VwGH vom 15.12.1995, 92/17/0172
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. MD/Präs.Abt.II-6833/1991, betreffend Gehsteigabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom wurde der Beschwerdeführerin folgende Gehsteigabgabe für eine genehmigte Bauführung "im Anwesen Innsbruck, M-Straße 38, Errichtung eines Einkaufszentrums bzw. auf Gp. n1, KG N," nach dem Gesetz vom über die Erhebung einer Abgabe für die erstmalige Herstellung zeitgemäßer Gehsteige in der Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl. Nr. 23/1969 (Gehsteigabgabegesetz), sowie des Beschlusses des Gemeinderates vom über die Festsetzung des Einheitssatzes vorgeschrieben:
"1.) Bauplatzanteil (§ 3 Abs. 3):
Gp. n1 KG N
Fläche des Bauplatzes:
17.998 m2 vervielfacht mit
dem halben Einheitssatz
(S 12,10) S 217.775,80
2.) Baumassenanteil (§ 3 Abs. 4):
Baumasse vollanrechenbar:
202.158 m3 vervielfacht mit
dem Einheitssatz (S 24,20) S 4,892,223,60
gemäß § 153 TLAO gerundet S 5,109.999,--"
In der Begründung dieses Bescheides heißt es im
wesentlichen, daß der Beschwerdeführerin mit Bescheiden des
Stadtmagistrates Innsbruck vom und vom
die Baubewilligung zur Errichtung eines
Einkaufszentrums "im Anwesen M-Straße 38 auf der Gp. n1 KG N"
erteilt worden sei. Wenn in der Berufung die verspätete
Vorschreibung reklamiert werde, weil sie nicht innerhalb der
hiefür vorgesehenen Frist von sechs Monaten erfolgt sei, sei
anzumerken, daß es sich bei dieser Frist nach ständiger
Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lediglich um eine
sogenannte "Ordnungsvorschrift" handle. Wenn vorgebracht werde,
die Erstbehörde sei von einer unrichtig bemessenen Baumasse
ausgegangen, so sei dieser Argumentation grundsätzlich
entgegenzuhalten, daß nach § 6 Abs. 1 Gehsteigabgabegesetz,
dann, wenn für ein Grundstück gemäß § 68 der Bauordnung der
Landeshauptstadt Innsbruck, in der vor der Novelle LGBl.
Nr. 22/1969 geltenden Fassung, die Kosten der erstmaligen
Herstellung eines Gehsteiges entrichtet worden seien, die
Abgabepflicht nur nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 und 4
Gehsteigabgabegesetz entstehe. Nach Abs. 3 des § 68 der
Bauordnung der Landeshauptstadt Innsbruck obliege die erste
Herstellung des Gehweges nämlich dem Besitzer des daran
anstoßenden Hauses oder Grundstückes und geschehe (dieser) auf
seine Kosten durch das städtische Bauamt. Die weitere Erhaltung
übernehme die Gemeinde. Diesbezüglich sei festzuhalten, daß
Gehsteigerrichtungskosten durch den Besitzer in der Zeit vor
dem Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 22/1969 nicht
entrichtet worden seien bzw. durch diesen ein Gehsteig auch
nicht erstellt worden sei, was vom Abgabepflichtigen auch nie
behauptet worden sei. Laut einer unwidersprochenen
Stellungnahme des städtischen Tiefbauamtes sei die Herstellung
eines zeitgemäßen Gehsteiges an der Ostseite der "R-Passage"
Anfang der Sechzigerjahre durch die Stadtgemeinde Innsbruck
erfolgt. Gleichzeitig, also auch zu Beginn der Sechzigerjahre,
sei auf der ehemaligen Gp. n1, KG N, die Errichtung eines Büro-
und Geschäftshauses baubehördlich genehmigt worden. Sowohl die
Errichtung des vorerwähnten angrenzenden Gehsteiges als auch
der genannten Objekte sei im Jahre 1962 abgeschlossen worden.
