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VwGH vom 15.09.1995, 92/17/0247

VwGH vom 15.09.1995, 92/17/0247

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, in der Beschwerdesache 1. des HS, 2. der IS, beide in W, beide vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. R/1-V-8898, betreffend Aufschließungsbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich je zur Hälfte Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Was die Vorgeschichte des gegenständlichen Beschwerdefalles anlangt, wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/17/0015, hingewiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom , Zl. R/1-V-8898, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Aus den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses sind nachstehende Teile hervorzuheben:

Im Hinblick auf die Erteilung der Bewilligung zur Vereinigung der Grundstücke 416/7 und 416/8 KG W zum Bauplatz 416/8 seien die Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages nach § 14 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 (in der Folge Nö BauO 1976), LGBl. 8200-0, vorgelegen. Der Aufschließungsbeitrag sei jedoch als einmalige ausschließliche Gemeindeabgabe im Sinne des § 6 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 konstruiert. Er sei daher jedenfalls nur einmal zu entrichten. Das bedeute, daß nur als Aufschließungsbeiträge zu qualifizierende Geldleistungen an die Gemeinde als Hindernis für die Entstehung des Abgabenanspruches (ganz oder zum Teil) angesehen werden könnten, während Eigenleistungen lediglich anteilig anzurechnen seien (was die mitbeteiligte Gemeinde hier auch getan hat). In Ermangelung eines abgabenrechtlichen Leistungsgebotes wäre die rechtswirksame Entrichtung eines Aufschließungsbeitrages ausgeschlossen. Die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde hätten es unterlassen, Ermittlungen darüber durchzuführen, ob es sich bei den im Jahre 1969 für die Parzellen 416/7 und 416/8 geleisteten Beträgen von je S 2.000,-- um Leistungen im Sinne des im Zahlungszeitpunkt in Geltung stehenden § 14 Abs. 5 der Bauordnung für Niederösterreich 1883 idF LGBl. Nr. 70/1934 gehandelt habe und ob diese Beträge unter dem Titel einer abgabenrechtlichen Leistungspflicht vorgeschrieben worden seien. Bejahendenfalls käme ihnen der Charakter eines Aufschließungsbeitrages zu, der die neuerliche Vorschreibung eines solchen ausschlösse.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde nach Durchführung ergänzender Erhebungen, jedoch ohne deren Ergebnis den Beschwerdeführern zur Kenntnis zu bringen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen, deren Vorstellung neuerlich als unbegründet abgewiesen.

Im Zuge eines Straßenbauprojektes (Verbreiterung der bestehenden Gemeindestraße H), welches auf Wunsch der Anrainer durchgeführt werden sollte, so heißt es in der Bescheidbegründung unter anderem, sei in einer Niederschrift vom festgehalten worden, daß der für die Verbreiterung notwendige Privatgrund von den Anrainern der Gemeinde kostenlos zur Verfügung gestellt würde. Die Anrainer und Interessenten hätten sich bereit erklärt, einen vom Gemeinderat vorgeschlagenen Beitrag in der Höhe von jeweils S 2.000,- pro Grundparzelle zu leisten. Unter diesem Titel seien auch die Zahlungen von je S 2.000,-- für die Grundstücke Nr. 416/7 und Nr. 416/8 erfolgt. Ein Tatbestand im Sinne des § 14 der Bauordnung für Niederösterreich 1883 sei auch nicht vorgelegen. Der Niederschrift sei zu entnehmen, daß die Bezahlung der Kostenbeiträge von jeweils S 2.000,-- vom Gemeinderat vorgeschlagen, nicht jedoch im Sinne einer abgabenrechtlichen Beitragspflicht vorgeschrieben worden sei.

Gegen diesen Bescheid wenden sich die vorliegenden Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof, in denen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, wie auch die mitbeteiligte Gemeinde, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen die Beschwerdeführer, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, ihnen das Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis zu bringen. Der Vorwurf eines Verfahrensfehlers ist zutreffend.

Nach Art. II Abs. 2 A Z. 1 EGVG haben die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung, also auch die belangte Behörde, grundsätzlich das AVG anzuwenden. Für die - hier vorliegende - Abgabenangelegenheit besteht hievon jedoch nach Art. II Abs. 5 EGVG eine Ausnahme. Diese gilt auch im Vorstellungsverfahren, zumal die Niederösterreichische Gemeindeordnung für das Verfahren vor der Vorstellungsbehörde zwar einzelne Anordnungen trifft, jedoch nicht regelt, welches Verfahrensgesetz im Vorstellungsverfahren grundsätzlich anzuwenden ist. Damit ist das AVG aber nicht in Angelegenheiten der Abgaben (auch der Gemeindeabgaben) anzuwenden. Dies führt zu dem Ergebnis, daß mangels besonderer gesetzlicher Bestimmungen auch die Vorstellungsbehörde die Abgabenordnung, und nicht das AVG anzuwenden hatte, wenn - wie hier - das Verfahren vor der Gemeindebehörde Abgaben betraf

( 2683, 2684/80; , 81/17/0019). Demnach hatte die Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren hier nach der auch im gemeindebehördlichen Verfahren anzuwendenden Niederösterreichischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 3400-0 (in der Folge: NÖ AO 1977), vorzugehen. § 148 Abs. 4 NÖ AO 1977 bestimmt, daß den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben ist, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Diese Bestimmung hat die belangte Behörde außer acht gelassen.

