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VwGH vom 23.02.1998, 97/17/0400

VwGH vom 23.02.1998, 97/17/0400

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der Ö-Aktiengesellschaft in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 8/01-27.002/29-1997, betreffend Nachsicht der fälligen Mautstraßenerhaltungsabgabe wegen Unbilligkeit der Einhebung gemäß § 178 Salzburger LAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Erhalter einer im Land Salzburg gelegenen Mautstraße. Auf Grund des am in Kraft getretenen Salzburger Umweltfondsgesetzes (UFG), LGBl. Nr. 50/1992, wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom Mautstraßenerhaltungsabgabe für die Jahre 1992, 1993 und 1994 vorgeschrieben. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 95/17/0067, wurde die gegen diesen Bescheid gerichtete, vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß abgetretene Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof als unbegründet abgewiesen.

1.2. In diesem Erkenntnis wurde u.a. ausgeführt, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem den 2. und 3. Abschnitt sowie die §§ 11 und 14 UFG aufhebenden Erkenntnis nicht ausgesprochen habe, daß - über die Anlaßfallwirkung hinausgehend - das aufgehobene Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sei.

1.3. Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Nachsicht der fälligen Abgabenschuldigkeit wegen Unbilligkeit der Einhebung gemäß § 178 Abs. 1 der Salzburger Landesabgabenordnung (Slbg. LAO), LGBl. Nr. 58/1963. Die Beschwerdeführerin begründete ihren Antrag damit, daß das UFG vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 154-158/94, G 203-206/94, und G 268-270/94, VfSlg. 13.972, aufgehoben worden sei. Der erstinstanzlichen und der belangten Behörde sei der Vorwurf zu machen, unter Verletzung der sie treffenden Entscheidungspflicht über die Mautstraßenerhaltungsabgabe für die Jahre 1992, 1993 und 1994 (zu spät) entschieden zu haben, womit der Beschwerdeführerin die Beschwerdemöglichkeit vor dem Verfassungsgerichtshof, und damit die Möglichkeit, in den Genuß der Anlaßfallwirkung zu kommen, genommen worden sei.

Aus diesem Grunde würde auch eine Amtshaftungsklage erwogen.

1.4. Mit Bescheid des Landesabgabenamtes Salzburg vom , Zl. LAA/Maut - 1678/98-1997, wurde dieser Antrag abgewiesen. Die Behörde erster Instanz begründete ihre abweisende Entscheidung (unter umfangreicher Darlegung des die Abgabenfestsetzung betreffenden Verwaltungsgeschehens) damit, daß die Antragstellerin keinerlei Gründe für das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit bei der Einhebung der Mautstraßenerhaltungsabgabe geltend gemacht habe. Eine sachliche Unbilligkeit liege nicht vor, da allenfalls im Abgabenfestsetzungsverfahren vorliegende Verfahrensverzögerungen nicht auf ein Verschulden der Behörde, sondern vielmehr auf Umstände auf Seiten der Abgabepflichtigen zurückzuführen seien. Im konkreten Fall sei es nur infolge der Nichtbeachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften über die Aufzeichnungs- und Abgabenerklärungspflicht (§ 11 UFG) durch die Abgabepflichtige selbst dazu gekommen, daß es nicht rechtzeitig zur Erlassung eines vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheides gekommen sei.

1.5. In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung legte die Beschwerdeführerin dar, daß bereits im Abgabenfestsetzungsverfahren von ihrer Seite stets Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des UFG geltend gemacht worden seien. Ebenso seien der Abgabenbehörde erster Instanz und der Berufungsbehörde die verfassungsrechtlichen Bedenken "über zwei Jahre hin bekannt" gewesen. Das Land Salzburg hätte zwecks Vermeidung einer beträchtlichen Prozeßkostenlast im Gefolge einer aufhebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ein Interesse gehabt, möglichst wenige Bescheide zu erlassen. Ebenso sei die Abgabenbehörde erster Instanz trotz Unterlassung einer gesetzeskonformen Abgabenerklärung durch die Beschwerdeführerin in der Lage gewesen, innerhalb weniger Wochen die fälligen Abgaben mit Bescheid festzusetzen.

