VwGH vom 13.06.1989, 89/08/0042
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des GG, Pensionist in K, vertreten durch Dr. Georg Fidler, Rechtsanwalt in Kindberg, Bahnhofstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. 5-226 Fi 90/2-1989, betreffend Verhängung eines Beitragszuschlages (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse in Graz, Josef Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1.0. Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
1.1. Mit dem im Einspruchswege ergangenen Bescheid vom sprach der Landeshauptmann von Steiermark aus, der Beschwerdeführer sei verpflichtet, wegen der ihm zur Last gelegten Meldeverstöße mit einer Beitragsnachverrechnungssumme von S 5.502,76 gemäß § 113 Abs. 1 Z. 3 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 111/1986 einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 423,-- (das ist die Höhe der Verzugszinsen) zu entrichten. Nach der Begründung dieses Bescheides sei festgestellt, daß es der Beschwerdeführer als Dienstgeber unterlassen habe, das Hausgehilfenentgelt in beitragspflichtiger Höhe zu melden bzw. der Beitragsbemessung zugrundezulegen. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse nicht auf die Lohnerhöhung aufmerksam gemacht worden sei und er auch darüber keine Zeitungsberichte gelesen habe, sei zu sagen, daß die alleinige Verantwortung für die Meldungen nach dem ASVG der Dienstgeber persönlich zu tragen habe. Die Kasse treffe keine Verpflichtung, sämtliche Meldungen zu kontrollieren oder dem Dienstgeber von sich aus Aufklärung über die Meldevorschriften zu geben. Der Dienstgeber habe sich über die Meldevorschriften selbst zu informieren, um Meldeverstöße hintanzuhalten. Zur Verhängung eines Beitragszuschlages sei kein Verschulden des Dienstgebers erforderlich.
1.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, entgegen § 113 ASVG "nicht bestraft zu werden", verletzt.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. In der Beschwerde wird unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer habe ausgehend vom tatsächlichen Lohn die Beiträge bemessen und an die Gebietskrankenkasse abgeführt. Eine kollektivvertragliche Änderung des Arbeitslohnes verpflichte in erster Linie den Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer, der zufolge der Erhöhung des Arbeitslohnes einen klagbaren Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber erhalte. Durch eine Änderung des Kollektivvertrages entstehe jedoch keine Verpflichtung seitens des Arbeitgebers gegenüber der Gebietskrankenkasse. Diese hätte sich richtigerweise im Rahmen der Beitragsprüfungen davon überzeugen müssen, was nun der Beschwerdeführer tatsächlich im betroffenen Zeitraum dem Arbeitnehmer an Lohn bezahlt habe.
2.1.2. Der Beschwerdeführer irrt, wenn er die Rechtsauffassung vertritt, als Beitragsgrundlage sei nur das tatsächlich ausgezahlte Entgelt, nicht aber jenes heranzuziehen, das sich durch eine Erhöhung des Entgeltanspruches infolge einer Änderung des "Kollektivvertrages" ergeben hätte. Hiezu genügt es, auf § 49 Abs. 1 ASVG hinzuweisen. § 44 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 ASVG stellen nämlich für den Fall des Zurückbleibens des tatsächlich gezahlten Entgeltes hinter jenem, auf das Anspruch besteht, auf den "Anspruchslohn" ab (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 81/08/0007 = ZfVB 1985/1/160, und vom , Zl 84/08/0029 = ZfVB 1988/5/1925).
2.2.1. In der Beschwerde wird weiters ausgeführt, der Beschwerdeführer habe keine zumutbare Möglichkeit, sich von einer Änderung der Bemessungsgrundlage zu informieren.
Kollektivvertragliche Änderungen der Löhne erführen zumindest in bezug auf Hausgehilfinnen keine gehörige Kundmachung. § 2 ABGB, der normiere, daß sich niemand damit entschuldigen könne, daß ihm ein Gesetz nicht bekannt geworden sei, sobald dieses gehörig kundgemacht worden sei, betreffe Gesetze, die in Bundes- oder Landesgesetzblättern, der Wiener Zeitung und ähnlichem kundgemacht würden. Eine dementsprechende Kundmachung kollektivvertraglicher Änderungen betreffend Hausgehilfinnen erfolge jedoch nicht, sodaß die Behörde sich nicht auf die genannte Gesetzesbestimmung berufen könne. Mangels Kenntnis einer Änderung des kollektivvertraglichen Lohnes könne der Dienstgeber auch nicht verpflichtet sein, höhere Beiträge an die Gebietskrankenkasse abzuführen, da sich ja die Bemessungsgrundlage nicht geändert habe. Weder dem Beschwerdeführer noch dem Dienstnehmer seien Änderungen des kollektivvertraglichen Lohnes bekannt geworden. Eine Verletzung der Meldepflicht müsse aber zwangsläufig voraussetzen, daß dem Meldepflichtigen Änderungen in bezug auf die Bemessungsgrundlage bekannt seien. Die Meldeversäumnisse könnten dem Beschwerdeführer daher tatsächlich nicht vorgeworfen werden.
2.2.2.§ 113 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 111/1986 lautet auszugsweise:
"(1) Beitragszuschläge können den im § 111 genannten Personen (Stellen) in folgenden Fällen vorgeschrieben werden:
....
3.Wenn ein zu niedriges Entgelt gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten der Differenz zwischen den Beiträgen, die sich aus dem zu niedrig gemeldeten Entgelt ergeben, und den zu entrichtenden Beiträgen vorgeschrieben werden."
Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz ASVG haben die Dienstgeber jeden von ihnen beschäftigten, in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz Pflichtversicherten binnen drei Tagen nach Beginn der Pflichtversicherung beim zuständigen Träger der Krankenversicherung anzumelden und binnen drei Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung bei diesem abzumelden.
