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VwGH vom 23.11.2000, 95/15/0122

VwGH vom 23.11.2000, 95/15/0122

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des J W in S und des A K in B, beide vertreten durch Dr. Hannes Grabher, Rechtsanwalt in 6890 Lustenau, Schillerstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , Zl. 1019/92, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren (Feststellung von Einkünften für 1988 und 1989) sowie Feststellung von Einkünften für 1988 und 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565,-- S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer waren Gesellschafter einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (im folgenden W-Gesellschaft). Die W-Gesellschaft hatte im Jahr 1988 das Anlagevermögen und Warenlager der J-GmbH, deren Gesellschafter ebenfalls die beiden Beschwerdeführer waren, gekauft.

Im Zuge einer Buch- und Betriebsprüfung traf die Prüferin die Feststellung, dass die Gesellschaft das Anlagevermögen, welches sie am um den Kaufpreis von 1,831.800,-- S (Buchwert bei der J-GmbH: 898.116,-- S) gekauft habe, im Laufe des November 1988 um 726.506,-- S veräußert und damit einen Veräußerungsverlust von ca. 1,1 Mio. S erzielt habe. Das Warenlager (bestehend aus Fensterschließern), das die W-Gesellschaft um den Kaufpreis von 2,186.048,-- S erworben habe, habe sie im Jahr 1989 um 50% abgewertet und im Jahr 1990 um 335.250,-- S verkauft. Die W-Gesellschaft habe außer dem Verkauf des Anlagevermögens und des gesamten Warenlagers keine Geschäftstätigkeit entfaltet. Wenn dieselben Gesellschafter bei einer Kapitalgesellschaft und bei einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht beteiligt seien, kämen die Grundsätze für Verträge zwischen nahen Angehörigen zur Anwendung. Der Verkauf des Anlagevermögens und des Warenlagers an Fremde wäre mit Sicherheit nicht zu solchen Bedingungen zustandegekommen. Nach Ansicht der Prüferin sei die Gesellschaft nur zur Verschiebung der Verluste der J-GmbH gegründet worden. Der von der W-Gesellschaft geleistete Kaufpreis für das Anlagevermögen sei daher auf 726.506,-- S, jener für das Warenlager auf 1,093.024,-- S zu korrigieren, was zu einer entsprechenden Minderung des Veräußerungsverlustes führe.

Den Prüfungsfeststellungen folgend nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom 11. bzw. die - mit Bescheiden vom und vom abgeschlossenen - Verfahren betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1988 und 1989 wieder auf und erließ geänderte Feststellungsbescheide.

Die Berufung gegen diese Bescheide wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. In der Berufung sei gegen die Wiederaufnahme vorgebracht worden, es seien keine Tatsachen neu hervorgekommen, zumal sämtliche Tatsachen dem Finanzamt aufgrund eines Vorhalte- und Nachschauverfahrens (Umsatzsteuernachschau, abgeschlossen mit Schlussbesprechung vom ) sowie aufgrund der detaillierten Offenlegung in den Bilanzen bekannt gewesen seien. Die belangte Behörde halte dem entgegen, dass der Abgabenbehörde weder durch die Abgabenerklärungen noch durch das Vorhalte- bzw. Nachschauverfahren die persönliche Verflechtung zwischen der W-Gesellschaft einerseits und der J-GmbH andererseits bekannt geworden sei. Weil zwischen fremden Geschäftspartnern bei der Preisbildung ein Interessengegensatz bestehe, welcher zu marktüblichen Konditionen führe, stelle die personelle Verflechtung ein Sachverhaltselement mit maßgeblichem Einfluss auf die Preisbildung dar. Erst die im Rahmen der Betriebsprüfung hervorgekommene personelle Verflechtung habe Anlass für einen Fremdvergleich gegeben. Im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz sei vorgebracht worden, die Abgabenbehörde habe von der personellen Verflechtung Kenntnis gehabt, weil dem Finanzamt eine mit datierte Vollmacht des Erstbeschwerdeführers an den steuerlichen Vertreter übersandt worden sei, aus welcher sich die Vertretungsbefugnis für alle Gesellschaften und Beteiligungen des Erstbeschwerdeführers ergebe. Außerdem seien sowohl in den Bilanzen der W-Gesellschaft als auch in jenen der J-GmbH die jeweiligen Gesellschafter ausgewiesen. Die belangte Behörde verweise aber darauf, dass die Bekanntgabe der Beteiligungsverhältnisse im Besteuerungsverfahren der J-GmbH nicht dazu führe, dass dieser Umstand im Gewinnfeststellungsverfahren betreffend die W-Gesellschaft bekannt wäre. Ebenso wenig könne der Umstand, dass in der Vollmacht vom mehrere Vollmachtgeber ausgewiesen sein, dazu führen, dass im Gewinnfeststellungsverfahren betreffend die W-Gesellschaft die personelle Verflechtung zwischen der W-Gesellschaft und der J-GmbH bekannt sei. Im Übrigen habe die W-Gesellschaft ihren Betrieb erst am aufgenommen und sei in der Vollmacht vom nicht als Vollmachtgeber angeführt.