Das auf der ursprünglichen Gp. n1, KG N, errichtete Geschäftshaus (Webehalle) habe eine Kubatur von
24.715 m3 ausgewiesen, während das Bürogebäude lediglich
1.302 m3 umfaßt habe. Obwohl nicht aktenkundig belegt, könne dennoch davon ausgegangen werden, daß seinerzeit in Übereinstimmung mit § 68 der Innsbrucker Bauordnung die Kosten der erstmaligen Herstellung des zwischenzeitig fertiggestellten Gehsteiges (1962) vom Besitzer entrichtet worden seien. Demgegenüber sei eine derartige Schlußfolgerung für bereits damals bestehende Baulichkeiten, auf Grund der Tatsache des Nichtbestandes eines Gehsteiges bis 1962 nicht möglich. Es habe sohin bei der Berechnung der Gehsteigabgabe "nur die Kubatur der seinerzeitigen Webehalle und des abgebrochenen Bürogebäudes in Summe von 26.017 m3 in Abzug gebracht werden" können, sodaß der Abgabenvorschreibung eine anrechenbare Baumasse von insgesamt 202.158 m3 zugrunde gelegt worden sei. Wenn demgegenüber die Beschwerdeführerin die Anrechnung einer früher bestandenen Baumasse von zusammen 204.750 m3, sohin ein Mehr von 78.733 m3, beantrage, so könne diesbezüglich die Berufungsbehörde einerseits die ziffernmäßige Errechnung mangels diesbezüglich fehlender Berechnungsunterlagen nicht bestätigen und andererseits nicht davon ausgehen, daß für eine allenfalls bestandene Mehrkubatur auch tatsächlich eine der heutigen Gehsteigabgabe entsprechende Abgabe entrichtet worden sei, weil diesbezüglich "weder in der städtischen Registratur noch durch den Berufungswerber diese Umstände belegende Unterlagen aufgefunden bzw. vorgelegt werden konnten".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 1 Gehsteigabgabegesetz ermächtigt die Stadt Innsbruck gemäß § 8 Abs. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, zur teilweisen Deckung der Kosten der erstmaligen Herstellung von zeitgemäßen Gehsteigen (§ 68 der Bauordnung der Landeshauptstadt Innsbruck) eine Abgabe (§ 14 Abs. 1 Z. 15 des Finanzausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 2) zu erheben.
Der § 2 Gehsteigabgabegesetz lautet:
"(1) Zur Entrichtung einer einmaligen Abgabe sind die Eigentümer der zu bebauenden Grundstücke (Bauplätze) verpflichtet. Unter Bauplätzen sind die nach den Bestimmungen der Innsbruck Bauordnung bebaubaren, zuzüglich aller demselben Eigentümer gehörigen, daran unmittelbar angrenzenden, selbständig nicht bebaubaren Grundflächen zu verstehen. Die Abgabepflicht entsteht bei Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides. Die Abgabe ist binnen sechs Monaten nach Baubeginn vorzuschreiben und wird zwei Wochen nach Vorschreibung fällig. Bei Bauten vorübergehenden Bestandes im Sinne des § 15a der Innsbrucker Bauordnung oder bei Baumaßnahmen ohne Vergrößerung der Baumasse (§ 4) entsteht keine Abgabepflicht.
(2) Zur Entrichtung einer laufenden Abgabe sind die Eigentümer von bereits bebauten Grundstücken verpflichtet, wenn diese Grundstücke an eine Verkehrsfläche, die noch nicht mit zeitgemäßen Gehsteigen versehen ist, angrenzen oder mit dieser durch Privatwege in Verbindung stehen und nicht bereits eine Abgabe nach Abs. 1 entrichtet wurde. Die Fläche der bebauten Grundstücke ist in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des Abs. 1 zweiter Satz zu ermitteln. Die Abgabepflicht tritt auch dann ein, wenn nur an einer Seite der Verkehrsfläche ein Gehsteig vorgesehen ist. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe beginnt mit dem der Fertigstellung des Gehsteiges folgenden Kalenderjahr und dauert fünf Jahre. Die Abgabe ist jeweils bis 31. März eines Jahres vorzuschreiben und wird zwei Wochen nach der Vorschreibung fällig.
(3) Wird der Bauplatz nach Vorschreibung der Abgabe vergrößert, ist eine einmalige Nachtragsabgabe zu entrichten, die aus der Vergrößerung des Bauplatzanteiles (§ 3 Abs. 3) zu ermitteln ist. Wird der Bauplatz nach Vorschreibung der Abgabe verkleinert, ist jene Grundfläche, die ihrer Berechnung zugrunde gelegt worden war, bei einer später entstehenden Abgabepflicht nicht mehr zu berücksichtigen.
(4) Wird die Baumasse einer baulichen Anlage vergrößert, ist die Abgabe nur vom Baumassenanteil (§ 3 Abs. 4) der Baumassenvergrößerung zu ermitteln."
§ 3 Gehsteigabgabegesetz bestimmt in seinem Abs. 1, daß die Höhe der einmaligen Abgabe (§ 2 Abs. 1) durch das Zusammenzählen des Bauplatzanteiles (Abs. 3) und des Baumassenanteiles (Abs. 4) zu ermitteln ist.
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zeigt zunächst die Beschwerderüge nicht auf, die Behörde wäre verpflichtet gewesen, binnen sechs Monaten nach Baubeginn die Abgabe vorzuschreiben und es sei diese Frist nicht eingehalten worden. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der im § 2 Abs. 1 Gehsteigabgabegesetz festgelegten Frist von sechs Monaten bereits in seinen Erkenntnissen je vom , Zlen. 343/71 und 349/71, ausgesprochen hat, hätte eine so weitreichende Sanktion wie das Erlöschen des Bemessungsrechtes - bei Überschreitung dieser Frist - ausdrücklich im Gesetz festgelegt werden müssen (vgl. auch das Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0267, sowie das zu § 6a
Stmk. BauO 1968 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/17/0001). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt.
