VwGH 21.07.1995, 92/17/0267
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Wenn sich der Gesetzgeber der gesetzestechnischen Methode der rechtlichen Anknüpfung bedient, die darin besteht, daß in anderen Rechtsbereichen vorgenommene Umschreibungen eines Zustandes, Verhältnisses oder sonst relevanter Tatsachen in die Steuernormen aufgenommen werden, und zwar mit der den Begriffen des anderen Rechtsgebietes zukommenden Bedeutung, dann muß das Ergebnis der Interpretation einer solchen steuerrechtlichen Vorschrift mit dem der Interpretation im Bereich des Rechtsgebietes, dem die Umschreibung entnommen wurde, übereinstimmen; bei einem tatbestandsmäßigen Anknüpfen an außersteuerrechtliche Regelungen und Beriffe geht der Grundsatz der rechtlichen Betrachtungsweise iSd zweiten Absatzes des § 21 BAO jener der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vor, sodaß bei Anknüpfung des Abgabenrechtes an Vorschriften anderer Regelungskreise für eine von dem Recht, an das angeknüpft wird, abweichende Begriffsinhaltsdeutung kein Raum ist (Hinweis Stoll, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Band 1, 228). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1994/12/07 93/13/0009 1
(hier Ausführungen zum Begriff "Eigentümer" in § 2 Abs 1
Innsbrucker GehsteigabgabeG) |
Normen | |
RS 2 | Der in § 19 Tir BauO 1989 gebrauchte Begriff "Eigentümer" bildet einen geradezu typischen Beispielsfall für eine gesetzestechnische Anknüpfung und zwar an den Begriff des "Eigentümers" iSd Baurechts und damit des bürgerlichen Rechts (Hinweis E , 84/17/0164). Für eine nicht rechtliche, sondern wirtschaftliche Betrachtungsweise des Begriffes "Eigentümer" ist somit kein Raum. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1995/07/21 92/17/0266 3
(hier "Eigentümer" iSd § 2 Abs 1 Innsbrucker GehsteigabgabeG) |
Normen | |
RS 3 | § 12 Abs 2 Tir BauO 1989 trifft lediglich darüber eine Regelung, wer für die Bewilligung (zur Änderung von Grundstücken) nach § 12 Abs 1 legcit antragslegitimiert ist. Davon abgesehen trifft der zweite Satz des § 12 Abs 2 Tir BauO 1989 keine eigene (weite) Begriffsbestimmung des "Eigentümers" sondern stellt vielmehr dem vom Gesetzgeber als vorgegebenen behandelten Begriff des Eigentümers eine gesetzliche Fiktion zur Seite ("... ist ... gleichzuhalten"). Eine allgemeine und eigenständige Begriffsdefinition des "Eigentümers" trifft die Tir BauO 1989 nicht. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1995/07/21 92/17/0266 1 |
Normen | AVG §68 Abs1; BauO Tir 1989 §19 Abs1; BauO Tir 1989 §55; LAO Tir 1984 §3 Abs1; LAO Tir 1984 §3 Abs3; VwRallg; |
RS 4 | § 55 Tir BauO 1989 behandelt die dingliche Wirkung von BESCHEIDEN. Für das AbgabenSCHULDVERHÄLTNIS (vor seiner bescheidförmigen Konkretisierung) ist eine solche "in-rem-Wirkung" oder "dingliche Wirkung" in der Tir BauO 1989 nicht vorgesehen. Einer solchen ausdrücklichen Regelung - die im übrigen vom sonstigen System des Abgabenrechtes abweichen würde (Hinweis E , 84/17/0046) - hätte es allerdings bedurft, um in dem nach § 3 Abs 1 Tir LAO 1984 (vgl auch dessen Abs 3) iVm § 19 Abs 1 Tir BauO 1989 entstandenen Abgabenschuldverhältnis einen Schuldnerwechsel bei jedem Eigentümerwechsel annehmen zu können. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1995/07/21 92/17/0266 6 |
Normen | |
RS 5 | § 220 Tir LAO 1984 stellt lediglich auf abgabenrechtliche Bescheide (in einem Grundlagenbescheidsystem und Folgebescheidsystem) ab (und nicht auf Baubescheide). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1995/07/21 92/17/0266 9 |
Norm | GehsteigabgabeG Innsbruck §2 Abs1; |
RS 6 | Eine so weitreichende Sanktion wie das Erlöschen des Bemessungsrechtes bei einer Überschreitung der 6 monatigen Frist des § 2 Abs 1 Innsbrucker GehsteigabgabeG hätte ausdrücklich im Gesetz festgelegt werden müssen (Hinweis E , 343/71 und 349/71; E , 92/17/0001). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der A in I, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. MD/Präs.Abt.II-9067/1991, betreffend Gehsteigabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innbruck vom wurden der Beschwerdeführerin und P "für die Errichtung einer Reihenhausanlage im Anwesen S-Straße 32 l-n" eine Gehsteigabgabe auf Grund der Bestimmungen des Gesetzes vom über die Erhebung einer Abgabe für die erstmalige Herstellung zeitgemäßer Gehsteige für die Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl. Nr. 23/1969, (im folgenden: GehsteigabgabeG) in der Höhe von S 72.841,-- vorgeschrieben.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es (u.a.), daß die X-Gesellschaft m.b.H. mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom die Bewilligung zur Errichtung einer Reihenhausanlage im Anwesen S-Straße 32 l-n erhalten habe. Die erteilte Baubewilligung gestatte es dem Bauwerber, auf der "Gp. 1334/15, KG H", eine Wohnanlage bestehend aus drei Reihenhäusern zu errichten. Dieser Baubescheid sei infolge Verzichtes eines Rechtsmittels am in Rechtskraft erwachsen. Am (Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides) sei gegenüber P und der Beschwerdeführerin - als grundbücherlichen Eigentümern "der Gpn. 1335/15, 16 und 17, alle KG H" - die Abgabepflicht zur Entrichtung einer einmaligen Gehsteigabgabe entstanden.
