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VwGH vom 11.12.2000, 97/17/0460

VwGH vom 11.12.2000, 97/17/0460

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-121-1/6-96, betreffend Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist mit seiner Gattin Eigentümer einer Liegenschaft im Gebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde. Auf der Liegenschaft steht ein Schloss. Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde dem Beschwerdeführer mit Wirksamkeit ab für diese Liegenschaft eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für die Benützung des öffentlichen Schmutz-Regenwasserkanales im Gesamtbetrag von S 28.052,20 vorgeschrieben. Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen diesen Bescheid. Darin führte er aus, dass die Berechnung der Schmutzwasserfläche unrichtig sei, da seit das Erdgeschoß des Schlosses wieder an den Ortskanal angeschlossen sei. Die Berechnungsfläche betrage daher nicht 1.047 m2 sondern richtig 2.094 m2. Es sei aber auch bereits bisher auf Grund der über 1.000 m2 großen Schmutzwasserberechnungsfläche die Voraussetzung des § 5b Niederösterreichisches Kanalgesetz 1977 für die Herabsetzung der Abgabe zur Vermeidung von Härtefällen gegeben gewesen. Erst recht ergebe sich auf Grund der erhöhten Schmutzwasserberechnungsfläche mit nunmehr 2.094 m2, dass eine Verminderung der Kanalbenützungsgebühr gemäß § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 vorzunehmen sei. Er beantrage, die Kanalbenützungsgebühr entsprechend den tatsächlichen Gegebenheiten (im Haus wohnten zwei Erwachsene und drei Kinder) gemäß § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 zu vermindern. Unter Zugrundelegung einer fünfköpfigen niederösterreichischen Normfamilie ergebe das eine Verminderung von etwa 76 %. Sollten die gesetzlichen Voraussetzungen für eine darüber hinausgehende Verminderung gegeben sein, beantrage er die höchstzulässige gesetzliche Verminderung gemäß § 5b NÖ Kanalgesetz 1977.

Mit Bescheid vom wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeine die Berufung als unbegründet ab. Begründend führt der Gemeinderat aus, dass die Veränderungsmeldung hinsichtlich des Anschlusses des Erdgeschoßes an die Ortskanalisation ebenfalls vom (wie die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid) datiere. Sie sei erst am im Gemeindeamt eingelangt, sodass sie hinsichtlich des angefochtenen Bescheides nicht mehr berücksichtigt habe werden können. Gemäß § 13 Abs. 2 NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230-4, sei eine geänderte Gebühr erst ab dem Monatsersten des dem Tage des Eintritts der Veränderung zunächst folgenden Monats - somit ab - zu entrichten. Da die Änderung erst nach Erlassung des mit Berufung erkämpften Bescheides bekannt worden sei, habe die Behörde erster Instanz die Berechnungsfläche richtig mit 1.047 m2 für die Berechnung der Gebühr betreffend die Schmutzwasserentsorgung angenommen. Ein offensichtliches Missverhältnis gemäß § 5b Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 sei nicht anzunehmen. Es sei zwar zutreffend, dass der Berufungswerber mit seiner Familie (zwei Erwachsene und drei Kinder) im Schloss wohne, das Schlossgebäude diene jedoch nicht nur als Wohngebäude, sondern auch zur Abhaltung verschiedener Veranstaltungen, bei denen sich immer eine größere Anzahl von Personen im Schloss einfinde. Der Berufungsbehörde sei ferner bekannt, dass im Schloss auch der Kultur- und Förderungsverein Schloss S etabliert sei. Das Gebäude werde sohin sowohl vom Berufungswerber und dessen Familie als auch vom Kultur- und Förderungsverein Schloss S benutzt, welcher auch die Veranstaltungen durchführe. Die widmungsgemäße Verwendung des Schlosses betreffe darüber hinaus nicht nur Wohnungsmöglichkeit, sondern umschließe auch alle anderen Nutzungsmöglichkeiten, die naturgemäß mit einer derartigen Anlage verbunden seien, wie insbesondere die Durchführung von Veranstaltungen (Ausstellungen, musikalisch-schauspielerische Veranstaltungen), sowie die Durchführung von festlichen Aktivitäten etc. Es sei daher unrichtig, dass das Schloss nur von einer fünfköpfigen niederösterreichischen Normfamilie benutzt werde. Darüber hinaus sei nicht auf die tatsächliche Art der Nutzung, sondern auf die Nutzungsmöglichkeit bei widmungsgemäßer Verwendung abzustellen. Das vom Beschwerdeführer behauptete offensichtliche Missverhältnis sei daher nicht gegeben, sodass eine Verminderung nicht vorzunehmen gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung gegen diesen Bescheid. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab.

