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VwGH vom 26.04.1999, 97/17/0413

VwGH vom 26.04.1999, 97/17/0413

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der Raiffeisenbank B, vertreten durch Dr. E und Dr. P, Rechtsanwälte in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. 29 0730/5-V/5/97, betreffend Zinsen nach § 97 BWG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid schrieb die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 27 Abs. 5 und 97 Abs. 1 Z 6 des Bankwesengesetzes, BGBl. Nr. 532/1993 in der bis zum geltenden Fassung, für die Überschreitung der Großveranlagungsgrenze beim Kreditnehmer GM GmbH in den Monaten Juli, August, September und Oktober 1996 Zinsen in der Höhe von insgesamt S 200.650,-- vor.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass den Meldungen der Beschwerdeführerin an die Oesterreichische Nationalbank für Juli bis Oktober 1996 zu entnehmen sei, dass es bei der Großveranlagung GM GmbH zu Überschreitungen der Großveranlagungsgrenze gemäß § 27 Abs. 5 Bankwesengesetz, BGBl. Nr. 532/1993 in der bis geltenden Fassung, gekommen sei. Unter Angabe der jeweiligen Obligostände wurde die sich für das jeweilige Monat ergebende Überschreitung der Großveranlagungsgrenze gemäß § 27 Abs. 5 BWG angeführt.

Erläuternd wird im Bescheid ausgeführt, dass auf Grund des Ausscheidens der GM GmbH aus dem ÖIAG-Konzern die Übergangsbestimmungen des § 103 Z 21 lit. b BWG für den Zeitraum Juli bis Oktober 1996 nicht mehr angewendet werden könnten. Der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach sie bis September 1996 über den Eigentümerwechsel in Unkenntnis gewesen sei, habe nicht berücksichtigt werden können, da bei Zinsenvorschreibungen gemäß § 97 BWG die Verschuldensfrage irrelevant sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter anderem geltend gemacht wird, dass aus systematischen Gründen § 97 BWG als Strafbestimmung anzusehen sei. Da der Beschwerdeführerin ein schuldhaftes Verhalten nicht zurechenbar sei, sei die Verhängung der Pönalezahlung ungerechtfertigt erfolgt.

Die "mangelnde Schuldhaftigkeit des Verhaltens der Beschwerdeführerin" sei auch aus dem Zweck, den der Gesetzgeber mit § 97 Abs. 1 Z 6 BWG erreichen wolle, ableitbar. Zweck der Norm sei eine Verhaltenssteuerung des Kreditinstitutes durch die Schaffung wirtschaftlicher Anreize bzw. von Sanktionen, die im Sinne einer Kosten-/Nutzenrechnung beim Kreditinstitut das vom Gesetzgeber gewünschte Verhalten gewährleisten sollten. Dieses Abstellen auf eine Kosten-/Nutzenrechnung im Unternehmen setze jedoch voraus, dass das Kreditinstitut überhaupt über die "Parameter, die in diese Rechnung einzufließen haben", verfüge. Wenn dem Kreditinstitut nicht bekannt sei, dass eine bisher als wirtschaftliche Einheit aufzufassende Unternehmensgruppe nunmehr plötzlich getrennt zu betrachten sei, sei auch die Vornahme einer Kosten-/Nutzenrechnung nicht möglich, sodass gar keine Möglichkeit bestehe, das vom Gesetzgeber durch die gegenständliche Sanktion gewünschte Verhalten überhaupt zu erzielen. Auch das künftige Verhalten des Kreditinstitutes würde nicht beeinflusst werden, da dieses mangels Kenntnis bzw. Kennen-müssens des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht in der Lage wäre, ein normkonformes Verhalten durch Anstellen einer Kosten-/Nutzenrechnung herbeizuführen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf den im Beschwerdefall gegebenen Zeitpunkt der Überschreitung der maßgeblichen Veranlagungsgrenzen hatte die belangte Behörde das Bankwesengesetz BGBl. Nr. 532/1993 in der Fassung BGBl. Nr. 383/1995 anzuwenden.

§ 97 Bankwesengesetz (BWG) in dieser Fassung lautete auszugsweise wie folgt:

"§ 97 (1) Der Bundesminister für Finanzen hat den Kreditinstituten für folgende Beträge Zinsen vorzuschreiben ...

6. 2 vH der Überschreitung der Großveranlagungsgrenzen gemäß § 27 Abs. 5, gerechnet pro Jahr, für 30 Tage;

...

(2) Die nach Abs. 1 zu zahlenden Zinsen sind an den Bund abzuführen."

§ 27 BWG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Stammfassung, BGBl. Nr. 532/1993, lautete:

"Großveranlagungen

§ 27. (1) Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppen haben das besondere bankgeschäftliche Risiko einer Großveranlagung jederzeit angemessen zu begrenzen.

