VwGH vom 25.02.2002, 97/17/0534
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Marktgemeinde Matzen-Raggendorf, vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-112-16/2-97, betreffend Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: HP in A), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Marktgemeinde hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde der mitbeteiligten Partei den Jahresbetrag für Kanalbenützungsgebühren in der Höhe von S 3.502,-- zuzüglich Umsatzsteuer vor.
Die Mitbeteiligte erhob Berufung und führte aus, dass die Ermittlung der Berechnungsfläche hinsichtlich des Schmutzwassers falsch erfolgt sei, da nur das Erdgeschoß mit einer Fläche von 94,60 m2 angeschlossen sei. Darüber hinaus sei die Ermittlung der Berechnungsfläche für das Regenwasser verfehlt, da das Wohngebäude laut Bauplan eine verbaute Fläche von 95,60 m2 aufweise. Da die Grundstücksfläche 170 m2 betrage, sei die restliche Fläche gemäß § 5 des NÖ Kanalgesetzes 1977 mit 75,40 m2 heranzuziehen.
Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom wurde der Berufung keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt. Zum Vorbringen der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der Berechnungsfläche wird ausgeführt, dass der erstinstanzliche Bescheid auf einem Erhebungsbogen zur Kanalgebührenbemessung vom fuße. Demnach seien für die Ermittlung der Berechnungsfläche die ausgewiesenen 125,20 m2 heranzuziehen. Da die mitbeteiligte Partei keine Anhaltspunkte für eine Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten in ihrer Berufung dargelegt habe, sei die Kanalbenützungsgebühr in der ausgewiesenen Höhe zu Recht vorgeschrieben worden.
Die mitbeteiligte Partei erhob Vorstellung, in der sie darauf hinwies, dass nur ein Geschoß an die Kanalanlage angeschlossen sei, zumal das Kellergeschoß nur über eine Wasserentnahmestelle verfüge. Auch sei die Angabe, dass die verbaute Fläche nur 94,60 m2 aufweise, von der Gemeinde zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Auch sei festzuhalten, dass das Regenwasser nur von einer Dachfläche im Ausmaß von 47,32 m2 in den Kanal geleitet werde, während der Rest im Erdreich auf der Gartenseite versickere. Wenn der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde in der Berufungsentscheidung ausführe, dass die mitbeteiligte Partei keine Anhaltspunkte für eine Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten angeführt habe, so sei dem zu widersprechen, da sie gerade deshalb Berufung erhoben habe, um diese Differenzen zu beseitigen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den bei ihr bekämpften Berufungsbescheid auf und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, dass die maßgebliche Kanalabgabenordnung der beschwerdeführenden Marktgemeinde am novelliert worden sei. Im Zuge dieser Novelle sei erstmals ein Einheitssatz für die Schmutzwasserentsorgung festgelegt worden. Aus § 9 dieser Kanalabgabenordnung sei ersichtlich, dass diese mit dem Monatsersten rechtswirksam werde, der der Kundmachungsfrist folge. Der Einheitssatz für die Regenwasserentsorgung sei nach wie vor mit S 4,-- festgesetzt. Aus diesen Überlegungen folge, "dass nach dem für den Bereich der Regenwasserentsorgung im Verhältnis zur ursprünglichen Verordnung aus dem Jahre 1992 keine Änderung eingetreten ist, diese dem maßgeblichen Bescheid des Bürgermeisters vom rechtsrichtig festgesetzt worden ist, zumal auch die Verordnung aus dem Jahre 1992 von einem Regenwassereinheitssatz in der Höhe von S 4,-- ausgegangen ist".
Hinsichtlich der Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr für die Schmutzwasserentsorgung sei festzuhalten, dass der Einheitssatz von S 22,--/m2 Berechnungsfläche in der Verordnung vom zum ersten Mal normiert worden sei. Daraus folge, dass die Abgabenbehörde erster Instanz rechtsrichtig eine Jahresgebühr ab vorgeschrieben habe, zumal die Kanalabgabenordnung frühestens am in Kraft getreten sei.
