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VwGH vom 18.03.1994, 92/17/0200

VwGH vom 18.03.1994, 92/17/0200

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 7 - 48 Do 14/3 - 1992, betreffend Fremdenverkehrsabgabe für das Jahr 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der Gemeinde F gemäß "§ 1 und § 9a bis § 9d des Steiermärkischen Fremdenverkehrsabgabegesetzes, LGBl. Nr. 54/1980, in der Fassung der Gesetze LGBl. Nr. 24/1982, 55/1984 und 23/1990" (Stmk FrAbgG), dem Beschwerdeführer als grundbücherlichem Eigentümer der Ferienwohnung, die nicht den ordentlichen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311) bilde, mit der Anschrift F, V 13, für das Jahr 1991 die Fremdenverkehrsabgabe mit S 1.300,-- vor.

In der dagegen erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer im wesentlichen die Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht für die Bescheidgrundlagen seitens der Abgabenbehörde erster Instanz.

Im Zuge des Berufungsverfahrens erging seitens der Steiermärkischen Landesregierung mit Vorhalt vom an den Beschwerdeführer die "Einladung", den entscheidungsrelevanten Sachverhalt anhand nachstehend angeführter Merkmale für den ordentlichen Wohnsitz aufzuklären:

"1.) überwiegende Inanspruchnahme der Wohnung in ...

2.) Arbeitsplatz des Berufungswerbers (seiner Ehegattin) in ...

3.) Antritt des täglichen Weges zum Arbeitsplatz von der Wohnung in ...


Tabelle in neuem Fenster öffnen
4.)
Schulbesuch (Kindergartenbesuch) der Kinder in ...
5.)
Geförderte Wohnung in ...
6.)
Gemeinsamer Familienverband in ...
7.)
Polizeiliche Meldung in ...
8.)
Eintragung in Wählerevidenz in ...
9.)
Kraftfahrzeugkennzeichen ...

10.) Wohnsitzfinanzamt (Lohnsteuerkarte) in ..."

In seinem daraufhin erstatteten Schriftsatz vom brachte der Beschwerdeführer vor, es stehe jedem Staatsbürger frei, zu irgendeinem Zeitpunkt zu entscheiden, wo sein "gewöhnlicher Aufenthalt" bestehe. Ebenso verhalte es sich mit Eintragungen in der Wählerevidenz. Das Gebäude in F sei das Elternhaus des Beschwerdeführers und werde von ihm als Wohn- und zu wechselnden Zeiten als Arbeitsstätte genützt, weil er in der Reisebranche, seine Gattin als Ärztin in Ausbildung tätig sei. Die Kinder müßten, auch wenn die Eltern anderes wünschten, schon deshalb in W "untergebracht" werden, weil die Gemeinde F keine angemessenen Kindergartenplätze stellen könne. Alle verfügbare Zeit werde jedenfalls in freier Natur verbracht, "auch um die Bindung zur Heimat und dem Feuerwehrfest zu erhalten".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Steiermärkische Landesregierung die Berufung als unbegründet ab. Sie führte hiezu im wesentlichen aus, der von der Abgabenbehörde erster Instanz als erwiesen angenommene Sachverhalt, wonach das Objekt V 13 nicht den ordentlichen Wohnsitz einer Person bilde, werde in der Berufungsschrift nicht bekämpft. Aus der im § 9c Abs. 1 zweiter Satz Stmk FrAbgG der Partei auferlegten Behauptungs- und Beweispflicht ergebe sich eine Einschränkung der Amtswegigkeit; es liege bei der Partei, initiativ zu werden, entsprechende "Anhalte" zu bieten und erforderlichenfalls zweckdienliche Beweisanträge zu stellen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Schriftsatz vom erschöpfe sich in der bloßen Anmerkung, daß es jedem Staatsbürger freistehe, zu irgendeinem Zeitpunkt zu entscheiden, wo eben dann sein "gewöhnlicher Aufenthalt" bestehe; ebenso stehe es dem Bürger frei, dort in die Wählerevidenz eingetragen zu sein, wo es für ihn zweckmäßig sei.