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, dass mit Schreiben vom durch den Beschwerdeführer und seine Gattin bekannt gegeben worden sei, dass ab das Erdgeschoß an den Kanal angeschlossen sei und die Berechnungsfläche dem gemäß 2.094 m2 betrage. Gemäß § 1 der Nö Abgabenordnung 1977 sei für ein Abgabenverfahren die Nö Abgabenordnung 1977 anzuwenden und nicht das AVG. Es sei dem Beschwerdeführer zwar zuzugeben, dass § 210 der Nö Abgabenordnung 1977 eine Bedachtnahme auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz im Laufe des Berufungsverfahrens vorsehe, die Anwendung dieser Regelung sei aber im gegenständlichen Fall nicht möglich, da das NÖ Kanalgesetz 1977 folgende Regelung vorsehe:

Gemäß § 13 des NÖ Kanalgesetzes 1977 habe der Abgabepflichtige eine nach Zustellung des Abgabenbescheides eingetretene Veränderung binnen zwei Wochen nach dem Eintritt der Veränderung bzw. nach dem Bekanntwerden derselben dem Bürgermeister oder dem Magistrat schriftlich anzuzeigen. Eine auf Grund einer Veränderungsanzeige festgestellte niedrigere oder höhere Gebühr sei ab dem Monatsersten des dem Tag des Eintrittes der Veränderung zunächst folgenden Monats zu entrichten.

Gemäß § 14 NÖ Kanalgesetz 1977 sei die Abgabenschuld dem Abgabepflichtigen mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Ein neuer Abgabenbescheid sei insbesondere auf Grund einer Veränderungsanzeige zu erlassen.