Damit allein ist für die Beschwerdeführer jedoch nichts gewonnen. Ein angefochtener Bescheid ist vom Verwaltungsgerichtshof nur aufzuheben, wenn die Behörde bei Einhaltung der außer acht gelassenen Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Der Beschwerdeführer hat die Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof darzulegen.

Nach der gemäß § 63 Abs. 1 VwGG auch den Verwaltungsgerichtshof bindenden Rechtsansicht des aufhebenden Erkenntnisses vom könnten die im Jahre 1969 entrichteten Beträge von je S 2.000,-- nur dann als Zahlung von Aufschließungsbeiträgen gewertet werden, wenn sie unter dem Titel einer abgabenrechtlichen Leistungspflicht vorgeschrieben worden wären. Eine solche Vorschreibung hätte zufolge § 69 Abs. 1 der Niederösterreichischen Landesabgabenordnung in der damals in Geltung stehenden Fassung LGBl. Nr. 142/1963 in Form eines Bescheides, also eines individuellen, hoheitlichen, im Außenverhältnis ergehenden, normativen Verwaltungsaktes (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 379) zu ergehen gehabt. Gemäß § 69 Abs. 2 leg. cit. bedurften abgabenrechtliche Bescheide der Schriftform; zu ihrer Erlassung in erster Instanz wäre gemäß § 38 Abs. 1, § 42 Abs. 3 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung, in der damals geltenden Fassung LGBl. Nr. 369/1965, der Bürgermeister zuständig gewesen. Rechtens hätte ein auf § 14 Abs. 5 der Bauordnung für Niederösterreich 1883 idF LGBl. Nr. 70/1934 gegründeter Bescheid nur erlassen werden können, wenn bei der ABTEILUNG EINES GRUNDES AUF BAUPLÄTZE neue Straßen oder Gassen projektiert worden wären (§ 14 Abs. 1 leg. cit.).

Ausgehend von diesen materiell-rechtlichen Erwägungen wäre für die Beschwerdeführer selbst dann nichts gewonnen, wenn eine Einsichtnahme in das Sitzungsprotokoll des Gemeinderates ergeben hätte, daß dieser "die Bezahlung der Aufschließungskosten von je S 2.000,-- vorgeschrieben" hätte. Zwar käme dem Gemeinderat grundsätzlich Behördenqualität zu, er hätte daher - unzuständigerweise - einen solchen hoheitlichen und normativen Verwaltungsakt setzen können. Die Beschwerdeführer treten der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Zahlungen eine Abteilung eines Grundes auf Bauplätze nicht erfolgt ist, nicht entgegen und behaupten auch nicht, daß der Gemeinderat die behauptete "Vorschreibung" individuell an die Beschwerdeführer bzw. ihre Rechtsvorgängerin im Eigentum des Grundstückes Nr. 416/7 gerichtet habe. Folglich läßt die Beschwerde aber auch jede Darlegung darüber vermissen, wie und in welcher Form der von ihr behauptete Gemeinderatsbeschluß (derartige Beschlüsse können durchaus auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung ergehen) gegenüber den Grundeigentümern im Außenverhältnis als Hoheitsakt (Abgabenbescheid) ergangen sein soll. Gerade dazu wären die Beschwerdeführer aber in Kenntnis der auf die Niederschrift vom gestützten Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach die Bezahlung des Kostenbeitrages von S 2.000,-- pro Grundparzelle den Grundeigentümern vom Gemeinderat lediglich vorgeschlagen worden sei, im Rahmen ihrer Behauptungslast im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gehalten gewesen. Wenn den Grundeigentümern - was für die Qualifikation ihrer späteren Zahlungen als Entrichtung eines Aufschließungsbeitrages Voraussetzung wäre - ein schriftlicher Bescheid (des Gemeinderates) zugestellt worden wäre, so wäre es den Beschwerdeführern unschwer möglich gewesen, diesen Umstand spätestens in ihrer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde darzulegen.

Auch die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des Vorstellungsbescheides liegt nicht vor. Das Vorliegen eines die bereits oben erörterten Voraussetzungen einer Vorschreibung der abgabenrechtlichen Leistungspflicht erfüllenden Rechtsaktes ist dem von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt nicht zu entnehmen. Die Abweisung der Vorstellung der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde erfolgte daher zurecht, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2, 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Die mitbeteiligte Gemeinde hat keinen Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz gestellt.