(2) Eine Großveranlagung liegt vor, wenn die Summe der Buchwerte der Veranlagungen nach Z 1 bis 5 eines Kreditinstitutes bzw. einer Kreditinstitutsgruppe bei einer wirtschaftlichen Einheit 15 vH der anrechenbaren Eigenmittel des Kreditinstitutes bzw. der anrechenbaren konsolidierten Eigenmittel der Kreditinstitutsgruppe überschreitet und mindestens sieben Millionen Schilling beträgt:


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1.
Geldforderungen,
2.
Anteilsrechte,
3.
Aktivposten aus dem Leasinggeschäft, die mit dem Barwert der diskontierten Forderungen anzusetzen sind,
4. die Hälfte der Eventualverbindlichkeiten (Anlage 2 zu § 43, Teil 1, Passiva, Posten 1 unter der Bilanz) und
5. nicht ausgenützte Kreditrahmen und nicht ausgenützte Promessen. Für Veranlagungen gemäß Z 1 bis 4 gebildete Rückstellungen sind hievon abzuziehen. Haftet für eine der in Z 1 bis 5 genannten Veranlagungen auch ein Dritter, so kann der Buchwert dieses Postens auch dem Dritten zugerechnet werden, sofern auf Grund einer Prüfung durch das Kreditinstitut feststeht, dass dessen Bonität nicht schlechter als die des primär Verpflichteten ist.

(3) Als wirtschaftliche Einheit gelten:


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1.
Rechtssubjekte;
2.
rechtlich selbständige Unternehmen unabhängig von deren Rechtsform, die zu einem Konzern (§ 15 AktG, § 115 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung) gehören, insbesondere jene, die unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 50 vH miteinander verbunden sind; ist das kreditgewährende Kreditinstitut die Konzernmutter, so gelten jede Tochter und jeder Tochterkonzern als eigene wirtschaftliche Einheit;
3. Personengesellschaften des Handelsrechtes und ihre persönlich haftenden Gesellschafter;
4. Treugeber und Treuhänder, soweit letzterer für Rechnung des Ersteren handelt;
5. der Verpflichtete und seine nahen Angehörigen.

(4) Jede Großveranlagung bedarf unbeschadet der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrates oder des sonst nach Gesetz oder Satzung zuständigen Aufsichtsorgans des Kreditinstitutes. Die Vornahme von Vorratsbeschlüssen ist hiebei unzulässig. Dem Aufsichtsrat oder dem Aufsichtsorgan des Kreditinstitutes ist über jede Großveranlagung mindestens einmal jährlich zu berichten.

(5) Eine einzelne Großveranlagung darf unbeschadet der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes 40 vH der anrechenbaren Eigenmittel eines Kreditinstitutes bzw. der anrechenbaren konsolidierten Eigenmittel einer Kreditinstitutsgruppe nicht überschreiten. Für einzelne Großveranlagungen bei Gemeinden erhöht sich dieser Hundertsatz auf das Doppelte. Die Gesamtheit aller Großveranlagungen eines Kreditinstitutes bzw. einer Kreditinstitutsgruppe darf 800 vH von deren jeweiligen anrechenbaren Eigenmitteln bzw. anrechenbaren konsolidierten Eigenmitteln nicht überschreiten.

(6) Abs. 5 gilt nicht für


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1.
Großveranlagungen beim Bund und bei den Ländern;
2.
Großveranlagungen, soweit der Bund oder die Länder dafür haften;
3.
Anteilsrechte am zuständigen Zentralinstitut;
4.
Aktivposten, soweit sie gemäß § 23 Abs. 13 Z 3 oder 4 von den eigenen Eigenmitteln abgezogen werden;
5. Guthaben bei Kreditinstituten mit Ausnahme von Widmungseinlagen;
6. Guthaben auf Grund der Liquiditäts- und Mindestreserveerfordernisse;
7. Treuhand- und durchlaufende Kredite, soweit das Kreditinstitut nur das Gestionsrisiko trägt;
8. Aktivposten gegenüber Kredit- oder Finanzinstituten, die derselben Kreditinstitutsgruppe gemäß § 30 angehören;
9. Großveranlagungen von Kreditinstituten, die keine Konzession für das Spareinlagengeschäft (§ 1 Abs. 1 Z 1) haben und auf Grund ihrer Satzung ausschließlich oder überwiegend Geldmarkt-, Konsortial-, Treuhand- oder Auftragsgeschäfte, insbesondere für den Bund oder andere Gebietskörperschaften und die Finanzierung von Ausfuhrgeschäften betreiben, gegenüber anderen Kreditinstituten.

(7) Überschreitet die Summe der Buchwerte der Veranlagungen nach Abs. 2 Z 1 bis 5 eines Kreditinstitutes bei einer wirtschaftlichen Einheit 15 vH der anrechenbaren Eigenmittel des Kreditinstitutes oder beträgt sie mindestens zehn Millionen Schilling, so haben sich die Geschäftsleiter des Kreditinstitutes vor Einräumung dieser Veranlagungen an eine wirtschaftliche Einheit die wirtschaftlichen Verhältnisse der Verpflichteten oder Haftenden offenlegen zu lassen und sich für die Dauer der Einräumung über die wirtschaftliche Entwicklung der Verpflichteten oder Haftenden sowie über die Werthaltigkeit und Durchsetzbarkeit von Sicherheiten ausreichend zu informieren sowie die laufende Vorlage von Jahresabschlüssen zu verlangen. Bei Nichtvorlage von Jahresabschlüssen haben sich die Geschäftsleiter des Kreditinstitutes anderwärtig ausreichend über die Verpflichteten oder Haftenden zu informieren. Der erste und zweite Satz gelten nicht für Großveranlagungen gemäß Abs. 6 Z 1, 5 und 6 bis 8 sowie für Einlagen beim zuständigen Zentralinstitut."

