VwGH vom 24.03.1995, 92/17/0281

VwGH vom 24.03.1995, 92/17/0281

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Dr. P in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-05/27/00345/92, betreffend Übertretung des Wr. Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am um 13,33 Uhr - unter näherer Angabe des Tatortes - ein dem Kennzeichen nach bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne die Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet zu haben, weil der Parkschein gefehlt habe. Er habe demnach die Parkometerabgabe verkürzt. Er habe dadurch "§ 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz, LGBl. für Wien Nr. 47/1974, in der geltenden Fassung" verletzt. Gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es - in Erwiderung der Verantwortung des Beschwerdeführers, das Fahrzeug in Ausübung seines Berufes als Arzt verwendet und dieses auch entsprechend mit der Tafel "Arzt im Dienst" gekennzeichnet zu haben -, da der Beschwerdeführer von der Namhaftmachung des Patienten Abstand genommen habe, müsse davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer das Kraftfahrzeug nicht zum Zweck einer konkreten ärztlichen Hilfeleistung abgestellt gehabt habe.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und machte darin im wesentlichen geltend, aus seinen kalendarischen Aufzeichnungen gehe hervor, daß er in der Zeit vom 5. bis zum 12. Juli einen Auslandstermin wahrgenommen habe.

Mit Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien dieser Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer der Erstbehörde gegenüber den Sachverhalt, soweit dieser das Abstellen des gegenständlichen Fahrzeuges in der Kurzparkzone ohne entwerteten Parkschein betreffe, ausdrücklich nicht bestritten. Er habe aber zum Ausdruck gebracht, daß er nicht gewillt sei, seiner erhöhten Mitwirkungspflicht nachzukommen. Im Berufungsverfahren sei der Beschwerdeführer ohne substantielle Begründung von seiner bisherigen Verantwortung abgewichen und habe auch keinerlei Beweise für den nunmehr behaupteten Auslandsaufenthalt vorgelegt. Im Hinblick auf diese Sachlage werde als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall zur Entrichtung der Abgabe nach dem Parkometergesetz verpflichtet gewesen sei und er durch die Nichtentrichtung diese Abgabe verkürzt habe.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem subjektiven Recht, "nur wegen einer von ihm tatsächlich begangenen Verwaltungsübertretung bestraft zu werden, verletzt". In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wird vorgebracht, daß entgegen den Voraussetzungen des § 51 e VStG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterblieben sei. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung wäre zumindest abstrakt geeignet gewesen, durch entsprechende Parteienvernehmung des Beschuldigten und durch Vorlage von Urkunden (kalendarische Aufzeichnungen und allenfalls Unterlagen betreffend den Auslandsaufenthalt), das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung zu bestätigen und dadurch im wesentlichen, nämlich in der Frage, ob der Beschuldigte die vorgeworfene Tat begangen habe, ein anderes Beweisergebnis herbeizuführen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 51 e VStG lautet auszugsweise:

"(1) Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

(2) Wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, dann ist eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.

(3) Von der Verhandlung kann abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen.

(4) ..."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 93/11/0013, zur vergleichbaren Bestimmung des § 67 d AVG dargetan hat, sind die unabhängigen Verwaltungssenate u.a. gerade aus dem Grund eingerichtet worden, um eine Tatsacheninstanz zu schaffen, die grundsätzlich nach durchgeführter mündlicher Verhandlung entscheidet. Im genannten Erkenntnis wird weiters die Aussage getroffen, daß der (damalige) Beschwerdeführer darauf habe vertrauen dürfen, daß über seine (zulässige) Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat eine mündliche Verhandlung durchgeführt werde, sofern ihr nicht ohnedies ein Erfolg beschieden sei. Nichts anderes hat auch für den vorliegenden, im Anwendungsbereich des § 51 e VStG liegenden Beschwerdefall zu gelten (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/17/0007, und vom , Zl. 93/17/0351).

Im Beschwerdefall wurde in der Berufung nicht nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht; vielmehr wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis im Tatsachenbereich bekämpft. Da auch ein anderer, das Absehen von einer mündlichen Berufungsverhandlung rechtfertigender Grund nach § 51 e VStG nicht vorlag, wäre eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

Dieser Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des § 51 e VStG stellt jedenfalls einen Verfahrensmangel dar, der, wie andere Verfahrensfehler auch, dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG). Da nun der Beschwerdeführer dem von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang aufgestellten Erfordernis, in der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde die Relevanz des Verfahrensmangels darzutun, entsprochen hat (insbesondere durch den Hinweis auf die Vorlage von Urkunden zur Stützung des Berufungsvorbringens), erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil die belangte Behörde bei Vermeidung des in Rede stehenden Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Bei diesem Ergebnis und vor dem Hintergrund der zu beurteilenden verfahrensrechtlichen Situation in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof brauchte die Frage nicht erörtert zu werden, ob es mit dem im Art. 6 Abs. 1 MRK (insbesondere im Zusammenhalt mit Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK) verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vereinbar ist, die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Verletzung dieses Rechtes und damit die Gewährleistung desselben davon abhängig zu machen, daß der Beschwerdeführer die Relevanz des Unterbleibens der Berufungsverhandlung in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof dartut bzw. welches Vorbringen hier als erforderlich und zumutbar erachtet werden kann, oder ob die den Bestimmungen des § 51 e VStG widersprechende Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung nicht jedenfalls einen Aufhebungsgrund wegen Verletzung des fair trial darstellt (vgl. - letzteres verneinend - etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/03/0165 = AnwBl 1993, 374, mit kritischer Anm von ARNOLD).

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.