das Verhalten des sein Fahrzeug im Halte- oder Parkverbot abstellenden Lenkers sei daher auch wegen Verletzung der Kurzparkzonenvorschriften strafbar. Diese Auffassung sei im juristischen Schrifttum kritisiert worden. Die belangte Behörde sehe darin jedoch keinen Anlaß, von der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Geltung einer Kurzparkzone in einer darin befindlichen weitergehenden Verkehrsbeschränkung abzugehen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende
Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie
Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften
geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in
dem Recht verletzt, "wegen der Bestimmungen des § 1 Abs. 3 iVm
§ 4 Abs. 1 Wr. PMG, nicht bestraft zu werden".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 1 des Parkometergesetzes i.d.F. der Novelle LGBl. für
Wien Nr. 42/1983 lautet auszugsweise:
"§ 1. (1) Der Gemeinderat kann für das Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 der Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 275/1982) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen die Entrichtung einer Abgabe vorschreiben.
(2) ...
(3) Zur Entrichtung der Abgabe sind der Lenker, der Besitzer und Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges, der ein solches Fahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Anordnung nach Abs. 1 getroffen wurde, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken.
(4) ...
(5) Der Begriff "Abstellen" umfaßt sowohl das Halten als auch das Parken von mehrspurigen Fahrzeugen. ...
(6) Die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 275/1982 sowie die darauf gestützten Verordnungen und Anordnungen werden durch dieses Gesetz nicht berührt."
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, es sei für die Abgabenpflicht nach dem (Wiener) Parkometergesetz ohne rechtliche Relevanz, ob nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung das Halten innerhalb des Bereiches einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone erlaubt sei oder nicht, weil auch solche Straßenstücke von der Kurzparkzone nicht ausgenommen seien; durch weitergehende Verkehrsbeschränkungen werde die Kurzparkzone nicht unterbrochen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/17/0076, u.v.a.; vgl. auch VfSlg. 5152/1965 sowie den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1337/94-4).
Darüber, ob diese Auffassung, der die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gefolgt ist, zutreffend ist, geht der vorliegende Rechtsstreit. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, diese Auffassung führe konsequenterweise dazu, daß ein Fahrzeuglenker, der sein Fahrzeug in einer innerhalb einer Kurzparkzone befindlichen Ladezone (wie im Beschwerdefall) abstelle, doppelt bestraft werden könne: Einerseits nach straßenpolizeilichen Normen wegen Übertretung des Halteverbotes, andererseits nach landesabgabenrechtlichen Normen wegen Übertretung der Kurzparkzonenvorschriften. Die Literatur lehne diese Strafpraxis einhellig ab (Hinweis auf Messiner, Parkometerabgabe innerhalb von in Kurzparkzonen gelegenen Ladezonen, ZVR 1981, 363; Knobl, Verkehrsbeschränkungen in Kurzparkzonen, ZVR 1990, 193 ff; Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht, 653 f mit FN 28 und 31 (?); Benes-Messiner, StVO8, 453 Anm. 6). Eine historische Interpretation des § 25 Abs. 1 StVO 1960 ergebe eindeutig, daß Kurzparkzonen sich nicht auf Halteverbotsbereiche erstrecken dürften und könnten (Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 22 BlgNR 9. GP, 57; Laurer, Zuständigkeit zur Erlassung eines Parkometergesetzes, ÖJZ 1969, 478, mit Verweis auf einen Entwurf des Handelsministeriums zur 3. StVO-Novelle). Ausgehend vom Rechtscharakter sowohl der dem Halteverbot zugrundeliegenden als auch jener der Kurzparkzone zugrundeliegenden Rechtsquellen als Verordnung sei der hier vorliegende Normenkonflikt nach dem Auslegungsgrundsatz über den Vorrang der lex specialis zu lösen. Da eine Halteverbotsverordnung zweifellos für einen räumlichen Anwendungsbereich eine Spezialnorm gegenüber einer Kurzparkzonenverordnung darstelle, habe sie jedenfalls Vorrang. Dafür spreche auch Sinn und Zweck von Kurzparkzonen nach § 44 Abs. 4 StVO 1960, wonach eindeutig erkennbar sein solle, ob und welche Verbote für ein ganzes (Orts-)Gebiet gelten. Ein anderes Verständnis würde auch dem Rechtssicherheitsgebot nicht entsprechen. Es wäre für den Rechtsunterworfenen, der etwa eine Ladetätigkeit zulässigerweise dort ausübe, nicht erkennbar, ob er hiebei einen Parkschein (zusätzlich) benötige. Zu bedenken sei auch die Inhaltsgleichheit des Kurzparkzonenbegriffes nach § 1 Abs. 1 des Parkometergesetzes mit dem darin enthaltenen Verweis auf § 25 Abs. 1 StVO 1960 und jenem der StVO 1960 selbst. Wären die Kurzparkzonenbegriffe nach dem Parkometergesetz und der StVO 1960 unterschiedlich, so wäre der Besteuerungsgegenstand des Parkometergesetzes inhaltlich nicht ausreichend determiniert und sohin verfassungswidrig, was jedoch durch verfassungskonforme Interpretation vermieden werden könne. Im Fall, daß der Kurzparkzonenbegriff in diesen beiden Bestimmungen unterschiedlich interpretiert werde, wäre die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Parkometergesetz wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 5 F-VG verfassungswidrig. Für diesen Fall werde angeregt, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, den präjudiziellen Teil der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Parkometergesetzes als verfassungswidrig aufzuheben.