Eine Veränderungsanzeige im Sinne des NÖ Kanalgesetzes 1977 bedeute daher eine Neuberechnung und neue Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr mittels Abgabenbescheides. Die Abgabenbehörde erster Instanz (der Bürgermeister) habe daher in einem neuen Verfahren zu ermitteln und einen erstinstanzlichen Abgabenbescheid zu erlassen. Im Beschwerdefall bedeute die Abgabe der Veränderungsanzeige am , dass eine neue Gebühr frühestens ab vorgeschrieben werden könne. Dies habe mit einem neuen erstinstanzlichen Abgabenbescheid zu geschehen. Zur Frage des Vorliegens eines Härtefalles im Sinne des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 (für den Zeitraum vor dem ) führt die belangte Behörde aus, dass Voraussetzung für die Reduzierung gemäß § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 das Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses zwischen dem Gebührenanteil für die Schmutzwasserentsorgung und dem Kostenaufwand für die Schmutzwasserentsorgung sei. Wann jedenfalls von einem offensichtlichen Missverhältnis zu sprechen sei, werde in § 5b Abs. 2 Kanalgesetz 1977 definiert. Es bedürfe in diesem Falle der Feststellung der Schmutzwasserberechnungsfläche und der Messung bzw. Schätzung der eingeleiteten bzw. einzuleitenden Schmutzfracht. Dabei sei nicht auf die tatsächlich eingebrachte Schmutzfracht abzustellen, sondern auf die bei widmungsgemäßer Verwendung eingebrachte. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz gehe davon aus, dass nicht nur die Familie des Beschwerdeführers das Schloss bewohne, sondern dass auch regelmäßig Veranstaltungen stattfänden. Die belangte Behörde habe diesbezüglich weitere Ermittlungen für nötig erachtet und diese Ermittlungen selbst durchgeführt. Es seien hiefür sowohl Stellungnahmen der mitbeteiligten Marktgemeinde als auch der Fachabteilung beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eingeholt worden. Aus einer Stellungnahme der Marktgemeinde ergebe sich, dass fünf Veranstaltungen im Schloss gemeindeamtlich bekannt seien. Bei allen Veranstaltungen sei Bewirtung der Gäste mit Speisen und Getränken erfolgt. Aus einer Stellungnahme des Beschwerdeführers ergebe sich, dass Veranstaltungen zwar grundsätzlich bestritten würden, es werde aber gleichzeitig bestätigt, dass zwei Veranstaltungen stattgefunden hätten bzw. eine Veranstaltung geplant gewesen sei, jedoch wegen Schlechtwetters abgesagt worden sei. Es komme - wie ausgeführt - nicht auf die tatsächlich eingebrachte Schmutzfracht an, sondern diejenige, die bei widmungsgemäßer Verwendung eingeleitet würde. Aus der Stellungnahme der Gemeinde und dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich unbestritten, dass das Schloss zu "solchen Zwecken" auch verwendet werden könne. Aus dem von der Fachabteilung vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung angeforderten Gutachten (das von Ing. T erstattet wurde) ergebe sich, dass in der mitbeteiligten Marktgemeinde für die kommunalen Abwässer unter Berücksichtigung der Nutzungsmöglichkeit durch alle Einwohner inklusive der Zweitwohnungsbesitzer eine durchschnittliche Schmutzwasserberechnungsfläche von 60 m2 pro EGW gegeben sei. Im Gutachten heiße es:

"Für die Liegenschaft L - Schloss S ergibt sich bei einer Schmutzwasserberechnungsfläche von 1.047 m2 eine Nutzungsmöglichkeit von 5 EGW durch die Bewohner und von 10 EGW durch die Besucher von Veranstaltungen (bei denen ein Imbiss sowie Getränke gereicht werden), somit insgesamt 15 EGW. Daraus ergibt sich eine Schmutzwasserberechnungsfläche von rund 70 m2 pro EGW.

Ein offensichtliches Missverhältnis gemäß NÖ Kanalgesetz 1977, § 5b Abs. 1, liegt nicht vor."

Die belangte Behörde fährt fort, dass neben den fünf Bewohnern des Schlosses 10 EGW für Veranstaltungen, die abgehalten werden können, somit insgesamt 15 EGW errechnet worden seien. Auf Grund der vorhandenen Räumlichkeiten bestehe die Möglichkeit zur Teilnahme von rund 100 Personen der Veranstaltungen im Schloss. Die mögliche Belastung pro Besucher wurde unter Berücksichtigung der Angaben in der einschlägigen Fachliteratur und der Erfahrungen der Fachabteilung Siedlungswasserwirtschaft mit 0,1 EGW pro Besucher angenommen. Dieser Wert berücksichtige die sanitären Abwässer sowie die Abwässer aus den diversen Reinigungsarbeiten. 100 Besucher x 0,1 EGW pro Besucher ergebe somit 10 EGW. Da unbestritten Veranstaltungen im Schloss durchgeführt werden könnten, liege ein offensichtliches Missverhältnis gemäß dem NÖ Kanalgesetz 1977 im gegenständlichen Fall nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , Zl. B 697/97-8, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Der Beschwerdeführer hat eine Replik zur Gegenschrift der mitbeteiligten Partei erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das NÖ Kanalgesetz 1977 in der im Beschwerdefall

anzuwendenden Fassung LGBl. 8230-4 lautet auszugsweise wie folgt:

"Kanalgebühren

§ 1

Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren

(1) Die Gemeinden werden gemäß § 8 Abs. 5 Finanzverfassungsgesetz 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, Kanalerrichtungsabgaben (Kanaleinmündungs-, Kanalergänzungs-, Kanalsonderabgabe) und Kanalbenützungsgebühren nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben.

