VwGH vom 27.03.1990, 89/08/0173
Betreff
Wiener Gebietskrankenkasse gegen Landeshauptmann von Wien vom , Zl. MA 14-BZ 86/88, betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: Ing. AB)
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die Beschwerdeführerin hat mit Bescheid vom dem Bescheidadressaten "Ing. AB, Baumeister" als Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG gemäß § 113 Abs. 1 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 1.800,-- vorgeschrieben. Dieser Bescheid wurde an "Ing. AB, Baumeister" durch postamtliche Hinterlegung zugestellt.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der am von der "Baumeister Ing. J. AB Ges.m.b.H." erhobene Einspruch; diesem Einspruch wurde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben und der beeinspruchte Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben.
Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Zwischen den Parteien ist strittig, ob die Beschwerdeführerin bei Verhängung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z. 3 ASVG an die sich aus § 59 Abs. 1 ASVG ergebende Höhe der Verzugszinsen als Untergrenze gebunden ist oder ob die Beschwerdeführerin - wie sie in ihrer Beschwerde behauptet - die Höhe des Beitragszuschlages auch unter Bedachtnahme auf die Höhe der nach § 59 Abs. 2 ASVG herabgesetzten oder nachgesehenen Verzugszinsen festsetzen darf.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
2.1. Unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit des Inhaltes erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, über den Dienstgeber Ing. AB wegen dessen Meldeverstößen einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG in der Höhe von S 1.864,68 (so die Höhe der Verzugszinsen), zumindest aber in der Höhe von S 1.800,-- zu verhängen.
2.2. Nach § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof zwar nur zu prüfen, ob jenes subjektives Recht der Beschwerdeführerin verletzt ist, dessen Verletzung sie behauptet, er ist dabei aber nicht an die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beschwerdegründe gebunden; er hat vielmehr alle für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit im Beschwerdepunkt maßgebenden Gründe zu beachten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. 11525/A).
2.3. Das Recht, gegen einen Bescheid Berufung zu erheben, folgt entweder aus der sich aus § 8 AVG 1950 ergebenden Parteistellung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1238/54, Slg. N.F. 3891/A) oder aus besonderen, ein Rechtsmittelrecht oder eine Parteistellung einräumenden Regelungen der für die Sache maßgebenden Verwaltungsvorschriften (§ 63 Abs. 1 AVG 1950; vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1625, 1626/70, Slg. N.F. 8031/A).
2.4. Aus den, dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten ist zwar ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin die der Verhängung des Beitragszuschlages vorausgegangene Beitragsprüfung bei der "Baumeister Ing. J. AB Gesellschaft m.b.H." durchgeführt hat, sie hat jedoch gleichwohl ihren Bescheid vom an "Ing. AB, Baumeister" adressiert, von dem offenbar auch die Unterschrift auf den im Akt der Beschwerdeführerin befindlichen Beitragsnachweisungsformularen stammt.
Der gegen diesen Bescheid gerichtete Einspruch wurde hingegen von der Ing. AB Ges.m.b.H. erhoben, an welche der Bescheid vom nicht gerichtet war. Im Gegensatz zur Fallgestaltung, die dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 81/11/0119, Slg. N.F. 11625/A, zugrundelag, ist es diesfalls nach dem sich aus den Verwaltungsakten ergebenden Sachverhalt ausgeschlossen, den Einspruch anstelle der Ges.m.b.H. dem Bescheidadressaten Ing. AB zuzurechnen. Während nämlich im Falle des zitierten Erkenntnisses ein Straferkenntnis nach den Vorschriften des VStG 1950 zutreffend gegen den handelsrechtlich Verantwortlichen einer Ges.m.b.H. gerichtet war und das nominell mit Stampiglie der Ges.m.b.H. eingebrachte Rechtsmittel erkennen hat lassen, daß zumindest Zweifel darüber angebracht sein konnten, ob es nicht in Wahrheit vom Geschäftsführer stamme und dieser lediglich den im Geschäftsleben üblichen Brauch folgend, die Stampiglie der Ges.m.b.H. verwendet hatte, wurde im vorliegenden Fall der erstinstanzliche Bescheid nicht gegen den im Gesetz vorgesehenen Adressaten, nämlich dem Dienstgeber im Sinn des § 35 ASVG, sondern gegen eine vom Dienstgeber verschiedene natürliche Person gerichtet. Aus dem Inhalt des erhobenen Rechtsmittels ist nun nicht etwa ersichtlich, daß sich diese natürliche Peron gegen ihre Inanspruchnahme zur Wehr setzt (diesfalls käme der Verwendung von Briefpapier und Stampiglie der Ges.m.b.H. im Sinne des zuvor zitierten Erkenntnisses keine ausschlaggebende Bedeutung zu), sondern, im Gegenteil, daß die juristische Person - den Bescheid fälschlich auf sich beziehend - gegen die Verhängung eines Beitragszuschlages unter Hinweis auf ihre (der juristischen Person) wirtschaftliche Situation Stellung nimmt. Auch der Umstand, daß das Rechtsmittel nicht einmal eine Unterschrift des Ing. AB trägt, bestätigt diese, das Rechtsmittel der Gesellschaft zurechnende Deutung. Die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels würde somit (wieder anders als im Fall des zitierten Erkenntnisses Slg. N.F. 11625) voraussetzen, den erstinstanzlichen Bescheid als gegen die Ges.m.b.H. gerichtet anzusehen. Dies ist aber schon deshalb nicht möglich, weil es die Art der Bescheidadressierung, bei welcher z.B. die Berufsbezeichnung "Baumeister" - wie bei natürlichen Personen üblich - dem Namen nachgestellt wird, die Annahme nicht zuläßt, die Behörde hätte die Ges.m.b.H. gemeint (in deren Firma der Ausdruck "Baumeister" an der Spitze steht) und lediglich den Ausdruck Ges.m.b.H. versehentlich nicht beigefügt. Da eine allfällige Erstreckung der Rechtswirkungen des Bescheides vom auf die Einspruchswerberin auch durch kein Gesetz vorgesehen ist, konnte diese durch den von ihr bekämpften Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt sein. Mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit mangelte es der Einspruchswerberin daher auch an der Rechtsmittellegitimation.
Da die belangte Behörde aber dem Einspruch stattgegeben und den beeinspruchten Bescheid aufgehoben hat, anstatt den Einspruch als unzulässig zurückzuweisen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes zum Nachteil der Beschwerdeführerin belastet, weil sie zur Fällung einer Sachentscheidung nicht befugt war (vgl. das bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 577, viertletzter Absatz zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 1187/62).
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen war.
3. Die Ing. AB Ges.m.b.H. war dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht als mitbeteiligte Partei beizuziehen, weil auch der angefochtene Bescheid nach dem Inhalt der Verwaltungsakten nicht an sie, sondern - nach dem Wortlaut des Rückscheines vom - an Ing. AB zugestellt wurde. Der angefochtene Bescheid ist daher gegenüber der Einspruchswerberin noch nicht erlassen worden; daher wird sie auch durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in ihren Rechten nicht berührt. Es war hingegen Ing. AB dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Mitbeteiligter beizuziehen, weil der ihn belastende erstinstanzliche Bescheid durch den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben wurde und er somit durch die Aufhebung des zuletzt genannten Bescheides in seinen Rechten berührt sein konnte.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206.