Hiezu führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiters aus, die ihr obliegende Verpflichtung zur vollständigen Ausschöpfung aller objektiv tauglichen Beweismittel finde dort ihre Grenzen, wo der entscheidungsrelevante Sachverhalt nur unter Mitwirkung der Partei geklärt werden könne. Eine nachträgliche Verfahrensrüge des Abgabepflichtigen wäre jedenfalls unbegründet, weil dem darauf gerichteten Aufklärungsverlangen der Berufungsbehörde nicht entsprochen worden sei. Die belangte Behörde habe im übrigen nicht finden können, daß die Vorinstanz zu einer unrichtigen Beurteilung gelangt wäre, wenn sie davon ausgegangen sei, daß sich der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Beschwerdeführers in W befinde. Mitglieder einer Familie - und nichts anderes sei dem Akteninhalt zu entnehmen - hätten in der Regel einen gemeinsamen Wohnsitz (Familienwohnsitz). Insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers, wonach dessen Kinder in W "untergebracht seien", erhelle, daß der Familienwohnsitz gegenständlich in W gegeben sei. Bewohnten diese Familienmitglieder gemeinsam zwei Wohnsitze abwechselnd, werde der ordentliche Wohnsitz in der Regel jener Ort sein, von dem aus Familienmitglieder die überwiegende Zeit des Jahres den Weg zur Arbeitsstätte oder zur Schule (auch Kindergarten) anträten. Eine am Zweck des genannten Gesetzes orientierte Auslegung erlaube es in zumindest vertretbarer Weise, der Umschreibung in § 9a Abs. 2 leg. cit "... für nichtberufliche Zwecke ..." die Bedeutung beizulegen, daß der vom Abgabepflichtigen erbrachte Nachweis einer beruflichen Nutzung nur dann "ein die Abgabepflicht hintanhaltender" sei, wenn das betreffende Objekt überwiegend der Ausübung eines Berufes diene bzw. Ausstattungsmerkmale aufweise, die auf eine Berufsausübung hindeuteten. Weder sei vom Beschwerdeführer eine überwiegende berufliche Nutzung des in Rede stehenden Objektes behauptet worden noch erscheine es gerechtfertigt, die Unterkunftnahme im Zusammenhang mit einer Tätigkeit in der Reisebranche als Nutzung zu beruflichen Zwecken zu qualifizieren, wenn ausschließlich das Merkmal der Nächtigung dafür spreche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtvorschreibung von Fremdenverkehrsabgabe verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Stmk FrAbgG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 23/1990 lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 1

In der Steiermark wird eine Fremdenverkehrsabgabe von Nächtigungen und eine Fremdenverkehrsabgabe von Ferienwohnungen eingehoben. Die Fremdenverkehrsabgabe von Nächtigungen ist eine gemeinschaftliche Landesabgabe im Sinne des § 6 Z. 4 lit. a, die Fremdenverkehrsabgabe von Ferienwohnungen eine ausschließliche Gemeindeabgabe im Sinne des § 6 Z. 5 des Finanzverfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45.

...

§ 9a

(1) Für Ferienwohnungen ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine jährliche Abgabe zu leisten.

(2) Eine Ferienwohnung ist eine Wohnung oder eine sonstige Unterkunft in Gebäuden oder baulichen Anlagen, die nicht der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes dient, sondern überwiegend zu Aufenthalten während der Freizeit, des Wochenendes, des Urlaubes, der Ferien oder auch nur zeitweise für nichtberufliche Zwecke als Wohnstätte dient.

(3) Abgabepflichtig ist der grundbücherliche Eigentümer der Ferienwohnung, Miteigentümer sind Gesamtschuldner gemäß § 4 Steiermärkische Landesabgabenordnung (LGBl. Nr. 158/1963 in der jeweils geltenden Fassung).

...

§ 9c

(1) Eigentümer bzw. Miteigentümer von Häusern und Wohnungseigentümer haben als Abgabepflichtige der Gemeinde unter Angabe der Größe der Nutzfläche jede Wohnung mitzuteilen, die nicht den ordentlichen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311) einer Person bildet. Derartige Wohnungen gelten als Ferienwohnungen im Sinne des § 9a Abs. 2, sofern der Abgabepflichtige nicht das Gegenteil nachweist.

..."

Gemäß § 5 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, ist der ordentliche Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen. Hiebei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben.