(2) Für die Erhebung der Kanalbenützungsgebühren auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung (Finanzausgleichsgesetz) gelten die Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes 1977.

...

§ 1a

Begriffe

Im Sinne dieses gelten als

...

7. Gebäudeteil:

ein Gebäudeteil im Sinn des § 3 Abs. 2 ist ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke;

...

§ 5

Kanalbenützungsgebühren

(1) Für die Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine Kanalbenützungsgebühr für jedes Jahr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr setzt sich aus einem Anteil für die Regenwasserentsorgung und aus einem Anteil für die Schmutzwasserentsorgung zusammen.

...

(5) Der Anteil für die Schmutzwasserentsorgung errechnet sich aus dem Produkt der Schmutzwasserberechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Anteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet.

...

(7) Die Schmutzwasserberechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen.

...

§ 5a

Berechnung der Einheitssätze

(1) Die Einheitssätze sind vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung festzusetzen.

(2) ...

§ 5b

Vermeidung von Härtefällen

(1) Ergibt sich bei einem Gebäude (Gebäudeteil) ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem Gebührenanteil für die Schmutzwasserentsorgung (§ 5 Abs. 5) und den tatsächlich für die Schmutzwasserentsorgung entstehenden Kostenaufwand, so ist bei der Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr dieser Gebührenanteil entsprechend den tatsächlichen Gegebenheiten, höchstens jedoch um 80 v.H. zu vermindern.

...

(3) Die Bestimmungen dieses Paragraphen kommen nur für Gebäude (Gebäudeteile) über 1000 m2 Schmutzwasserberechnungsfläche zur Anwendung.

§ 6

Kanalabgabenordnung

(1) In jeder Gemeinde, in der eine öffentliche Kanalanlage vorhanden ist, ist gleichzeitig mit dem Beschluss über die Einhebung von Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren eine Kanalabgabenordnung zu beschließen.

...

§ 13

Veränderungsanzeige

(1) Treten nach Zustellung des Abgabenbescheides derartige Veränderungen ein, dass die der seinerzeitigen Festsetzung der Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder der Fäkalienabfuhrgebühr zu Grunde gelegten Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, so hat der Abgabenpflichtige diese Veränderungen binnen zwei Wochen nach dem Eintritt der Veränderung bzw. nach dem Bekanntwerden derselben dem Bürgermeister (Magistrat) schriftlich anzuzeigen (Veränderungsanzeige).

(2) Eine auf Grund einer im Abs. 1 genannten Veränderung festgestellte niedrigere oder höhere Gebühr ist, sofern sich nicht aus § 12 etwas anderes ergibt, ab dem Monatsersten des dem Tag des Eintrittes der Veränderung zunächst folgenden Monates zu entrichten.

§ 14

Abgabenbescheid

(1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:

a) Die Kanaleinmündungsabgabe, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4)

b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8)

c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit. b festgesetzten Gebühren

d) die Kosten für die Behebung von Kanalverstopfungen (§ 17 Abs. 5) unter Behebung von Schäden auf fremden Liegenschaften (§ 18 Abs. 1).

...

(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit. c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen."

