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VwGH vom 20.01.2000, 95/15/0031

VwGH vom 20.01.2000, 95/15/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des G T in M, vertreten durch Dr. Gerhard Folk und Dr. Gert Folk, Rechtsanwälte in Kapfenberg, Lindenplatz 4a, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 1282/94, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Dienstnehmer des ORF, Schauspieler und Autor. In seinen Steuererklärungen für die Jahre 1981 bis 1984 hatte er negative Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung seines Hauses (Zweitwohnsitz) in St O. erklärt. Bei einer abgabenbehördlichen Prüfung für diese Jahre wurden diese Einkünfte mangels der Möglichkeit, mit der Vermietung langfristig Überschüsse zu erzielen, nicht als Einkünfte iS des § 2 Abs. 3 Z. 6 EStG anerkannt. Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ in den wiederaufgenommenen Verfahren entsprechend geänderte Sachbescheide. Mit seiner von der belangten Behörde später abgewiesenen Berufung gegen die Wiederaufnahmsbescheide verband der Beschwerdeführer den auf § 212a BAO gestützten, vom Finanzamt in der Folge bewilligten Antrag auf Aussetzung der Einhebung des sich auf Grund der abgabenbehördlichen Prüfung ergebenden Mehrergebnisses an Abgaben in Höhe von S 928.416,--.

Mit Bescheiden vom 19. April, 6. und setzte das Finanzamt sodann Aussetzungszinsen in Höhe von insgesamt S 535.541,-- fest.

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm Aussetzungszinsen für die Jahre 1989 bis 1993 in Höhe von S 485.462,- gemäß § 236 BAO durch Abschreibung nachzusehen. Begründend führte er aus, dass er bei einem Abgabenrückstand von S 1,161.718,-- über keine liquiden Mittel verfüge und seine Besitzungen bis zum Höchstmaß belehnt seien. Es sei ihm daher nicht möglich, "den gesamten Betrag überhaupt und sofort zu bezahlen". Selbst aus dem laufenden Einkommen könne der im Hinblick auf die lange Dauer des Berufungsverfahrens entstandene "enorme Rückstand" nur langfristig gemindert werden.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mangels Vorliegens einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ab. Eine persönliche Unbilligkeit sei nicht gegeben, weil der Abgabenrückstand zwar "nicht in Kürze", wohl aber langfristig abgestattet werden könne. Ein sachliche Unbilligkeit sei nicht behauptet worden und liege im Hinblick darauf, dass es sich beim antragsgegenständlichen Rückstand um Zinsen für "uralte" berufungsverfangene Abgaben handle, auch nicht vor.

In seiner dagegen erhobenen Berufung gelangte der Beschwerdeführer anhand einer Aufstellung über seine positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und über seine Verluste aus selbständiger Arbeit nach Abzug der Lohnsteuer von S 414.416,-- und der Einkommensteuervorauszahlungen von S 102.000,-- sowie anderer wesentlicher Ausgabenposten im Jahr 1993 (u.a. für Bausparkassendarlehen und für "Landesdarlehen Wohnung") zu dem Schluss, dass ihm für die monatliche Lebensführung rd S 22.000,-- verblieben. "Ohne Kreditaufnahme und ohne Abschreibung der Aussetzungszinsen durch Nachsicht" sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage, die restlichen Steuerschulden von S 676.256,-- "binnen kurzer Zeit" zu begleichen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte sie nach Darstellung der Sach- und Rechtslage im Wesentlichen aus, dass wegen der vom Beschwerdeführer selbst angeführten Möglichkeit, den Abgabenrückstand zwar nicht sofort, aber längerfristig abzustatten, eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen sei, weswegen es keiner Abgabennachsicht bedürfe. Die Abstattung werde zusätzlich durch den Wegfall der erwähnten Einkommensteuervorauszahlungen nicht unwesentlich erleichtert. Eine sachliche Unbilligkeit liege auch nicht etwa deswegen vor, weil die Aussetzungszinsen noch mit dem erst später abgesenkten Zinssatz berechnet worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist dabei tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde - wie im Beschwerdefall - die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Unbilligkeit der Einhebung setzt im allgemeinen voraus, daß die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben.

