VwGH vom 04.11.1992, 92/17/0228
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der B in P, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom , Zl. 16015/T 259/5706, betreffend Zuerkennung der Milchlieferverzichtsprämie, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der geschäftsführende Ausschuß des Milchwirtschaftsfonds erließ den mit datierten Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:
"1. Gemäß § 75 Abs. 1 bis 6 Marktordnungsgesetz (MOG 1985, BGBl. Nr. 210/1985 i.d.g.F. in Verbindung mit Artikel VI der MOG-Novelle 1986, BGBl. Nr. 183/1986) und in Verbindung mit Artikel V der MOG-Novelle 1987 (BGBl. Nr. 138/1987) wird Ihnen vom geschäftsführenden Ausschuß des Milchwirtschaftsfonds als Verfügungsberechtigte im Zeitpunkt der Antragstellung über den landwirtschaftlichen Betrieb in P aufgrund Ihres diesbezüglichen Antrages vom die Teilnahme an der Rückkaufaktion genehmigt.
Sie erhalten einen jährlichen Teilbetrag in der Höhe von
S 40.365,60 zahlbar während fünf Jahren.
2. Dem Antrag der B in P, gerichtet auf Zurückziehung des Antrages auf Zuerkennung einer Prämie gemäß § 75 Abs. 1 bis 6 MOG in Verbindung mit Artikel VI der MOG-Novelle 1986, BGBl. Nr. 183/1986 (Rückkaufaktion) wird unter Hinweis auf § 75 Abs. 1 letzter Satz MOG 1985 KEINE Folge gegeben."
Zur Begründung wurde hinsichtlich des Spruchpunktes 1 unter anderem ausgeführt, die Einzelrichtmenge erlösche am 4. auf die Erlassung (=Zustellung) des Bescheides folgenden Monatsersten, in dem die Übernahme ausgesprochen werde. Die Erzeugung von Milch und Erzeugnissen aus Milch - ausgenommen die Haltung einer Milchkuh und die Verwendung der von dieser Kuh stammenden Milch ausschließlich für Zwecke der Selbstversorgung und die Erzeugung und Verwendung von Milch für die Aufzucht von Kälbern in diesem Betrieb - sei zum selben Zeitpunkt auf die Dauer von fünf Jahren einzustellen. Diese Verpflichtung gelte für alle während dieses Zeitraumes über den Betrieb Verfügungsberechtigte. Während dieses Zeitraumes könne für diese Betriebe auch keine Befugnis gemäß § 16 MOG erworben werden.
Zu Spruchpunkt 2 wurde als Begründung u.a. ausgeführt, dem Antragsformular betreffend die Teilnahme an der Rückkaufaktion könne - auf Seite 1 deutlich mit Fettdruck hervorgehoben - entnommen werden, daß der Antragsteller gemäß dem § 75 Abs. 1 MOG bis zur Übernahme durch den Milchwirtschaftsfonds an seinen Antrag gebunden bleibe. Dieses Antragsforumular habe die Beschwerdeführerin selbst unterfertigt. Die vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnete strenge Bindung an den gestellten Antrag lasse nicht zu, eine Rücknahme bereits gestellter Anträge unter Hinweis auf die Verwechslung von Antragsformularen, die Hilfestellung der Eltern bei der Beischaffung von geforderten Bestätigungen, sonstige berufliche Überlastung oder ähnliches Vorbringen zu akzeptieren.
Gegen diesen Bescheid, und zwar erkennbar zur Gänze, wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Mit Erkenntnis vom , G 227-231/90-9 und Folgezahlen (hier: G 62-65/91-7), hat der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes auch aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles unter anderem ausgesprochen, daß Art. II Z. 18 und Art. VI Abs. 2 Z. 2, jeweils des Abschnittes I des Bundesgesetzes vom über Änderungen des Marktordnungsgesetzes 1985 (Marktordnungsgesetz-Novelle 1986) und des Bundesfinanzgesetzes 1986, BGBl. Nr. 183, sowie Art. II Z. 17 des Bundesgesetzes vom , mit dem das Marktordnungsgesetz 1985 geändert wird (Marktordnungsgesetz-Novelle 1987), BGBl. Nr. 138, verfassungswidrig waren. Ferner hat der Verfassungsgerichtshof Art. VI (mit Ausnahme des Abs. 2 Z. 2) des Abschnittes I des Bundesgesetzes vom über Änderungen des Marktordnungsgesetzes 1985 (Marktordnungsgesetz-Novelle 1986) und des Bundesfinanzgesetzes 1986, BGBl. Nr. 183, sowie Art. V des Bundesgesetzes vom , mit dem das Marktordnungsgesetz 1985 geändert wird (Marktordnungsgesetz-Novelle 1987), BGBl. Nr. 138, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt und daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der vorliegende Bescheid stützt sich auf § 75 Abs. 1 bis 6 MOG 1985 "i.d.g.F.", das ist in der Fassung des Art. II Z. 18 der Marktordnungsgesetz-Novelle 1986 bzw. des Art. II Z. 17 der Marktordnungsgesetz-Novelle 1987, und auf Art. VI der Marktordnungsgesetz-Novelle 1986 sowie auf Art. V der Marktordnungsgesetz-Novelle 1987. Nach diesen Gesetzesstellen konnte (unter anderem) der Milchwirtschaftsfonds Einzelrichtmengen von den Berechtigten gegen Entgelt erwerben, wobei nach § 75 Abs. 1 MOG 1985 in der Fassung der Marktordnungsgesetz-Novelle 1986 Verfügungsberechtigte über milcherzeugende Betriebe, die ihre gesamte Einzelrichtmenge gegen Entgelt abzugeben beabsichtigen, dies dem Fonds im Wege des zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebes unter Verwendung von vom Fonds aufzulegenden Formblättern bis 31. Dezember anzuzeigen hatten. Nach dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle waren die Verfügungsberechtigten an ihre Erklärung bis zur Übernahme durch den Fonds gebunden.
Nach dem oben genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sind diese die bescheidmäßigen Absprüche tragenden Bestimmungen im vorliegenden Rechtsfall nicht mehr anzuwenden. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist daher so vorzugehen, als ob bei dessen Erlassung die als verfassungswidrig festgestellten und die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätten (vgl. hiezu u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 90/17/0011, 90/17/0012, und vom selben Tage, Zlen. 90/17/0031 bis 0034). Da auf diese Weise in Verbindung mit dem Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, jegliche den bescheidmäßigen Abspruch tragende Rechtsgrundlage weggefallen ist, ist der angefochtene Bescheid nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen mußte.
Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.