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG seien Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst seien. Als verdeckte Einlage seien alle nicht ohne weiteres als Einlage erkennbaren Zuwendungen einer an der Körperschaft beteiligten Person zu verstehen, die von einer dritten, der Körperschaft fremd gegenüberstehenden Person nicht gewährt würden. Im gegenständlichen Fall seien von der W-Gesellschaft unüblich hohe Kaufpreise an die J-GmbH geleistet worden; im Ausmaß der Unüblichkeit lägen bei der W-Gesellschaft Entnahmen und bei der J-GmbH Einlagen vor. Die W-Gesellschaft habe das Anlagevermögen von der personell verflochtenen J-GmbH im Wesentlichen am um den Preis von 1,831.800,-- S gekauft und sodann innerhalb von drei Monaten um 726.506,-- S verkauft. Da keine substantiierten Einwendungen gegen den Ansatz des Fremdveräußerungserlöses erhoben worden seien und im Berufungsverfahren konzediert worden sei, dass durch die Übernahme des Vermögens der J-GmbH der dieser GmbH drohende Konkurs habe abgewendet werden sollen, gelange das Finanzamt zur Feststellung, dass ein fremder Dritter am nur einen Kaufpreis von 726.506,-- S gezahlt hätte. Für den darüber hinausgehenden Teil des Kaufpreises sei eine betriebliche Veranlassung nicht gegeben. Das Warenlager habe die W-Gesellschaft im Jahr 1988 um 2,186.048,-- S gekauft, um es im Jahr 1989 um 50% abzuwerten und im Jahr 1990 um 335.250,-- S zu verkaufen. Nach den Feststellungen des Finanzamtes sei das Warenlager nicht veräußerbar gewesen. Es sei auch unwahrscheinlich, dass der Wert des Warenlagers erst nach dem Kauf durch die W-Gesellschaft auf 15% der seinerzeigen Herstellungskosten gesunken sei. Die belangte Behörde gehe im Hinblick darauf, dass unstrittig durch den Kauf der Konkurs der J-GmbH habe abgewendet werden sollen, davon aus, dass ein fremder Dritter im Jahr 1988 für das Warenlager nicht mehr als 1,093.024,-- S bezahlt hätte.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, das Finanzamt sei bereits bei Erlassung der ersten Gewinnfeststellungsbescheide vom und vom über alle entscheidungswesentlichen Sachverhaltselemente informiert gewesen. Die Tatsache der personellen Verflechtung habe sich aus einzelnen, in der Beschwerde konkret bezeichneten Eingaben ergeben.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten:

Das Schreiben des Steuerberaters der W-Gesellschaft vom enthält zwar Ausführungen über die Beteiligung der Beschwerdeführer an der W-Gesellschaft, jedoch keinen Hinweis auf die J-GmbH und deren Gesellschafter. Die Bilanz der W-Gesellschaft zum weist eine Forderung gegenüber der J-GmbH aus, zeigt aber das Beteiligungsverhältnis an dieser GmbH ebenfalls nicht auf. Entgegen dem Beschwerdevorbringen enthält der Verwaltungsakt der W-GmbH auch keine Vollmacht, aus der die Gesellschafterstruktur der J-GmbH zu erkennen wäre. Auch aus den Jahressteuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen ist nicht zu entnehmen, wer Gesellschafter der J-GmbH ist.

Nach dem weiteren Beschwerdevorbringen ergebe sich die Kenntnis des Finanzamtes (im Zeitpunkt der Erlassung der Gewinnfeststellungsbescheide vom und vom ) über die Beteiligungsverhältnisse an der J-GmbH auch daraus, dass im Gewinnfeststellungsakt der W-Gesellschaft eine Kopie des Gesellschaftsvertrages der J-GmbH einliege. Dieses Vorbringen, wonach sich bereits vor dem bzw. vor dem der Vertrag über die Gründung der J-GmbH im Verwaltungsakt der W-Gesellschaft befunden habe, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar. Überdies deutet - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - die Aktenlage (insbesondere der Eingangsstempel) daraufhin, dass der Vertrag über die Gründung der J-GmbH erst am in den Akt der W-Gesellschaft gelangt ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumption zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" im Sinn des § 303 Abs. 4 BAO bezieht sich damit auf den Wissensstand des jeweiligen Verfahrens und des jeweiligen Veranlagungsjahres (vgl. das hg Erkenntnis vom , 95/15/0114, mwN). Davon ausgehend zeigt die Beschwerde, die nicht darzutun vermag, dass dem Finanzamt im Zuge des Verfahrens der Erlassung der Gewinnfeststellungsbescheide vom und vom die Gesellschafter der J-GmbH bekannt gewesen seien, keine Rechtswidrigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug vorgenommenen Bestätigung der Wiederaufnahme der Verfahren auf.