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass gemäß § 13 und § 14 NÖ Kanalgesetz 1977 auch dann eine neue erstinstanzliche Entscheidung über die Festsetzung der Abgabe zu ergehen hätte, wenn während der Anhängigkeit eines Verfahrens zur Abgabenfestsetzung der Abgabepflichtige eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse mitteilt. Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob eine derartige Mitteilung eine Veränderungsanzeige im Sinn des § 13 NÖ Kanalgesetz 1977 darstellt, oder ob eine solche Veränderungsanzeige einen rechtskräftigen Bescheid voraussetzt. Auch auf der Grundlage der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht erweist sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Zeitraumes ab dem als rechtswidrig. Wenn nämlich Gegenstand des Berufungsverfahrens vor dem Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde nur die Festsetzung der Abgabe bis Ende Februar 1996 gewesen wäre, hätte der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeine den erstinstanzlichen Bescheid (durch die uneingeschränkte Abweisung der Berufung) nicht bestätigen dürfen. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde gemäß § 5 NÖ Kanalgesetz BGBl. 8230-4 die jährliche Kanalbenützungsgebühr pro futuro ab dem festgesetzt; eine Beschränkung in zeitlicher Hinsicht enthielt der Bescheid nicht. Durch die Bestätigung dieses Bescheides wurde die Festsetzung der Abgabe auch über den hinaus vorgenommen. Die belangte Behörde hätte daher auf der Grundlage ihrer Rechtsansicht den mit Vorstellung bekämpften Berufungsbescheid jedenfalls insoweit aufzuheben gehabt, als damit ohne nähere Begründung auch für die Zeit nach dem die Abgabe festgesetzt wurde. Wenn der Umstand, dass sich die maßgebenden Grundlagen geändert haben, bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde bekannt war, hätte eine Beschränkung des Ausspruches über die Festsetzung der Abgabe zu erfolgen gehabt. Dies folgt daraus, dass die Abweisung einer Berufung die Erlassung eines mit dem erstinstanzlichen Bescheid inhaltsgleichen Bescheid bedeutet, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum alleinigen Träger des Bescheidinhalts wird (vgl. Ritz, BAO2, Rz 3 zu § 289 BAO, dem § 213 Nö AO entspricht, mit Nachweisen aus der hg. Rechtsprechung). Gemäß § 209 Nö AO haben die Abgabenbehörden zweiter Instanz die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind. In diesem Zusammenhang ist auch § 210 Nö AO zu sehen, demzufolge sich die Berufungsbehörde mit neuem Tatsachenvorbringen auseinandersetzen muss. Die Berufungsbehörde kann sich - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen wie etwa bei der Verhängung von Zwangsstrafen - nicht, wie dies die belangte Behörde in Bestätigung der Rechtsauffassung der letztinstanzlichen Gemeindebehörde angenommen hat, darauf beschränken, die Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zum Zeitpunkt von deren Erlassung zu beurteilen.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich in diesem Zusammenhanges aber auch, wenn man davon ausgeht, dass die Berufungsbehörde auch über den Zeitraum ab dem absprechen hätte können und dabei in ihrem Berufungsbescheid insoweit differenziert vorgehen hätte können, als sie gegebenenfalls die Abgabe für den Zeitraum bis Ende Februar 1996 anders festsetzen hätte können als für den Zeitraum ab dem . Die Berufungsbehörde hat auch im Abgabenverfahren grundsätzlich auf Grund der zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden, soweit sich nicht insbesondere aus dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften das Gebot zur Anwendung der Rechtslage zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt ergibt oder ein Sachverhalt - insbesondere die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes - zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zugrunde zu legen ist. Sie hat sich bei ihrer Entscheidung zwar an die Sache des erstinstanzlichen Verfahrens zu halten; die Sache war in diesem Fall dem Spruch der Behörde erster Instanz zufolge die Festsetzung der jährlich in Zukunft zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühr. Wenn sich die für diese Festsetzung maßgebenden Umstände während des Berufungsverfahrens ändern, wäre dies in gleicher Weise zu berücksichtigen wie eine solche Änderung, die während des Verfahrens vor der erstinstanzlichen Behörde eintritt. Mangels Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Berechnungsfläche und das sich daraus ergebende Missverhältnis im Sinne des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 durch die Berufungsbehörde wäre der mit Vorstellung bekämpfte Bescheid von der belangten Behörde insoweit aufzuheben gewesen. Es war nämlich nicht von vornherein klar, dass die Berücksichtigung der höheren Berechnungsfläche zu einer höheren Abgabenschuld führen müsste. Sofern sich etwa tatsächlich ergeben hätte, dass das angesprochene Missverhältnis tatsächlich erst auf Grund der vergrößerten Berechnungsfläche vorläge, wäre die jährliche Abgabenschuld uU geringer als durch den erstinstanzlichen Bescheid tatsächlich erfolgt, festzusetzen gewesen. Der mit Vorstellung bekämpfte Bescheid verletzte insofern Rechte des Beschwerdeführers.