Vorweg ist auf das Kompetenzfeststellungserkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 5859/1968, zu verweisen, das folgenden Rechtssatz enthält:
"Nach dem Finanz-Verfassungsgesetz 1948 und nach den auf seiner Grundlage erlassenen, derzeit geltenden Bundesgesetzen fallen Akte der Gesetzgebung, die das Halten oder Parken von Fahrzeugen auf Verkehrsflächen, die nicht Bundesstraßen sind, besteuern, in die Zuständigkeit der Länder."
Auf dem Boden dieser Kompetenzlage enthält das Parkometergesetz - als ein Abgabengesetz im Sinne des F-VG 1948 - an die Allgemeinheit gerichtete Verpflichtungen zur Leistung von Geld an die Gemeinde Wien, soweit nicht ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben wird, das lediglich der Sicherung der Geldleistungsverpflichtung dient. An der Verpflichtung zur Geldleistung an die Gebietskörperschaft in der Art einer Abgabe, wenn auf bestimmten Verkehrsflächen mit einem mehrspurigen Fahrzeug gehalten oder wenn darauf ein mehrspuriges Fahrzeug geparkt wird, ändert auch der Umstand nichts, daß die Verkehrsfläche eine solche einer Kurzparkzone zu sein hat. Wer hält oder parkt, ohne die Abgabe entrichtet zu haben, ist wegen Hinterziehung oder fahrlässiger Verkürzung der Abgabe zu bestrafen, nicht aber wegen Zuwiderhandelns gegen ein Halte- oder Parkverbot nach der StVO 1960 (vgl. sinngemäß VfSlg. 5859/1968).
Wie der Verfassungsgerichtshof in Slg. 12668/1991 dargelegt hat, dem sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt, wird (kompetenzrechtlich unbedenklich) die Abgabenpflicht - als ein Sachverhaltselement - an das Bestehen einer nach der StVO 1960 (einem Bundesgesetz) eingerichteten Kurzparkzone geknüpft. Damit löst eine Kurzparkzonenverordnung einerseits (bestimmte) straßenpolizeiliche Rechtswirkungen, andererseits (davon verschiedene) abgabenrechtliche Folgen aus. Sie bewirkt im Rechtsfolgenbereich nach der StVO 1960 etwa ein Verbot (lediglich) des Parkens; wohl aber begründet schon das (bloße) Halten in der Kurzparkzone das Entstehen der Abgabenpflicht.
Wenn der (Landes-)Gesetzgeber die Abgabenpflicht auf das Abstellen eines mehrspurigen Fahrzeuges - lediglich - in einer Kurzparkzone abstellt, so verfolgt er offenbar AUCH das Ziel, den zur Befriedigung des Bedarfes an Parkplätzen nicht mehr hinreichenden Parkraum zu rationieren; dies durchaus zulässigerweise, weil an der Einordnung einer Geldleistungsverpflichtung als Abgabe nichts ändert, daß der Gesetzgeber neben fiskalischen auch andere Zwecke verfolgt (vgl. etwa VfSlg. 10403/1985 und die dort zitierte umfangreiche Vorjudikatur; vgl. insbesondere auch das zum Wiener Parkometergesetz ergangene Erkenntnis VfSlg. 7967/1976 und die dortigen Erwägungsdarlegungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes). Aus der Zulässigkeit der Verfolgung (auch) anderer als fiskalischer Zwecke ist aber im Umkehrsschluß noch nicht die Verpflichtung des Abgabengesetzgebers abzuleiten, wie der Beschwerdeführer offenbar meint, an das Sachverhaltselement der Kurzparkzone (den straßenpolizeilichen Regelungen) idente Rechtsfolgen zu knüpfen. Dies heißt freilich nicht, daß der Abgabengesetzgeber die allgemeine bundesstaatliche Kompetenzverteilung wegen der Dichte der Regelung und der Art ihrer Auswirkungen im fremden Sachbereich schlechthin unterlaufen dürfte (vgl. VfSlg. 11864/1988 sowie 10403/1985). Für einen derartigen Mißbrauch der Abgabeform bietet sich im Beschwerdefall aber kein Anhaltspunkt. Beim Verwaltungsgerichtshof sind somit auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften entstanden.
Ausgehend vom oben Gesagten teilt der Verwaltungsgerichtshof aber auch nicht die vom Beschwerdeführer im Ergebnis vertretene Auffassung, Kurzparkzonen würden durch weitergehende Verkehrsbeschränkungen "unterbrochen" bzw. im Sinne der von Knobl vertretenen Meinung (a.a.O., insbesondere 199), eine Halteverbotsverordnung mit kleineren, innerhalb einer Kurzparkzone liegenden räumlichen Anwendungsbereichen würde die Zonenverordnung als lex specialis "zurückdrängen".
Der Verwaltungsgerichtshof ist vielmehr der Auffassung, daß an der Geltung einer Kurzparkzonenverordnung - als Bestimmung eines Gebietes, woran die StVO 1960 (im Gesetz bestimmte) Rechtsfolgen knüpft -, die der Landesgesetzgeber als eine der Voraussetzungen für das Entstehen der Abgabepflicht als Sachverhaltselement bestimmt, nichts ändert, daß FÜR DEN RECHTSFOLGENBEREICH in straßenpolizeilicher Hinsicht die Wirksamkeit der Kurzparkzonenverordnung (durch weitergehende Verkehrsbeschränkungen) "zurückgedrängt" ist.
Da es nach dem oben Gesagten für die Verwirklichung des Abgabentatbestandes bloß auf das Abstellen eines mehrspurigen Fahrzeuges in einer Kurzparkzone ankommt, geht auch die im Grunde des § 44a Z. 1 VStG vorgebrachte Beschwerderüge ins Leere, es gehe aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides in keiner Weise hervor, ob das gegenständliche Fahrzeug nur in einer Kurzparkzone oder (auch) in einem Halteverbotsbereich abgestellt gewesen sei.
Die solcherart zur Gänze unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.