§ 103 Z 21 lit. b BWG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) lautet:

"b) Großveranlagungen bei der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und ihren Konzernunternehmen (§ 15 AktG) sind bis längstens an die Grenzen des § 27 anzupassen."

§ 15 Aktiengesetz lautet:

"§ 15. Wesen des Konzerns und des Konzernunternehmens

(1) Sind rechtlich selbständige Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefasst, so bilden sie einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen.

(2) Steht ein rechtlich selbständiges Unternehmen auf Grund von Beteiligungen oder sonst unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss eines anderen Unternehmens, so gelten das herrschende und das abhängige Unternehmen zusammen als Konzern und einzeln als Konzernunternehmen."

Es ist der belangten Behörde grundsätzlich darin zu folgen, dass die Vorschreibung von Zinsen gemäß § 97 Abs. 1 Z 6 BWG nicht die Ahndung einer Verwaltungsübertretung mit einer Verwaltungsstrafe darstellt, sondern eine Aufsichtsmaßnahme (vgl. dazu den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 2286/95, oder das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0006). Der Einwand in der Beschwerde, dass die belangte Behörde das VStG anzuwenden gehabt hätte, geht insoweit ins Leere.

Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, dass sie bei Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale gemäß § 27 in Verbindung mit § 97 Abs. 1 Z 6 BWG zur Vorschreibung der Zinsen verpflichtet sei.

In der Beschwerde wird dem entgegengehalten, dass der Zweck des Bankwesengesetzes nicht erreicht werde, wenn einem Kreditinstitut die maßgeblichen Umstände nicht bekannt seien und letztlich die Beschwerdeführerin für ein Fehlverhalten eines Dritten pönalisiert werde.

Es ist der Beschwerdeführerin zuzugestehen, dass verwaltungsbehördliche Sanktionen, wie sie auch § 27 BWG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 Z 6 BWG vorsieht, grundsätzlich nur ihren Zweck der Steuerung des Verhaltens der Normunterworfenen erreichen, wenn den Normunterworfenen die für die relevanten Entscheidungen maßgeblichen Fakten bekannt sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Anwendung gesetzlicher Sanktionen nicht in Betracht käme, wenn - wie im vorliegenden Fall - in Angelegenheiten des Wirtschaftsrechts auf Grund der Unkenntnis von Vorgängen auf Seiten eines Vertragspartners eines Rechtsgeschäftes (hier: des Kreditgeschäftes) der Adressat der Norm (die Bank) sein Verhalten (noch) nicht auf geänderte Umstände einstellen konnte. Das Gesetz stellt im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf ab, aus welchen Gründen das vom Gesetzgeber als gewünscht angesehene Verhalten nicht gesetzt wird.

Der Gesetzgeber nimmt in einem derartigen Fall gerade in Kauf, dass sich einzelne Normunterworfene (bewusst) für ein Handeln entscheiden, welches vom Gesetzgeber an sich als unerwünscht angesehen wird. Die Gründe, aus denen ein anderes Verhalten als das vom Gesetzgeber als gewünscht angesehene, gewählt wird, sind nicht maßgeblich. Der Unterschied zwischen Sanktionen der vorliegenden Art und Strafbestimmungen besteht gerade darin, dass das als "unerwünscht" qualifizierte Verhalten nicht unter Strafsanktion gestellt wird, der Gesetzgeber das Verhalten also unbedingt und in jedem Fall als rechtswidrig qualifizieren möchte. In Fällen wie dem vorliegenden soll vielmehr durch das Eintreten der finanziellen Rechtsfolge zwar Einfluss auf die Disposition der Rechtsunterworfenen genommen werden; diese können jedoch gegebenenfalls die Zahlung der Zinsen bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Grenzen für Ausleihungen in Kauf nehmen. Es kommt dabei aber nicht darauf an, ob die Überschreitung bewusst oder unbewusst erfolgt. Diese Regelung stößt auch auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Rechtsunterworfenen gegebenenfalls durch die Vereinbarung rechtzeitiger Information Vorsorge treffen können.

Da der vorliegende Beschwerdefall aber hinsichtlich des Sachverhalts, dass ein Unternehmen aus dem Konzern der ÖIAG ausgeschieden ist und daraufhin für einzelne Monate des Jahres 1996 Pönalezinsen vorgeschrieben wurden, jenem gleicht, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 97/17/0449, zugrunde lag, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, war eine Anwendung des § 27 Abs. 5 iVm § 97 Abs. 1 Z 6 BWG ohne Übergangsfrist nach dem Ausscheiden eines Unternehmens aus dem Konzern der ÖIAG rechtlich nicht gedeckt. Auch der vorliegende Bescheid leidet somit aus diesem Grund an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrags auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am