Nachdem das GehsteigabgabeG den Begriff des Eigentümers bzw. Eigentums im Sinne des Bürgerlichen Rechts (Sachenrechts) definiere, sei ungeachtet der in der Tiroler Landesabgabenordnung (TLAO) grundsätzlich vorgesehenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise jeweils der Eigentümer zur Abgabe verpflichtet, der tatsächlich im Grundbuch eingetragen sei. Zum (Rechtskraft des Baubescheides) schienen als grundbücherliche Eigentümer die Berufungswerber (die Beschwerdeführerin und P) auf, sodaß diesen zu Recht die Gehsteigabgabe vorzuschreiben gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung (u.a.) dieser Beschwerde mit Beschluß vom , B 190/92-3 und Folgezahlen, ablehnte und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich die Beschwerdeführerin - nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringes - in dem Recht verletzt, daß ihr gegenüber eine Gehsteigabgabe nicht vorgeschrieben werde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 1 GehsteigabgabeG ermächtigt die Stadt Innsbruck gemäß § 8 Abs. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, zur teilweisen Deckung der Kosten der erstmaligen Herstellung von zeitgemäßen Gehsteigen (§ 68 der Bauordnung der Landeshauptstadt Innsbruck) eine Abgabe (§ 14 Abs. 1 Z. 15 des Finanzausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 2) zu erheben.
Der § 2 GehsteigabgabeG lautet auszugsweise:
"(1) Zur Entrichtung einer einmaligen Abgabe sind die Eigentümer der zu bebauenden Grundstücke (Bauplätze) verpflichtet. Unter Bauplätzen sind die nach den Bestimmungen der Innsbrucker Bauordnung bebaubaren, zuzüglich aller demselben Eigentümer gehörigen, daran unmittelbar angrenzenden, selbständig nicht bebaubaren Grundflächen zu verstehen. Die Abgabepflicht entsteht bei Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides. Die Abgabe ist binnen sechs Monaten nach Baubeginn vorzuschreiben und wird zwei Wochen nach Vorschreibung fällig. Bei Bauten vorübergehenden Bestandes im Sinne des § 15a der Innsbrucker Bauordnung oder bei Baumaßnahmen ohne Vergrößerung der Baumasse (§ 4) entsteht keine Abgabepflicht.
..."
Die Beschwerdeführerin bekämpft zunächst die Ansicht der belangten Behörde, der Begriff des Eigentümers bzw. Eigentums sei im § 2 Abs. 1 GehsteigabgabeG im Sinne des bürgerlichen Rechts (Sachenrechts) "definiert". Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei zur Bestimmung dieses Begriffes vielmehr die Tiroler Bauordnung (TBO) heranzuziehen.