Die Beschwerdeführer wenden sich schließlich gegen die Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, wonach die W-Gesellschaft das Anlagevermögen und das Warenlager zu einem überhöhten Preis gekauft habe. Sie bringen vor, die J-GmbH habe in den Jahren 1985 bis 1987 ein Patent mit der Bezeichnung J-Fensterschließer entwickelt. Das Produkt hätte in großen Stückzahlen dem Handel zugeführt werden sollen. Es sei allerdings bis Mitte 1988 kaum zu Verkaufsabschlüssen gekommen. Die beiden Beschwerdeführer seien damals der Ansicht gewesen, die Vertriebsprobleme seien nicht auf das Produkt, sondern nur auf die unzureichende Vertriebsorganisation der J-GmbH - diese sei in der Metallbranche nahezu unbekannt gewesen - zurückzuführen. Der Name des Erstbeschwerdeführers sei hingegen in Fachkreisen als Begriff für Qualität und Zuverlässigkeit bekannt gewesen. Daher hätten die Beschwerdeführer den Entschluss gefasst, der J-GmbH die W-Gesellschaft als Vertriebspartner zur Seite zu stellen. Im Hinblick auf die finanziellen Schwierigkeiten der J-GmbH habe aber auch deren Existenz als Produktionsunternehmen gesichert werden müssen; aus diesem Grunde habe die W-Gesellschaft das Anlagevermögen - diesbezüglich sei zunächst ein sale-and-leaseback geplant gewesen - und den großen Teil des Warenlagers der J-GmbH gekauft. Bereits einige Monate nach den Ankauf habe sich herausgestellt, dass ein Verkauf des J-Fensterschließers - im Hinblick auf technische Probleme - nur schwer möglich sei. Es sei daher der Entschluss gefasst worden, dass Anlagevermögen so schnell als möglich, also im Wege eines Notverkaufes zu veräußern, um allfällige Liquiditätsprobleme der W-Gesellschaft abzuwenden. Die Bewertung des Warenlagers im Zeitpunkt des Ankaufes durch die W-Gesellschaft sei schwierig gewesen. Man habe sich an den Herstellungskosten und am Verkaufspreis an Händler orientiert. Dass die Verkaufspreise nicht unrealistisch gewesen seien, ergebe sich daraus, dass der Baubeschlägehändler S die Fensterschließer als Neuheit zu einem Preis von 1.540,-- S (Luxusausführung) bzw. 950,-- S (Standardausführung) in seinem Programm ausgewiesen habe; die W-Gesellschaft habe um 924,-- S (Luxusausführung) bzw. 572,-- S (Standardausführung) angekauft. Erst Ende 1989/Anfang 1990 habe sich ergeben, dass die ausgelieferten Fensterschließer wegen mangelnder Verkaufsmöglichkeiten von den Händlern wieder retourniert würden. Die W-Gesellschaft habe sodann den Entschluss gefasst, den Handel völlig einzustellen und die vorhandenen Lagerbestände zu veräußern.

Mit diesem Vorbringen wendet sich die Beschwerde gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Die Beweiswürdigung unterliegt insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die sich im Wesentlichen auf den Weiterverkauf des Anlagevermögens im November 1988, auf die Teilwertabschreibung des Warenlagers zum sowie auf das im Verwaltungsverfahren von den Beschwerdeführern vorgebrachte Motiv für den Ankauf der Wirtschaftsgüter stützt, hält der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand. Das Beschwerdevorbringen vermag die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung nicht zu erschüttern. Aus der Tatsache, dass ein Händler, der Fensterschließer auf Kommission übernommen hat, diese zu einem bestimmten Preis in seinem Programm ausgewiesen hat, ergibt sich entgegen dem Beschwerdevorbringen angesichts des Umstandes, dass dieser die Ware nicht verkauft, sondern der W-Gesellschaft wieder zurückgestellt hat, kein Hinweis auf den fremdüblichen Preis.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am