Allerdings hätten es die Abgabenbehörden erster und zweiter Instanz unterlassen, den Einwand der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der Größe der Berechnungsfläche zu prüfen. Der Verweis auf den Erhebungsbogen vom sei insoferne verfehlt, als im Zuge der Einbringung der Berufungsschrift darauf hingewiesen worden sei, dass die Berechnungsfläche offensichtlich geringer sein dürfte. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hätte diesen Einwand in jedem Fall prüfen und gegebenenfalls entsprechende ergänzende Ermittlungen durchführen müssen. Durch den Umstand, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz dieses Vorbringen hinsichtlich der Berechnungsfläche nicht entsprechend berücksichtigt habe, sei die Vorstellungswerberin in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Durchführung eines dem NÖ Kanalgesetz 1977 entsprechenden Verfahrens verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Gemeinde, in der sich die beschwerdeführende Marktgemeinde gegen die Rechtsauffassung der belangten Behörde bezüglich der Feststellung der Berechnungsfläche wendet. Der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde habe sich in der Begründung des Bescheides vom auf die Erhebung der Geschoßfläche von 125,29 m2 durch einen Zivilingenieur für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft gestützt und dessen Erhebungen seien von der mitbeteiligten Partei unterzeichnet worden. Die Mitbeteiligte habe in ihrer Berufung keine Beweismittel für eine Änderung der Berechnungsfläche vorgelegt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die mitbeteiligte Partei hat im Abgabenverfahren vor den Gemeindebehörden darauf hingewiesen, dass die sich aus der Skizze, die dem Erhebungsbogen vom angeschlossen war, ergebende Fläche nicht der Berechnung der Abgabe zu Grunde gelegt werden dürfe, weil in dieser Fläche Grundflächen enthalten seien, die nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften bei der Berechnung der Berechnungsfläche außer Betracht zu bleiben hätten. Darüber hinaus hat die mitbeteiligte Partei Einwände gegen die Berechnung insofern erhoben, als sie darauf hingewiesen habe, dass das Kellergeschoß nicht angeschlossen sei.
§ 5 Niederösterreichisches Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230, in der Fassung vor der 5. Novelle LGBl. Nr. 8230-5, die gemäß ihrem Art. II am in Kraft getreten ist, lautete auszugsweise:
"§ 5
Kanalbenützungsgebühren
(1) Für die Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine Kanalbenützungsgebühr für jedes Jahr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.
(2) Die Kanalbenützungsgebühr setzt sich aus einem Anteil für die Regenwasserentsorgung und aus einem Anteil für die Schmutzwasserentsorgung zusammen.
(3) Der Anteil für die Regenwasserentsorgung errechnet sich aus dem Produkt der Regenwasserberechnungsfläche und dem Einheitssatz. Die Regenwasserberechnungsfläche ergibt sich aus der Summe der bebauten Flächen der an die Kanalanlage anzuschließenden Gebäude, vermehrt um 15 v.H. der unbebauten Fläche.
...
(5) Der Anteil für die Schmutzwasserentsorgung errechnet sich aus dem Produkt der Schmutzwasserberechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Anteils. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn ...
...
(7) Die Schmutzwasserberechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen."
§ 5 Niederösterreichisches Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230, in der Fassung der 5. Novelle LGBl. Nr. 8230-5, die gemäß ihrem Art. II am in Kraft getreten ist, lautet auszugsweise:
§ 5
Kanalbenützungsgebühr
(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.
(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.
(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.
...
(6) Wenn der Beginn der Abgabepflicht während des Jahres eintritt, ist die Gebühr für dieses Jahr nur in dem verhältnismäßigen Anteil der Jahresgebühr zu entrichten. Dasselbe gilt sinngemäß im Falle einer Veränderung der bisherigen Gebühr."
Art. II Abs. 3 der Novelle LGBl. 8230-5 lautet:
"(3) Rechtskräftige Bescheide über die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr nach den bisherigen Vorschriften bleiben bis zu einer neuerlichen Vorschreibung nach den Bestimmungen des Art. I unberührt. Anhängige Verfahren sind nach den bisherigen Vorschriften zu Ende zu führen."
Die Fassung des Kanalgesetzes durch die Novelle LGBl. 8230-5 trat am , also während der Anhängigkeit des Berufungsverfahrens über die Berufung der mitbeteiligten Partei in Kraft.
Gemäß Art. II Abs. 3 der 5. Novelle sollten rechtskräftige Bescheide über die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr nach den bisherigen Vorschriften bis zu einer neuerlichen Vorschreibung nach den Bestimmungen in der Fassung der Novelle unberührt bleiben. Anhängige Verfahren waren nach der bis zum geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Wie im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/17/0039, mit näherer Begründung dargelegt wird, bedeutet Art. II Abs. 3 der Novelle 8230-5 lediglich, dass für Abgabenzeiträume bis zum bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühr die frühere Rechtslage zugrunde zu legen ist. Für die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr bedeutet dies, dass für die Zeit ab dem die neue Rechtslage heranzuziehen ist. Auch nach dieser kommt es aber darauf an, ob es sich um angeschlossene Geschoßflächen handelt. Insofern hat die Rechtslage durch die Novelle 1996 keine Änderung erfahren.
Da sowohl nach der Rechtslage bis zum als auch nach der Rechtslage ab dem nur angeschlossene Geschoßflächen in die Berechnung miteinzubeziehen sind, trifft die Rechtsauffassung der belangten Behörde zu, dass die Gemeindebehörden auf Grund des Vorbringens der mitbeteiligten Partei gehalten gewesen wären, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren § 3 Abs. 2. § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 betrifft nicht die Mitbeteiligten.
Wien, am