Der angefochtene Bescheid leidet daher insoweit an einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Aber auch für den Zeitraum Jänner und Februar 1996 ist die Beschwerde berechtigt.

Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung, ob ein Missverhältnis im Sinne des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 vorliegt, auf das oben überwiegend wörtlich wiedergegebene Gutachten von Ing. T gestützt. Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass in diesem Gutachten von Nutzungsmöglichkeiten ausgegangen wird. Auch die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass es lediglich auf die widmungsmäßigen Nutzungsmöglichkeiten ankomme. Damit verkennt die belangte Behörde jedoch die Rechtslage. Das Missverhältnis gemäß § 5b Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 muss zwischen dem Gebührenanteil für die Schmutzwasserentsorgung und den tatsächlich für die Schmutzwasserentsorgung entstehenden Kosten entstehen. Gegenüberzustellen sind nach dieser Bestimmung der Gebührenanteil für die Schutzwasserentsorgung und der tatsächlich für die Schmutzwasserentsorgung entstehende Kostenaufwand (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0373). Es kommt somit nicht auf zu erwartende Nutzungsmöglichkeiten an, sondern auf den tatsächlich entstehenden Kostenaufwand. Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass die Festsetzung der Abgabe für die Zukunft eine Prognoseentscheidung erfordert. Allein, eine solche Prognose hat nicht die Nutzungsmöglichkeiten zu beurteilen, sondern die tatsächliche Nutzung. Zweck einer Ausnahmebestimmung wie § 5b Nö Kanalgesetz ist es gerade, allfällige Ungerechtigkeiten, die sich aus der schematischen Anwendung einer an sich verfassungsrechtlich unbedenklichen typisierenden Abgabenvorschrift ergeben könnten, hintanzuhalten. Die Bestimmung kann daher gerade in Fällen, in denen die Nutzungsmöglichkeit aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche über die tatsächliche Nutzung deutlich hinausgeht und damit die tatsächliche Belastung der Kanalanlage wesentlich geringer ist als bei Objekten vergleichbarer Größe, Anwendung finden. Ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsansicht hat die belangte Behörde unzureichend begründet, inwieweit damit zu rechnen ist, dass durch die im Schloss abgehaltenen Veranstaltungen eine Belastung der Kanalisation in der Größenordnung von 10 EGW entstünde. Damit hat sie den angefochtenen Bescheid auch insoweit mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass das Gutachten von Ing. T hinsichtlich der Berechnung der sich durch die Benützung des Schlosses ergebenden EGW keine näheren Ausführungen enthält. Es ist daher - schon auf der Grundlage der Rechtsansicht der belangten Behörde, dass es nur auf die Nutzungsmöglichkeit ankomme - auch nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die detaillierten Zahlenangaben hinsichtlich der Belastung der Kanalisation durch die zu erwartenden "100 Besucher" kommt. Es ist nicht klargestellt ist, wie sich die 0,1 EGW je "Besucher" ergeben, zumal nicht angegeben ist, von welcher Häufigkeit von Veranstaltungen die Behörde dabei ausgegangen ist. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde auf Grund konkreter Angaben die tatsächlich zu erwartende Belastung der Kanalisation entsprechend zu begründen haben bzw. den bei ihr mit Vorstellung bekämpften Bescheid aufgrund der aufgezeigten Rechtswidrigkeit aufzuheben haben und werden die Gemeindebehörden in dem auf Gemeindeebene fortgesetzten Verfahren eine entsprechende Begründung zu geben haben.

Die belangte Behörde hat daher den Bescheid auch insoweit, als sich dieser auf die Abweisung der Berufung hinsichtlich des Zeitraumes Jänner/Februar 1996 bezieht, mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.

Der Bescheid war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, zumal auch Art. 6 EMRK die Durchführung der Verhandlung nicht erfordert (vgl. EKMR , ÖJZ 1993, 140).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers LGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Entscheidung in der Sache erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am