VwGH vom 18.12.1996, 95/15/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Vereines A in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B 150-10/94, betreffend Umsatzsteuer 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erzielt Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten. Bei Festsetzung der Umsatzsteuer für 1992 wich das Finanzamt insofern von der Abgabenerklärung ab, als es die Höhe der Umsätze aus dem Betrieb der Automaten durch Anwendung eines Faktors von 1,8 auf den Kasseninhalt dieser Geräte schätzte.
In der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid begehrte die Beschwerdeführerin, daß die Umsätze aus den Geldspielgeräten in Höhe des Kasseninhaltes, also ohne Vornahme eines Zuschlages angesetzt werden. Zur Begründung führte sie aus, in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes sei eindeutig festgestellt worden, daß bei Münzgewinnspielgeräten ausschließlich der Nettokasseninhalt die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer darstelle.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Vor dem Beitritt Österreichs zu Europäischen Union komme einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes keine Bedeutung zu.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Begehren, bei Ermittlung der Höhe der Umsätze nicht über den Kasseninhalt der Geldspielautomaten hinauszugehen. Zur Begründung brachte sie vor, es sei unverständlich, daß Österreich einerseits einen Beitritt zur Europäischen Union anstrebe, andererseits aber europaweite Entscheidungen einfach negiere.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Aus § 4 Abs. 5 UStG 1972 in der Fassung des zweiten AbgÄG 1977, BGBl. 645, ergäbe sich, daß jedes Entgelt für jedes einzelne Spiel zur Umsatzsteuerbemessungsgrundlage zähle. Gewinne ein Spieler und könne er mit dem Gewinn am Automaten ein neues Spiel ("Freispiel") tätigen, so werde aufgrund der neuerlichen Inbetriebnahme des Geldspielautomaten ein neuer Umsatz ausgeführt; der geldwerte, auch in anderer Weise (zur Konsumation) verwendbare Gewinnanspruch des Spielers bilde das Entgelt für diesen Umsatz. Daraus folge, daß zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sowohl sämtliche in den Automaten eingeworfenen Bargeldbeträge ("Bareinwurf") ungeachtet einer allfälligen Auszahlung von Gewinnen als auch die Freispielumsätze zählten. Die Grundlagen für die Abgabenerhebung seien gemäß § 184 BAO zu schätzen, soweit sie die Abgabenbehörde nicht ermitteln oder berechnen könne. § 184 Abs. 3 BAO ordne die Schätzung der Bemessungsgrundlage an, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher und Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind. Anläßlich einer - im Auftrag der belangten Behörde - am beim Beschwerdeführer durchgeführten Erhebung durch die Betriebsprüfungsabteilung des Finanzamtes sei festgestellt worden, daß im gegenständlichen Fall die Spielautomaten nach Erreichung eines gewissen Punktestandes des Spielers selbst Freispiele vergeben würden, daß bei etwaigen Gewinnen des Spielers die Automaten Gewinne in Münzen auswerfen würden und daß weder über die Freispiele noch über die ausgeworfenen Gewinne Aufzeichnungen geführt worden seien. Mangels anderer Anhaltspunkte sei das umsatzsteuerpflichtige Entgelt durch einen äußeren Betriebsvergleich zu schätzen gewesen, woraus sich ein Vervielfacher von 1,8 auf den Kasseninhalt ergebe. Die Angleichung des österreichischen Umsatzsteuerrechts an die Richtlinie 77/388/EWG erfolge mit dem UStG 1994; dieses Gesetz trete allerdings erst mit Wirksamkeit des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union in Kraft und sei daher für das Streitjahr 1992 nicht von Bedeutung.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht verletzt, daß bei der Ermittlung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage nicht über den Nettokasseninhalt der Spielautomaten hinausgegangen werde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Mit einem Abgabenbescheid wird ein Leistungsgebot hinsichtlich einer Abgabenschuld ausgesprochen, die bereits mit der Verwirklichung des Abgabentatbestandes entstanden ist. Für die Erlassung von Abgabenbescheiden ist daher - sofern das Gesetz im Einzelfall nichts anderes anordnet - jene Rechtslage des materiellen Rechts maßgebend, in deren zeitlichen Bedingungsbereich der Sachverhalt gesetzt worden ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , 96/14/0017).
