VwGH vom 23.11.2000, 95/15/0073

VwGH vom 23.11.2000, 95/15/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der N GmbH in G, vertreten durch Dr. Erich Hämmerle, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Marktstraße 29, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , Zl. 949-2/94, betreffend Gewerbesteuer 1988 bis 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 13.010,-- S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH. Ihr Hauptgesellschafter und Geschäftsführer ist Ing. N.

Im Jahresabschluss der Beschwerdeführerin zum ist das Verrechnungskonto des Ing. N unter den Verbindlichkeiten ausgewiesen; es weist den Saldo von 247.097,-- S auf. Die Gewinn- und Verlustrechnung weist aus dem Verrechnungskonto des Ing. N einen Zinsertrag von 10.190,-- S auf. Eine Beilage zum Jahresabschluss zeigt eine Aufgliederung des Verrechnungskontos in folgende drei Bereiche: Die private Forderung des Ing. N sei von ca. 3,005.000,--S auf ca. 3,977.000,-- S angestiegen, und zwar insbesondere durch das Gutbuchen einer Gewinnausschüttung und der Geschäftsführungskosten. Die Verbindlichkeit des Gewerbebetriebes W des Ing. N sei von ca. 1,553.000,-- S auf ca. 1,925.000,-- S gestiegen, und zwar insbesondere durch von der Beschwerdeführerin geleistete Lohnzahlungen. Schließlich sei die Verbindlichkeit des Ing. N aus seiner Vermietungstätigkeit von ca. 1,832.000,-- S auf ca. 1,805.000,-- S gesunken.

Auch in den Jahresabschlüssen 1989 und 1990 ist das Verrechnungskonto des Ing. N unter den Verbindlichkeiten ausgewiesen; es weist den Saldo von 203.179,-- S bzw. 785.252,-- S auf. Die Gewinn- und Verlustrechnungen 1989 und 1990 weisen aus dem Verrechnungskonto des Ing. N einen Zinsaufwand von 23.688,-- S bzw. 40.570,-- S auf. Aus Beilagen zu den Jahresabschlüssen ist wiederum eine Aufgliederung des Verrechnungskontos ersichtlich.

Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten, den Zeitraum 1988 bis 1990 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung traf der Prüfer die Feststellung, auf dem Verrechnungskonto des Ing. N seien Zinserträge (aus der Verbindlichkeit des Gewerbebetriebes und des Vermietungsbereiches des Ing. N gegenüber der Beschwerdeführerin) einerseits und Zinsaufwendungen (aus der Forderung des Ing. N gegenüber der Beschwerdeführerin) andererseits saldiert und in einem Betrag auf das jeweilige Erfolgskonto verbucht worden. Bei Berechnung der Dauerschuldzinsen iSd § 7 Z. 1 GewStG sei eine Saldierung von Zinsaufwendungen mit Zinserträgen, wie dies der von der Beschwerdeführerin gewählten Vorgangsweise entspreche, nicht möglich. Es sei daher der Betrag der gemäß § 7 Z. 1 GewStG bei Ermittlung des Gewerbeertrages hinzuzurechnenden Dauerschuldzinsen entsprechend zu erhöhen.

In der Berufung gegen die der Ansicht des Prüfers entsprechenden Gewerbesteuerbescheide brachte die Beschwerdeführerin vor, das Verrechnungskonto des Ing. N werde in laufender Rechnung geführt. Die Berechnung der dem Gewerbeertrag hinzuzurechnenden Dauerschuldzinsen habe sich daher (wie bei einem Kontokorrentkonto) nach den niedrigsten Schuldstand über mindestens sieben Tage zu richten. Dieser niedrigste Schuldstand betrage für die Jahre 1988 und 1989 jeweils 0 S, für das Jahr 1990 17.498,-- S. Daran ändere nichts, dass Ing. N bei der Ermittlung seines Einkommens eine Aufteilung des Zinsenbetrages vorgenommen habe, damit in seinem Einzelunternehmen sowie bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Zinsen als Betriebsausgaben bzw Werbungskosten geltend gemacht werden könnten.