Die Beschwerdeführerin ist zwar insofern im Recht, daß das GehsteigabgabeG den Begriff "Eigentümer" nicht näher definiert. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr der gesetzestechnischen Methode der rechtlichen Anknüpfung bedient, die darin besteht, daß in anderen Rechtsbereichen vorgenommene Umschreibungen eines Zustandes, Verhältnisses oder sonst relevanter Tatsachen in die Steuernormen aufgenommen werden, und zwar mit der den Begriffen des anderen Rechtsgebietes zukommenden Bedeutung. Daß aber diese gesetzestechnische Anknüpfung nicht an einen Begriff des Eigentümers im Sinne des Baurechts und damit des bürgerlichen Rechts (Sachenrecht) erfolgte, wie die belangte Behörde insofern zutreffend erkannte (vgl. dazu sinngemäß das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/17/0164, sowie das dieselbe Beschwerdeführerin betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/17/0266, beide die Rechtslage nach der TBO betreffend), sondern (davon abweichend) einen anderen Begriff des "Eigentümers", wie er in der TBO seinen Niederschlag gefunden haben sollte, vermag der Verwaltungsgerichtshof mangels jeglicher Anhaltspunkte nicht zu erkennen (die Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974, ist im übrigen, und zwar in ihrer ursprünglichen Fassung, erst mit in Kraft getreten). Abgesehen davon enthält (wie in den vorzitierten Erkenntnissen dargelegt) die TBO gar keine, wie die Beschwerdeführerin meint, vom Begriff des "Eigentümers" im Sinne des bürgerlichen Rechts (Sachenrechts) abweichende Begriffsdefinition.
Zu Unrecht beruft sich die Beschwerdeführerin auch auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 19 TLAO sowie den Zurechnungstatbestand des "wirtschaftlichen Eigentums" (§ 22 Abs. 1 lit. d TLAO). Wie in dem, dieselbe Beschwerdeführerin betreffenden hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/17/0266, näher dargelegt wird, geht nämlich bei einem tatbestandsmäßigen Anknüpfen an außersteuerrechtliche Regelungen und Begriffe der Grundsatz der rechtlichen Betrachtungsweise im Sinne des zweiten Absatzes des § 19 TLAO jener der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vor. Für eine nicht rechtliche, sondern wirtschaftliche Betrachtungsweise des Begriffes "Eigentümer" nach § 2 Abs. 1 GehsteigabgabeG ist somit kein Raum.
Die Beschwerdeführerin vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch nicht aufzuzeigen, wenn sie vorbringt, die belangte Behörde hätte § 55 TBO berücksichtigen müssen.
§ 55 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, hat
folgenden Wortlaut:
"Dingliche Wirkung von Bescheiden
Die aus Bescheiden nach diesem Gesetz mit Ausnahme von Bescheiden nach § 53 sich ergebenden bau- und abgabenrechtlichen Rechte und Pflichten haften auf dem Grundstück und gehen auf den Rechtsnachfolger im Grundeigentum bzw. im Baurecht über."
§ 55 TBO sieht somit - entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung - gar keine "dingliche Wirkung" für das AbgabenSCHULDVERHÄLTNIS vor (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnisen vom heutigen Tag, Zl. 92/17/0266).
Es ist aber auch verfehlt, wenn in der Beschwerde unter Hinweis auf § 220 TLAO vorgebracht wird, im vorliegenden Fall werde an den Baubewilligungsbescheid angeknüpft, der auch abgabenrechtliche Wirkungen entfalte, weshalb von einem abgeleiteten Bescheid auszugehen sei. Die Beschwerdeführerin verkennt dabei schon deshalb die Rechtslage, weil § 220 TLAO lediglich auf ABGABENRECHTLICHE Bescheide (in einem Grundlagen- und Folgebescheidsystem) abstellt.
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vermag schließlich auch nicht die Beschwerderüge aufzuzeigen, die Behörde wäre verpflichtet gewesen, binnen sechs Monaten nach Baubeginn die Abgabe vorzuschreiben und es sei diese Frist nicht eingehalten worden. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der im § 2 Abs. 1 des GehsteigabgabeG festgelegten Frist von sechs Monaten bereits in seinen Erkenntnissen je vom , Zlen. 343/71 und 349/71, ausgesprochen hat, hätte eine so weitreichende Sanktion wie das Erlöschen des Bemessungsrechtes bei Überschreitung dieser Frist ausdrücklich im Gesetz festgelegt werden müssen (vgl. auch das zu § 6a Stmk. BauO 1968 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0001). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
Zusatzinformationen
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Normen | ABGB §354; ABGB §6; AVG §68 Abs1; BAO §21 Abs1; BAO §21 Abs2; BAO §295; BauO Tir 1989 §12 Abs1; BauO Tir 1989 §12 Abs2; BauO Tir 1989 §17; BauO Tir 1989 §19 Abs1; BauO Tir 1989 §19; BauO Tir 1989 §55; GehsteigabgabeG Innsbruck §2 Abs1; LAO Tir 1984 §19 Abs1; LAO Tir 1984 §19; LAO Tir 1984 §220; LAO Tir 1984 §3 Abs1; LAO Tir 1984 §3 Abs3; VwRallg; |
Schlagworte | Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche Wirkung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1995:1992170267.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAE-40438