Die Beschwerde leitet aus dem , für den Beschwerdefall ab, die Umsätze aus den Geldspielautomaten hätten jedenfalls nur in Höhe des Kasseninhaltes angenommen werden dürfen.
Selbst wenn das genannte Urteil des EuGH dahingehend zu verstehen wäre, daß die Höhe der Spielumsätze aus Geldspielautomaten stets in Höhe des Kasseninhaltes anzunehmen sei (anderer Auffassung wohl Ruppe, UStG 1994, § 4 Tz. 79), wäre daraus für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen: Wie oben ausgeführt wurde, ist für Abgabenbescheide grundsätzlich die im Zeitpunkt der Sachverhaltsverwirklichung geltende Rechtslage maßgeblich. Für Zeiträume vor dem kommt aber der Richtlinie 77/388/EWG, zu welcher das genannte Urteil des EuGH ergangen ist, in Österreich keine normative Bedeutung zu.
Im Beschwerdefall kommt sohin das UStG 1972, insbesondere § 4 Abs. 5 UStG 1972 in der Fassung des zweiten AbgÄG 1977, BGBl. 645, zur Anwendung. Der zweite Satz der letztgenannten Bestimmung lautet:
"Beim Spiel mit Gewinnmöglichkeit und bei der Wette ist Bemessungsgrundlage das Entgelt für den einzelnen Spielabschluß oder für die einzelne Wette, wobei ein ausbezahlter Gewinn das Entgelt nicht mindert."
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zu dieser Bestimmung in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß jedes Entgelt für jedes einzelne Spiel zur Bemessungsgrundlage zählt. Gewinnt ein Spieler und kann er mit dem Gewinn am Automaten ein neues Spiel("Freispiel") tätigen, so wird aufgrund der neuerlichen Inbetriebnahme des Geldspielautomaten ein neuer Umsatz ausgeführt. Daraus folgt, daß zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sowohl sämtliche in den Automaten eingeworfenen Bargeldbeträge ("Bargeldeinwurf") ungeachtet einer allfälligen Auszahlung von Gewinnen als auch die Freispielumsätze zählen (vgl. das hg Erkenntnis vom , 93/13/0164).
Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Rechtsauffassung entspricht sohin dem Gesetz.
Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen das Ergebnis der Schätzung, nämlich gegen die Anwendung des Faktors von 1,8. Dieses Ergebnis sei dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten worden. Zudem finde sich im angefochtenen Bescheid keine ausreichende Begründung für diesen Faktor.
Diesem Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, daß das Finanzamt bereits seinem Erstbescheid - unter Hinweis auf den äußeren Betriebsvergleich - und seiner Berufungsvorentscheidung den Faktor von 1,8 zugrundegelegt hat. Dem Beschwerdeführer war sohin das Ergebnis der Schätzung des Finanzamtes bekannt. Er hat sich im Berufungsverfahren lediglich auf das Urteil des EuGH gestützt und in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, der Umsatz werde ausschließlich durch den Kasseninhalt der Geräte gebildet. Daß aber zur Ermittlung des um die ausbezahlten Gewinne nicht verminderten und um die Freispiele erhöhten Münzeinwurfes der Kasseninhalt im gegenständlichen Fall mit dem Faktor von 1,8 zu multiplizieren sei, hat der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren niemals beanstandet. Solcherart hat sich für die belangte Behörde nicht die Verpflichtung ergeben, die Anwendung dieses unbekämpft gebliebenen Faktors im angefochtenen Bescheid zu begründen.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.