VwGH vom 20.11.1997, 95/15/0012
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des J H, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom , Zl. 6/4-4014/93-03, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht ausschließlich in Streit, ob dem Beschwerdeführer hinsichtlich des für eine von zwei Kleinwasserkraftanlagen für das Streitjahr ermittelten Aufgabegewinnes zusätzlich zur Tarifbegünstigung gemäß § 37 EStG 1988 auch die "EVU-Begünstigung" gemäß Abschnitt IV Art. II Z. 3 lit. b des 3. AbgÄG 1987 idF BGBl. Nr. 404/1988 zukommt. Die belangte Behörde hat diese weitere Begünstigung mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid im wesentlichen mit der Begründung versagt, dem stehe der normative Inhalt und die Entstehungsgeschichte der zuletzt zitierten Rechtsvorschrift entgegen. Die strittige Einkommensteuerbegünstigung sei auch nicht für "Gewinne infolge einer Betriebsaufgabe wegen Dauerverpachtung" gedacht, weil der Begünstigungszweck in der Förderung des Ausbaues der Elektrizitätsversorgung liege. Demgegenüber stützt sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde auf den kundgemachten Gesetzestext und verweist auf andere Beispiele von Viertelermäßigungen nach verschiedenen Rechtsvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer erstattete Replik erwogen:
Gemäß § 37 EStG 1988 ermäßigt sich unter anderem für außerordentliche Einkünfte der Steuersatz auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes, worunter insbesondere Veräußerungsgewinne im Sinne des § 24 (somit auch Aufgabegewinne) fallen.
§ 9 Abs. 1 des Energieförderungsgesetzes 1979 - EnFG, BGBl. Nr. 567, sah in seiner Stammfassung vor, daß sich die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer), die auf den Gewinn aus den Stromerzeugungsanlagen entfällt, ab dem Betriebsbeginn für die Dauer von zwanzig Jahren auf die Hälfte der gesetzlichen Beträge ermäßigt. Mit der Novelle BGBl. Nr. 252/1985 erhielt
§ 9 Abs. 1 EnFG die Fassung, daß sich die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) ab dem Betriebsbeginn für die Dauer von zwanzig Jahren auf die Hälfte der gesetzlichen Beträge ermäßigt.
Durch Abschnitt IV Art. I des 3. AbgÄG 1987, BGBl. Nr. 606, wurde das Energieförderungsgesetz 1979 aufgehoben. Die für den Beschwerdefall maßgebenden Nachfolgebestimmungen des Art. II Z. 3 und 4 idF der Novelle BGBl. Nr. 404/1988 lauten auszugsweise wie folgt:
"3.a) Elektrizitätsversorgungsunterehmen im Sinne des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 260/1975, in der jeweils geltenden Fassung, deren Ausbauleistung insgesamt 10.000 kW nicht übersteigt, können von den Begünstigungen der lit. b Gebrauch machen. Voraussetzung ist, daß die Stromerzeugung den ausschließlichen Betriebsgegenstand darstellt, daß es sich bei den Stromerzeugungsanlagen um Wasserkraftanlagen handelt, die nach dem in Betrieb genommen wurden, mit deren tatsächlichen Bauausführungen vor dem begonnen wird und für die eine vorzeitige Abschreibung gemäß § 8 Abs. 4 Z. 4 des Einkommensteuergesetzes nicht in Anspruch genommen wurde, und daß der Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt wird. ... Die Begünstigungen nach lit. b können erstmalig für das Wirtschaftsjahr in Anspruch genommen werden, für dessen vollen Zeitraum die Abnahmeverpflichtung wirksam ist, und nur solange, als die Abnahmeverpflichtung gilt.
b) Die Einkommen- und Körperschaftsteuer werden ab dem Betriebsbeginn für die Dauer von zwanzig Jahren auf die Hälfte der gesetzlichen Beträge ermäßigt. Ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989 wird die Einkommensteuer auf 60 % und die Körperschaftsteuer auf 80 % der gesetzlichen Beträge ermäßigt.
...
4. Wird von den Begünstigungen der Z. 3 Gebrauch gemacht, so gilt dies als Gebrauchmachen von den Begünstigungen des Energiebeförderungsgesetzes 1979."
Beziehen sich bundesgesetzliche Vorschriften über öffentliche Abgaben oder Beiträge auf Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440 (EStG 1972), so treten gemäß § 111 EStG 1988 an die Stelle dieser Bestimmungen die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes (EStG 1988).