§ 34 Abs. 1 ASVG lautet:
"Die Dienstgeber haben während des Bestandes der Pflichtversicherung jede für diese Versicherung bedeutsame Änderung, insbesondere jede Änderung im Beschäftigungsverhältnis, wie Änderung der Beitragsgrundlage, Unterbrechung und Wiedereintritt des Entgeltanspruches, innerhalb der im § 33 Abs. 1 festgesetzten Frist dem zuständigen Träger der Krankenversicherung zu melden."
2.2.3. Für kollektivvertraglich vorgesehene Entgelte - nichts anderes gilt für den vorliegenden Fall eines Mindestlohntarifes - hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß dann, wenn ein Dienstgeber oder eine sonst meldepflichtige Person ein wenn auch tatsächlich gezahltes, so doch niedrigeres als das nach dem Kollektivvertrag gebührende Entgelt meldet, der Sozialversicherungsträger in diesem Falle berechtigt sei, einen Beitragszuschlag wegen Meldung eines zu niedrigen Entgeltes vorzuschreiben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N.F. Nr. 4760/A, sowie vom , Zl. 83/08/0169 = ZfVB 1986/2/676).
2.2.4. Soweit der Beschwerdeführer auf § 2 ABGB und die Publikation von Rechtsvorschriften "in Bundes- oder Landesgesetzblättern, der Wiener Zeitung und ähnlichem" bezug nimmt und vermeint, eine "dementsprechende Kundmachung kollektivvertraglicher Änderungen, Hausgehilfinnen betreffend, erfolgt jedoch nicht", ist er auf die §§ 22 bis 25 des Arbeitsverfassungsgesetzes 1974, BGBl. Nr. 22 (ArbVG 1974), hinzuweisen, die den Mindestlohntarif betreffen. Nach § 25 Abs. 6 ArbVG 1974 ist auf Mindestlohntarife - diese stellen eine Rechtsverordnung dar (VfSlg 5291/1966, 6624/1971; V 11, 15/79 = ZfVB 1980/2/704) - § 21 leg. cit. sinngemäß anzuwenden. Diese Bestimmung betrifft Satzungen. Gemäß § 21 Abs. 1 ArbVG wiederum ist die Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung durch Verlautbarung im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung", der volle Wortlaut der Satzung in den amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales kundzumachen. In der Kundmachung der Satzungserklärung ist auf die Veröffentlichung des Wortlautes der Satzung in den amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums hinzuweisen. Gemäß § 24 Abs. 1 ArbVG 1974 sind die Bestimmungen des gehörig kundgemachten Mindestlohntarifes innerhalb seines räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches unmittelbar rechtsverbindlich.
Die ganz allgemein gehaltene Einwendung des Beschwerdeführers, die "Kollektivvertrags"-Änderungen betreffend Hausgehilfen würden nicht kundgemacht und es könne daher ihre Kenntnis nicht vorausgesetzt werden, trifft daher nicht zu. Der Gesetzgeber hat vielmehr in besonderer Weise für die Publizität dieser Verordnungen Vorsorge getroffen.
Daß der konkrete Mindestlohntarif ungeachtet des gesetzlichen Publikationsgebotes an einem bestimmten Kundmachungsmangel litte, hat der Beschwerdeführer weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet. Vielmehr heißt es in der Beschwerde, nach Kenntnis der Erhöhung der Bemessungsgrundlage habe der Beschwerdeführer die Beiträge entsprechend der Erhöhung abgeführt.
2.2.5. In den Beschwerdeausführungen kommt auch zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer - unabhängig von seiner unrichtigen Rechtsauffassung, Mindestlohntarifänderungen würden nicht kundgemacht - die Vorwerfbarkeit seiner diesbezüglichen Rechtsunkenntnis in Zweifel zieht.
Darauf ist zu antworten, daß die Verhängung eines Beitragszuschlages nicht als Verwaltungsstrafe zu werten ist (vgl. die oben zitierten hg. Erkenntnisse vom und vom ). Das Fehlen der subjektiven Vorwerfbarkeit schließt die Verhängung eines Beitragszuschlages nicht aus (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 08/2119/79 = ZfVB 1983/1/192, und vom , Zl. 83/08/0093 = ZfVB 1985/4/1473).
Die Anwendung des auf das Verwaltungsstrafrecht beschränkten § 5 Abs. 2 VStG 1950 kommt daher von vorherein nicht in Betracht. Vielmehr ist dadurch, daß der Inhalt der Meldepflicht im vorliegenden Fall ein Faktum der zivilrechtlichen Rechtsbeziehung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer ist (Entgeltshöhe), diesbezüglich § 2 ABGB maßgebend.
Der Beschwerdeführer sei allerdings noch darauf hingewiesen, daß selbst im Geltungsbereich des auf die Entschuldbarkeit der Rechtsunkenntnis abstellenden § 5 Abs. 2 VStG 1950 der Grundsatz gilt, daß sich jedenfalls derjenige, der eine bestimmte Tätigkeit nachhaltig entfaltet (z.B. Gewerbeausübung), sich mit jenen Rechtsvorschriften vertraut machen muß, die das betreffende Tätigkeitsgebiet regeln. Dies gilt auch für einen Dienstgeber hinsichtlich der die Dienstverhältnisse regelnden Normen des kollektiven Arbeitsrechtes und die darauf bezugnehmenden Meldevorschriften des ASVG.
Daß der Gesetzgeber die Gebietskrankenkasse nicht verpflichtet hat, von sich aus den Beschwerdeführer auf Änderungen eines Kollektivvertrages oder Mindestlohntarifes aufmerksam zu machen, wurde im angefochtenen Bescheid zu Recht ausgeführt.
2.3. Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am