In der mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdeführerin vor, die Gebarung auf dem Verrechnungskonto erfolge analog dem Kontokorrentkonto einer Bank. Die Zinsen sei nur als Summe verbucht worden. Es habe nie eine gesonderte Verbindlichkeit oder eine Forderung der Beschwerdeführerin gegenüber dem Einzelunternehmen oder dem Vermietungsbereich des Ing. N gegeben. Die Person des Ing. N könne man nicht "dreiteilen". Die Geschäftsführergehälter seien nicht ausbezahlt worden, sondern hätten über das Verrechnungskonto der Abdeckung der anderen beiden Bereiche gedient. Es sei vermutlich nicht richtig gewesen, wenn Ing. N bei Ermittlung der Einkünfte aus seinem Gewerbebetrieb und aus der Vermietung rechnerische Zinsen aus dem Verrechnungskonto als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geltend gemacht habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Für die Schuld der Beschwerdeführerin gegenüber Ing. N und für die Forderung der Beschwerdeführerin gegenüber dem Einzelunternehmen und dem Vermietungsbereich des Ing. N bestünden jeweils gesonderte wirtschaftliche Grundlagen, was sich daraus ergebe, dass Ing. N bei Ermittlung seiner Einkünfte eine Zuordnung der Zinsen zu den einzelnen Einkunftsarten vorgenommen habe. Für die belangte Behörde sei nicht einsichtig, weshalb eine Steuerberatungskanzlei über Jahre hinweg in den Einkommensteuererklärungen des Ing. N eine unrichtige Vorgangsweise vertreten sollte. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass einer Verrechnung über das Verrechnungskonto der Beschwerdeführerin nur durch die dominierende Stellung des Ing. N erklärbar sei; unter Fremden wären derartige Zahlungsflüsse buchmäßig als Forderungen und Verbindlichkeiten zu erfassen gewesen. Nach Ansicht der belangten Behörde führten daher die von der Beschwerdeführerin über das Verrechnungskonto gebuchten Beträge betreffend das Einzelunternehmen und den Vermietungsbereich des Ing. N nicht zu einer Minderung der gegenüber Ing. N bestehenden Schuld und den daraus resultierenden Dauerschuldzinsen iSd § 7 Z. 1 GewStG.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 7 Z. 1 GewStG werden bei Ermittlung des Gewerbeertrages dem Gewinn aus Gewerbebetrieb u.a. Zinsen für Dauerschulden, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinnes abgesetzt worden sind, wieder hinzugerechnet. Dauerschulden sind Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, in der Buchhaltung wie in der Bilanz sei nur ein einheitliches Verrechnungskonto für Ing. N geführt worden. Eine rechnerische Aufgliederung dieses Kontos sei nur aus die Beschwerdeführerin nicht berührenden Gründen, die die persönliche Steuererklärung des Ing. N beträfen, vorgenommen worden. Beim einheitlichen Verrechnungskonto sei laufend darauf geachtet worden, dass den Entnahmen (Vermietungsbereich und einzelunternehmerischer Bereich des Ing. N) stets Einlagen gegenübergestanden seien, sodass der Saldo des Kontos nie ein größeres Guthaben oder eine größere Schuld aufgewiesen habe. Ing. N habe im Bereich der Vermietung sowie im Bereich seines Einzelunternehmens höhere Ausgaben erzielt als Einnahmen. Er habe daher, um auf dem einheitlichen Verrechnungskonto nicht eine Schuld gegenüber der Beschwerdeführerin begründen zu müssen, "Gehaltsbezüge etc eingelegt". Dies habe dazu geführt, dass er im Jahr 1988 der Beschwerdeführerin Zinsen bezahlt und für die Jahre 1989 und 1990 Zinsgutschriften erhalten habe. Über den gesamten Zeitraum hätte kurzfristig einmal eine Schuld, einmal ein Guthaben bestanden.

Das Kontokorrent führt als Anwendungsfall der freiwilligen Aufrechnung zum gegenseitigen Ausgleich von Forderungen. Soweit sich die Summe der Forderungen auf der einen Seite mit der Summe der Forderungen auf der anderen Seite deckt, kommt es zur Kompensation, ein allfälliger Überschuss wird als Saldo bezeichnet (vgl. Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts I10, 281; Rummel in Rummel, ABGB2, § 1438 Rn 35).

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren - wie nunmehr in der Beschwerde - vorgebracht, dass die Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Ing. N auf einem Konto verbucht würden und es laufend zu einer Aufrechnung komme, sodass nur mehr der jeweilige Saldo als Forderung oder als Schuld bestehe.

Ist es zu einer Aufrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten gekommen, so ist dies auch für die Frage, ob eine Dauerschuld iSd § 7 Z. 1 GewStG vorliegt, von Bedeutung. In einem solchen Fall kommt nur der Saldo als Dauerschuld in Betracht (vgl. Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Tz 7-94).

Die belangte Behörde hat einerseits Schulden der Beschwerdeführerin und andererseits Forderungen der Beschwerdeführerin, jeweils gegenüber Ing. N angenommen, weil Ing. N (durch seinen steuerlichen Vertreter) bei Ermittlung seines Einkommens eine entsprechende Aufgliederung durchgeführt habe und nicht einsichtig sei, weshalb eine Steuerberatungskanzlei über Jahre hinweg eine unrichtige Vorgangsweise vertreten sollte. Die belangte Behörde hat weiters auf die beherrschende Stellung des Ing. N und darauf verwiesen, dass unter Fremden die Verbindlichkeiten und Forderungen getrennt ausgewiesen worden wären.

Der belangten Behörde ist entgegenzuhalten, dass eine kontokorrentmäßige Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten aus verschiedenen Geschäften auch unter einander fremd gegenüberstehenden Personen durchaus üblich ist, was sich etwa aus der Regelung des § 355 HGB ergibt. Es kommt im Beschwerdefall auch nicht auf eine von Ing. N bei Ermittlung seines Einkommens gewählte Vorgangsweise bzw. auf deren Unrichtigkeit an, sondern darauf, ob es zu einer Aufrechnung gekommen ist.

Ob tatsächlich eine Aufrechnung eingetreten ist, hängt davon ab, ob die Beschwerdeführerin mit Ing. N eine Kontokorrentvereinbarung getroffen hat oder ob es zu Aufrechnungserklärungen gekommen ist. Über diese Umstände hat die belangte Behörde aber, weil sie von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist, keine Feststellungen getroffen.

Der angefochtene Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am