VwGH vom 06.10.1993, 92/17/0284
Betreff
DerVerwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde des Dr. A in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 20.3-53/92-4, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt i. A. Organstrafverfügung nach dem Steiermärkischen Parkgebührengesetz 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen G xxxxx, hat am sein Kraftfahrzeug in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Graz, Raubergasse 22, abgestellt. Von einem Aufsichtsorgan der Bezirksverwaltungsbehörde wurde hinter dem Scheibenwischer eine Organstrafverfügung angebracht.
In seiner Beschwerde an den UVS für die Steiermark beantragte der Beschwerdeführer die Verhängung der Organstrafverfügung "sowie die damit verbundenen Schäden" für rechtswidrig zu erklären und brachte u.a. vor, daß "beim Anbringen der Organstrafverfügung" der Scheibenwischer beschädigt worden sei. Die Beschädigung des Scheibenwischers greife in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers ein. Überdies habe er am selben Tag nach Wien fahren müssen, wobei starker Regen geherrscht habe, sodaß die Funktionstüchtigkeit des Scheibenwischers somit auch in das "Grundrecht auf körperliche Integrität" des Beschwerdeführers eingegriffen habe. Die Maßnahmenbeschwerde sei zulässig, weil die Beschädigung des Scheibenwischers ebensowenig wie der Gefährdungstatbestand im Verwaltungsstrafverfahren geltend gemacht werden könne. Die Verhängung der Organgstrafverfügung sei eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, ebenso wie die Beschädigung des Scheibenwischers. Überdies sei die Organstrafverfügung von einem "Angehörigen einer Privatfirma" verhängt worden, der dazu "mit Sicherheit weder ermächtigt, noch berechtigt im Sinne des VStG war".
Der UVS für die Steiermark wies mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid die Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurück. Dies im wesentlichen mit der Begründung, nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei ein unverzichtbares Inhaltsmerkmal eines verfahrensfreien Verwaltungsaktes in der Erscheinungsform eines - alle Voraussetzungen des Art. 144 Abs. 1 zweiter Satz B-VG aufweisenden - "Befehls" der Umstand, daß dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einzusetzende physische Sanktion - so etwa eine Festnehmung oder Vorführung - angedroht werde. Diese Kriterien seien, folge man der Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers, nicht erfüllt, da die Anbringung einer Organstrafverfügung bei einem Kraftfahrzeug keinen unmittelbaren behördlichen Befehl oder Zwang darstelle. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit, durch Verweigerung der Zahlung des Strafbetrages ein Verwaltungsstrafverfahren zu initiieren, und die Möglichkeit, sich dort zu rechtfertigen. Es sei daher auf die Fragestellung, ob durch den Einsatz von Privatpersonen Organstrafverfügungen erlassen werden könnten, nicht näher einzugehen. Soweit die Beschädigung des Scheibenwischers behauptet werde, werde der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend macht. Er erachtet sich in seinem Recht auf Sachentscheidung und in seinem Recht auf ein mängelfreies Verfahren verletzt.
Der UVS für die Steiermark erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Wenn der Beschwerdeführer die Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend macht und damit begründet, sie wäre zur Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde unzuständig, weil sie eine Entscheidung in der Sache selbst hätte fällen müssen, widerspricht er sich damit selbst. In Wahrheit bekämpft er damit nicht die Unzuständigkeit der Behörde, sondern erhebt den Vorwurf, die belangte Behörde hätte in der Sache selbst zu entscheiden, wie er dies an anderer Stelle der Beschwerde ausdrücklich geltend macht. Diese Ansicht erweist sich jedoch als unzutreffend:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Beschlüsse vom , Zl. 82/17/0019, und vom , Zl. 90/03/0145) ist eine Organstrafverfügung nach § 50 VStG kein Bescheid im Sinne der Art. 130 ff B-VG. Ebensowenig ist aber die Anbringung einer Organstrafverfügung an einem Kraftfahrzeug als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu werten, fehlen doch sämtliche Merkmale - es liegt weder physischer Zwang noch eine unmittelbare Befehlsgewalt vor - einer derartigen faktischen Amtshandlung.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde hätte prüfen müssen, ob "die bei der Verhängung der Organstrafverfügung eingetretenen Schäden", (gemeint: die behauptete Beschädigung des Scheibenwischers) "nicht auch einen Akt unmittelbarer Zwangs- und Befehlsgewalt" darstellten, so ist auch insoweit keines der Kriterien für die Ausübung einer unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- oder Zwangsgewalt gegeben, sodaß eine dagegen gerichtete Maßnahmenbeschwerde von vornherein verfehlt ist.
Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, es sei keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden. Dabei übersieht er aber, daß gemäß § 67 d Abs. 1 AVG bei einer Zurückweisung einer Beschwerde eine solche nicht anzuberaumen ist. Wenn er ferner die Ansicht vertritt, die vom UVS für die Steiermark vor der Entscheidung eingeholte Stellungnahme des Magistrates Graz hätte ihm zur Kenntnis gebracht werden müssen, dann erweist sich dies im vorliegenden Fall als nicht berechtigt, weil die darin enthaltene Sachverhaltsfeststellung, daß eine Organstrafverfügung hinter dem Scheibenwischer angebracht worden ist, völlig unbestritten ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.