VwGH vom 20.01.2000, 95/15/0039
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der K Gesellschaft b.R. in A, vertreten durch Dr. Melchior Bechter, Rechtsanwalt in Bregenz, Deuringstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , Zl. 854-2/94, betreffend Wiederaufnahme des Gewerbesteuerverfahrens für die Jahre 1987 und 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Unternehmen der Beschwerdeführerin, die einen zugepachteten Steinbruch betreibt, fand im Jahr 1991 eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend die Jahre 1987 bis 1989 statt. In dem hierüber verfassten Bericht wertete der Prüfer die in diesen Jahren von der Beschwerdeführerin bezahlten, von einem "Pachtpreis" von S 25,-- pro Kubikmeter abgebaute feste Kiesmasse berechneten Abbauzinsen in Höhe von S 242.751,-- (1987), S 355.110,-- (1988) und S 1,311.150,-- (1989) als gemäß § 7 Z. 8 GewStG zur Hälfte hinzurechnungspflichtige Miet- und Pachtzinsen, welche er jedoch ergebnismäßig allesamt dem Jahr 1989 zuordnete.
Der gegen den nach Verfahrenswiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO ergangenen Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1989 von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit der unangefochten gebliebenen Berufungsentscheidung vom teilweise Folge, und zwar - soweit für den Beschwerdefall von Belang - mit der Begründung, dass die Vorgangsweise des Prüfers, die in drei Jahren gewinnmindernd geltend gemachten und in halber Höhe hinzuzurechnenden Pachtzinse kumuliert im Jahr 1989 zu berücksichtigen, rechtswidrig gewesen sei. Im Hinblick darauf wurde der Gewerbeertrag des Jahres 1989 um die auf die Jahre 1987 und 1988 entfallenden Hinzurechnungsposten vermindert.
Das Finanzamt nahm hierauf das die Jahre 1987 und 1988 betreffende Verfahren hinsichtlich Gewerbesteuer und Bundesgewerbesteuer samt Zuschlägen unter Hinweis auf die Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung im Jahr 1991 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und rechnete in den damit verbundenen Sachbescheiden die oben genannten Beträge jeweils in halber Höhe gemäß § 7 Z. 8 GewStG dem Gewinn der Beschwerdeführerin hinzu.
Die Beschwerdeführerin berief gegen die Wiederaufnahmsbescheide und beantragte nach abweislicher Berufungsvorentscheidung die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz im Wesentlichen mit der Begründung, dass hinsichtlich der Jahre 1987 und 1988 keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien, "die nicht im Zuge der BP und im Berufungsverfahren der Finanzverwaltung bekannt waren".
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, dass kein Wiederaufnahmsgrund vorläge, träfe nur zu, wenn in den mit den Gewerbesteuerbescheiden für die Jahre 1987 und 1988 abgeschlossenen Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekanntgegeben worden wäre, dass das Finanzamt schon in diesen Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu den in den wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Entscheidungen hätte gelangen können. Davon könne aber aus näher dargelegten Gründen gegenständlich nicht gesprochen werden. Die erwähnte Berufungsentscheidung habe nur das Jahr 1989 betroffen. Bindungs- bzw. Konsumationswirkung für die Jahre 1987 und 1988 komme dieser Entscheidung nicht zu. Es sei auch kein Bescheid, mit dem ausgesprochen worden wäre, dass eine amtswegige Wiederaufnahme der Gewerbesteuerverfahren für die Jahre 1987 und 1988 unterbleibt, erlassen worden. Dass das Finanzamt zwei Jahre benötigt habe, um die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Gewerbesteuer für die Jahre 1987 und 1988 zu erfüllen, stehe einer amtswegigen Wiederaufnahme "mangels einer mit § 303 Abs. 2 BAO vergleichbaren Fristregelung" nicht entgegen. Im angefochtenen Bescheid wird auch begründet, warum die belangte Behörde von ihrem gesetzlich eingeräumten Ermessen zur Wiederaufnahme der abgeschlossenen Verfahren einen positiven Gebrauch gemacht hat.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch die mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug verfügte Wiederaufnahme der in Rede stehenden Verfahren für die Jahre 1987 und 1988 in ihren Rechten verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, bei der "Ausfertigung der berichtigten Gewerbesteuerbescheide 1987 und 1988" seien keine Tatsachen neu hervorgekommen, "die nicht dem Finanzamt bereits durch TZ 23 des BP-Berichtes bekannt waren". Durch einen gesetzwidrigen Verzicht auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Jahre 1987 und 1988 habe das Finanzamt "die Möglichkeit auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens konsumiert". Eine "durch die Verjährung begrenzte Wiederaufnahme des Verfahrens" gemäß § 303 Abs. 4 BAO sei nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c möglich. Das Finanzamt habe auch seine Verpflichtung verletzt, "vor der Veranlagung entsprechende Prüfungen gemäß § 161 BAO vorzunehmen".
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter anderem in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind (also der Abgabenbehörde in diesem Verfahren nicht bekannt waren), und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des abgeschlossenen Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass schon der Prüfer zu Recht festgestellt hat, es seien bei der abgabenbehördlichen Prüfung in den abgeschlossenen Verfahren dem Finanzamt nicht bekannte entscheidungswesentliche Tatsachen neu hervorgekommen. Damit lagen aber entgegen dem Beschwerdestandpunkt die Rechtsvoraussetzungen für die Streitjahre vor. Daran trat auch durch den Umstand, dass nach dem Abschluss der abgabenbehördlichen Prüfung rund zwei Jahre verstrichen, ehe die Wiederaufnahme verfügt wurde, keine Änderung ein. Auch besteht nicht der geringste Anhaltspunkt für den von der Beschwerdeführerin behaupteten Verzicht des Finanzamtes auf die strittige Wiederaufnahme. Weder wurde nach der Aktenlage ein einen solchen Inhalt habender Bescheid erlassen - die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom kommt hiefür nicht in Betracht, weil sie nach ihrem gesamten Inhalt nur das Jahr 1989 betrifft - noch behauptet die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines außerhalb der Abgabenverfahren gesetzten Rechtsaktes dieses Inhaltes. Es ist daher auch unerfindlich, wodurch die Möglichkeit zur Wiederaufnahme der Verfahren im Beschwerdefall "konsumiert" sein soll. Da der Tatbestand des § 303 Abs. 4 BAO auch dann erfüllt ist, wenn die Abgabenbehörde von für sie später neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismitteln aus ihrem Verschulden im abgeschlossenen Verfahren keine Kenntnis hatte (vgl. hiezu Ritz, BAO-Kommentar, Rz 16 zu § 303, sowie das dort zitierte hg. Erkenntnis), kann auch mit dem Argument, das Finanzamt hätte schon seinerzeit seine Pflicht zur Prüfung der Abgabenerklärungen verletzt, nichts für die Beschwerde gewonnen werden.
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am