In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, daß mit dem in Frage stehenden Bauprojekt kein neuer Gehsteig errichtet worden sei.
Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits in seinen Erkenntnissen je vom , Zlen. 343/71 und 349/71, dargetan hat, enthält der Abgabetatbestand der einmaligen Abgabe (§ 2 Abs. 1) keine Bezugnahme auf eine bereits erfolgte oder zumindest in Aussicht genommene Gehsteigherstellung im Bereiche jenes Grundstückes, von dessen Eigentümer die Abgabe anläßlich einer Bauführung zu erheben ist. Für diese Auffassung spricht auch die systematische Eingliederung dieses Abgabetatbestandes in das Gesetz, weil der unmittelbar nachfolgende Tatbestand der laufenden Abgabe (§ 2 Abs. 2) im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 des Gesetzes die Abgabepflicht darauf abstellt, ob zumindest an einer Seite der Verkehrsfläche ein Gehsteig vorgesehen ist. Es handelt sich bei der Gehsteigabgabe auch nicht um eine Gebühr für die Benützung einer Gemeindeeinrichtung, sodaß die Frage, ob die Leistung des Abgabepflichtigen einer speziellen Gegenleistung der Gebietskörperschaft gegenübersteht, außer Betracht bleiben muß. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in diesen Erkenntnissen - unter Bezugnahme darauf, daß es sich bei der Gehsteigabgabe um einen Interessentenbeitrag von Grundstückseigentümern und Anrainern handelt - ausgesprochen, es dürfe nicht übersehen werden, daß selbst jene Grundstücke, die an Privatwegen oder die an öffentlichen Wegen liegen, in deren Verlauf ein Gehsteig nicht vorgesehen ist, vom gesamten übrigen Verkehrsnetz aus aufgeschlossen werden; auch die Eigentümer solcher Grundstücke sind daher, wenngleich im geringeren Ausmaß als die an einem mit einem Gehsteig versehenen öffentlichen Verkehrsfläche anrainenden Grundstückseigentümer, als Interessenten am Ausbau zeitgemäßer Gehsteige anzusehen.
Im Hinblick auf das oben Gesagte verkennt die Beschwerdeführerin das Wesen von Interessentenbeiträgen, wenn sie (zusammengefaßt) vorbringt, eine "anwendbare gesetzliche Norm als Basis für die Einhebung der Gehsteigerrichtungsabgabe" sei nicht vorhanden, weil das Gehsteigabgabegesetz nach dessen Abs. 1 die Stadt Innsbruck nur "zur teilweisen Deckung der Kosten der erstmaligen Herstellung von zeitgemäßen Gehsteigen" ermächtige, ohne festzulegen, wie hoch der Teil der Kosten, der gedeckt werden dürfe, sein könne. Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei der Gehsteigabgabe nicht um eine Gebühr für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen, sondern um einen Interessentenbeitrag. Bei Interessentenbeiträgen muß aber die Abgabepflicht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den dem einzelnen erwachsenden Vorteilen stehen; die Aufteilung muß nur nach irgendwelchen sachlichen bzw. objektiven Kriterien gerechtfertigt sein (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/17/0135, und die dort zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Bedenken dahin aber, daß die vorliegende Regelung zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führe, sind beim Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß des Beschwerdefalls nicht entstanden und wird diesbezüglich auch von der Beschwerdeführerin nichts vorgebracht.
Schließlich vertritt die Beschwerdeführerin - wie bereits auf Verwaltungsebene - weiters den Standpunkt, bei Festsetzung der Gehsteigabgabe hätte eine Anrechnung der Baumasse des abgebrochenen Altbestandes erfolgen müssen.
Eine solche Anrechnung des Altbestandes bei dessen völligem Abbruch und der Neuerrichtung eines Gebäudes hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch in seinem, einen im wesentlichen gleichgelagerten Fall betreffenden Erkenntnis vom , Zl. 3163/78, abgelehnt und dies insbesondere damit begründet, daß § 2 Abs. 4 Gehsteigabgabegesetz die VERGRÖßERUNG eines auf der Liegenschaft bereits BESTEHENDEN Gebäudes und nicht die Errichtung eines Neubaues im Auge habe (vgl. auch das diese Rechtsauffassung bestätigende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/17/0022). Die Ausführungen der Beschwerde bieten keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzugehen. Daß aber eine auf das Gehsteigabgabegesetz gegründete Abgabe - abgesehen von der von der belangten Behörde bei der Berechung der Gehsteigabgabe abgezogenen Kubatur der seinerzeitigen Webehalle und des abgebrochenen Bürogebäudes - bisher erbracht worden sei, wird in der Beschwerde gar nicht behauptet. Auch ergibt sich aus der Aktenlage kein Anhaltspunkt für das Zutreffen eines derartigen Sachverhaltselementes.
Aus den dargelegten Gründen war daher die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.