Angesichts der eben zitierten Gesetzesstelle und im Hinblick auf die in Abschnitt IV Art. II Z. 3 lit. b des 3. AbgÄG 1987 getroffene Regelung, wonach sich die Einkommen- und Körperschaftsteuer "ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989" um die genannten Prozentsätze ermäßigt, bestehen gegen die sowohl von der belangten Behörde als auch vom Beschwerdeführer für zutreffend erachtete Heranziehung der zuletzt zitierten Gesetzesstelle idF BGBl. Nr. 404/1988 als im Beschwerdefall maßgebende Rechtsgrundlage auch seitens des Gerichtshofes keine Bedenken.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist, maßgebend. Gegenstand der Auslegung ist dabei der Gesetzestext als Träger des in ihm niedergelegten Sinnes, um dessen Verständnis es bei der Auslegung geht. Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des rechtlich maßgeblichen, des normativen Sinnes des Gesetzes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0151, mwN).
Im Beschwerdefall bestreitet auch die belangte Behörde zutreffend nicht, daß der Wortlaut der anzuwendenden Gesetzesstelle für den Standpunkt des Beschwerdeführers spricht, zumal nicht zweifelhaft sein kann, daß auch der nach § 37 EStG 1988 tarifermäßigte Einkommensteuerbetrag ein "gesetzlicher Betrag" im Sinne der Bestimmung des Abschnitt IV Art. II Z. 3 lit. b des 3. AbgÄG 1987 ist.
Auch Z. 4 dieser Gesetzesstelle steht der vom Beschwerdeführer erstrebten Begünstigung nicht entgegen, soll doch, wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom , Zl. 94/14/0051, näher ausgeführt hat, diese Bestimmung nur den schon bisher bestehenden Ausschluß von Doppelbegünstigungen im Bereich der Gewinnermittlung gewährleisten (vgl. 277 BlgNr 17. GP 9). Im vorliegenden Fall geht es dagegen darum, ob die Begünstigung gemäß Abschnitt IV Art. II Z. 3 lit. b des 3. AbgÄG 1987 auch neben der Tarifermäßigung gemäß § 37 EStG 1988 (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/13/0287) in Anspruch genommen werden kann.
Soweit sich die belangte Behörde auf den der anzuwendenden Gesetzesstelle zugrunde liegenden Gesetzeszweck, den Ausbau der Elektrizitätsversorgung zu fördern, stützt, enthält der angefochtene Bescheid nicht die Feststellung, daß mit den Kleinwasserkraftanlagen des Beschwerdeführers vor der Aufgabe von deren Betrieb ein begünstigter Zweck nicht verwirklicht worden ist. Eine Zweckverwirklichung nach der Betriebsaufgabe ist der Sache nach ausgeschlossen, dieser Umstand ist aber nach dem gesetzlichen Tatbestand der Begünstigung nicht abträglich.
Im angefochtenen Bescheid findet sich übrigens auch nicht die nach dem letzten Satz in Abschnitt IV Art. II Z. 3 lit. a des 3. AbgÄG 1987 bedeutsame Feststellung, daß für das Streitjahr keine Abnahmeverpflichtung wirksam gewesen ist.
Das in der Gegenschrift der belangten Behörde ins Treffen geführte Argument, die Anknüpfung an den "Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung" in der zuletzt zitierten Gesetzesstelle könne nur so verstanden werden, daß damit an die laufenden Gewinne, nicht aber an Aufgabegewinne angeknüpft werde, ist nicht stichhältig, weil sich der normative Gehalt der in Rede stehenden Gesetzesstelle darauf beschränkt, die Ermittlung des Gewinnes auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung als eine der Rechtsvoraussetzungen für die Begünstigung gemäß Abschnitt IV Art. II Z. 3 lit. b des 3. AbgÄG 1987 anzuführen. Außerdem umfaßt der Begriff "Gewinn" als Oberbegriff sowohl laufende Gewinne als auch Aufgabegewinne.
Auf die von der belangten Behörde im angefochtene Bescheid angeführte Entstehungsgeschichte des § 37 Abs. 1 EStG 1988 und des § 8 Abs. 1 EFB 1953 bzw. § 9 Abs. 1 EFG 1969 kommt es bei dem nach dem Gesagten eindeutigen Ergebnis der Auslegung nach dem Wortlaut im Sinnzusammenhang und dem Zweck der anzuwendenden Rechtsvorschrift nicht an.
Da somit die belangte Behörde das Gesetz verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.