Vorweg sei bemerkt, daß auch ein Haus als "sonstige Unterkunft" im Sinne des § 9a Abs. 2 und damit als Ferienwohnung in Betracht kommt (vgl. zur ähnlichen Rechtslage nach § 3 Abs. 3 des Tiroler Aufenthaltsgesetzes, LGBl. Nr. 23/1976, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/17/0252, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Feststellung der belangten Behörde, daß das Objekt V 13 deswegen nicht den ordentlichen Wohnsitz des Beschwerdeführers bilde, weil dieser von der Abgabenbehörde erster Instanz als erwiesen angenommene Sachverhalt in der Berufungsschrift nicht bekämpft worden sei, sei aktenwidrig; er habe in der Vorhaltsbeantwortung vom ausgeführt, das Gebäude in F werde von ihm als Wohn- und zu wechselnden Zeiten als Arbeitsstätte genützt.

Hiebei läßt der Beschwerdeführer - wie vor ihm schon die belangte Behörde - außer acht, daß der Frage des ordentlichen Wohnsitzes im Beschwerdefall KEINE Bedeutung zukam, weil dieses Tatbestandsmerkmal NUR im Zusammenhang mit der Beweislastregel des § 9c Abs. 1 zweiter Satz Stmk FrAbgG eine Rolle spielt. Die genannte Beweislastregel greift jedoch (arg.: "DERARTIGE Wohnungen ...") nur dann ein, wenn der Eigentümer etc. die betreffende Wohnung der Gemeinde als eine solche gemeldet hat, die nicht den ordentlichen Wohnsitz einer Person bildet. Daß eine solche Meldung im Beschwerdefall erfolgte, wurde nicht festgestellt und ist auch nicht aktenkundig. Alle Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur Frage des ordentlichen Wohnsitzes gehen daher ins Leere; vielmehr war das Vorliegen einer Ferienwohnung ausschließlich nach den Merkmalen des § 9a Abs. 2 zu beurteilen.

Die belangte Behörde hätte daher, um zu einer Bejahung der Abgabepflicht des Beschwerdeführers zu gelangen, feststellen müssen, daß das gegenständliche Objekt nicht der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes dient, sondern überwiegend zu Aufenthalten während der Freizeit, des Wochenendes, des Urlaubes, der Ferien oder auch nur zeitweise für nichtberufliche Zwecke als Wohnstätte dient. Feststellungen hierüber finden sich, wie der Beschwerdeführer zutreffend rügt, im angefochtenen Bescheid nicht. Mangels Anwendbarkeit der Beweislastregel des § 9c leg. cit. (siehe oben) ist auch der Hinweis der belangten Behörde verfehlt, daß ihrem Aufklärungsverlangen seitens des Beschwerdeführers nicht entsprochen worden sei; das heißt mit anderen Worten, daß es der Behörde in einem so gelagerten Fall verwehrt ist, ohne hinreichende Feststellungen für das Vorliegen der diesbezüglichen Tatbestandsvoraussetzungen von der Existenz einer Ferienwohnung auszugehen.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage hinsichtlich der Beweislastregel des § 9c Abs. 1 zweiter Satz Stmk FrAbgG es unterlassen hat, die entscheidungswesentlichen Feststellungen zu treffen, war ihr Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Bemerkt sei noch, daß auch die Ausführungen der belangten Behörde zum Tatbestandsmerkmal "auch nur zeitweise für nichtberufliche Zwecke" in § 9a Abs. 2 Stmk FrAbgG verfehlt sind. Der Beschwerdeführer hat keineswegs behauptet, daß das gegenständliche Objekt AUSSCHLIEßLICH für berufliche Zwecke als Wohnstätte dient (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 92/17/0071). Ebensowenig hat der Beschwerdeführer (wie die belangte Behörde anzunehmen scheint) eine Behauptung des Inhaltes aufgestellt, die Unterkunftnahme bzw. bloße Nächtigung im Zusammenhang mit einer Tätigkeit in der Reisebranche sei als Nutzung zu beruflichen Zwecken zu qualifizieren.

Der Vollständigkeit halber sei schließlich bemerkt, daß der Verwaltungsgerichtshof die Bedenken des Beschwerdeführers gegen die hier anzuwendenden Bestimmungen aus dem Blickwinkel eines Verstoßes gegen Art. 18 B-VG nicht teilt (vgl. VfSlg. 9609/1983).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebühren nur im erforderlichen Ausmaß zugesprochen werden können.