Die in § 236 Abs. 1 BAO bezogene Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete, wobei es allerdings nicht unbedingt der Gefährdung des "Nahrungsstandes" (bei natürlichen Personen), besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedarf, sondern es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Sachlich bedingte Unbilligkeit hingegen ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodaß es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Im Nachsichtsverfahren ist es Sache des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluß jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die begehrte Nachsicht gestützt werden kann (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/15/0054, und die dort zitierten Vorerkenntnisse).

Die Beschwerde bringt unter dem Gesichtspunkt der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, im angefochtenen Bescheid sei der "festgestellte Sachverhalt einer unrichtigen Gesetzesanwendung unterworfen" worden. Eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liege nicht erst vor, wenn der Abgabepflichtige "aufgrund der hohen Steuerzahlungen ein Insolvenzverfahren einleiten muss bzw. finanziell endgültig ruiniert ist", wovon die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid offensichtlich ausgehe. Vielmehr erscheine seine wirtschaftliche Existenz durch eine möglichst rasche Einbringung gefährdet. Der angefochtene Bescheid enthalte einen Widerspruch, "weil einerseits die Abgabennachsicht durch Hinweis auf die Möglichkeit der Erlangung von Zahlungserleichterungen abgelehnt wird und

andererseits ..ausgeführt wird, dass die Abstattung des Abgabenrückstandes in Form von Zahlungserleichterungen (Raten) - wenn auch längerfristig - nicht unwesentlich erleichtert wird". Auch liege eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vor.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Der Beschwerdeführer hat nämlich im Verwaltungsverfahren selbst keine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz behauptet, sondern stets nur geltend gemacht, die vollständige Abgabenentrichtung sei ihm nicht binnen kurzer Zeit, wohl aber langfristig möglich. Dieses Bild hat er auch durch die Darstellung seiner monatlichen Einkünfte und der darin angeführten Ausgaben vermittelt. Der Beschwerdeführer stellt auch nicht in Abrede, dass ihm das Finanzamt nach ursprünglicher Ablehnung seines Ratenansuchens dann sehr wohl die Abstattung seines Abgabenrückstandes in Raten bewilligt hat. Dass sich die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers durch den Wegfall der Einkommensteuervorauszahlungen ab dem Jahr 1994 günstiger darstellte als noch nach seiner Aufstellung, läßt keinen Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Bescheides erkennen. Da der Beschwerdeführer auch niemals die Notwendigkeit zur Vermögensverschleuderung behauptet hat, liegt somit keine wirtschaftliche Notlage oder finanzielle Bedrängnis des Beschwerdeführers vor, derentwegen von einer persönlich bedingten Unbilligkeit der Abgabeneinhebung gesprochen werden könnte bzw. müßte. Dass die Einhebung von Aussetzungszinsen im Hinblick darauf, dass diese Zinsen durch den vom Abgabepflichtigen eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben ausgelöst wurden, nicht sachlich unbillig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen (vgl. hiezu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 97/13/0237, und die dort zitierten Vorerkenntnisse). Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt einer Herabsetzung der Höhe des Zinssatzes für spätere Aussetzungszeiten auf Grund geänderter Rechtslage (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/14/0010, und vom , Zl. 97/17/0400). Damit erweist sich auch die damit im Zusammenhang stehende Verfahrensrüge als unbegründet.

Da mit der behaupteten langen Dauer von Abgabenverfahren ebenfalls kein wesentlicher Fehler im Nachsichtsverfahren betreffend Aussetzungszinsen dargetan wird, erweist sich der angefochtene Bescheid sohin zur Gänze als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit. Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am