Das Verschulden daran, daß der Beschwerdeführerin kein vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbarer Bescheid vorgelegen sei, liege daher auf Seiten der Abgabenbehörden. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hätte den Bescheid betreffend Festsetzung der Mautstraßenerhaltungsabgabe "so zugestellt", daß die Beschwerdeführerin nicht mehr in den Genuß der Anlaßfallwirkung hätte kommen können. Hätte die Berufungsbehörde zur Erlassung des Abgabenfestsetzungsbescheides nur einen Monat (und nicht 3 Monate) benötigt, wäre eine Bekämpfung des Abgabenfestsetzungsbescheides vor dem Verfassungsgerichtshof möglich gewesen.

1.6. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Nachsicht der fälligen Mautstraßenerhaltungsabgaben wegen Unbilligkeit der Einhebung abgewiesen.

Die belangte Behörde führte begründend aus, daß etwaige Verfahrensverzögerungen im Abgabenfestsetzungsverfahren auf den Umstand zurückzuführen seien, daß die Abgabenerklärungen durch die Beschwerdeführerin nicht ordnungsgemäß eingereicht worden seien. Dadurch seien die Abgabenbehörden nicht in der Lage gewesen, ungesäumt die Abgabe mittels Bescheid festzusetzen. Ebenso wäre der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Erwirkung eines Feststellungsbescheides offengestanden; des weiteren hätte die Abgabepflichtige die Abgabe vorläufig entrichten und sodann einen Rückerstattungsantrag stellen können, worüber die Abgabenbehörden mittels vor den Höchstgerichten bekämpfbarem Bescheid abzusprechen gehabt hätten. Da die für die Festsetzung der Mautstraßenerhaltungsabgabe relevanten Daten der Abgabenbehörde erst am vorgelegen seien, sei darin die Ursache dafür zu sehen, daß die Abgabepflichtige nicht rechtzeitig den Instanzenzug beschreiten und letztendlich die Höchstgerichte anrufen konnte.

Von einer Unbilligkeit könne nicht gesprochen werden, da die Gesellschaft verpflichtet sei, für vorhersehbare Abgabenverpflichtungen Vorsorge zu treffen; weiters sei eine persönlich bedingte Unbilligkeit nicht geltend gemacht worden und die Abgabepflicht lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage.

1.6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, worin die Beschwerdeführerin sich im Recht auf Nachsicht einer fälligen Abgabenschuldigkeit verletzt erachtet.

1.7. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 178 Abs. 1 Salzburger Landesabgabenordnung LGBl. 58/1963 lautet:

"§ 178 (1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre."

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur vergleichbaren Bestimmung des § 236 Abs. 1 BAO wiederholt ausgesprochen, daß Unbilligkeit der Einhebung im allgemeinen voraussetzt, daß die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, 583, mit Nachweisen zur hg. Judikatur).

Die in Abgabeverfahrensgesetzen als Voraussetzung für eine Nachsicht der Einhebung der Abgabe erforderliche Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/13/0208, und vom , Zl. 89/15/0088).

Die Beschwerdeführerin hat nun weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde dargetan, daß in ihrem Fall von einer persönlich bedingten Unbilligkeit gesprochen werden könne. Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt die Beschwerde nämlich, daß die Vorschreibung der Abgabe nach dem UFG die Beschwerdeführerin "lediglich auf Grund von Zufälligkeiten" getroffen habe, welche sich nicht aus "tatsächlichen Unterschieden im Sachverhalt" (wohl gemeint: im Vergleich zu jenen Abgabepflichtigen, die in den Genuß der sogenannten "Anlaßfallwirkung" des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 13972, kamen), sondern lediglich auf Grund von Zufälligkeiten des Verfahrensstandes ergaben.

Insofern in diesem Vorbringen das Vorliegen der Unbilligkeit darauf zurückgeführt wird, daß die Beschwerdeführerin anders als die nach dem UFG Abgabepflichtigen, die die Abgabenbescheide vor dem Verfassungsgerichtshof - erfolgreich - bekämpften, von der Abgabepflicht getroffen wurde, ist ihr folgendes zu entgegnen:

Art. 140 Abs. 7 B-VG lautet:

"Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles anzuwenden."

Schon aus diesem Wortlaut ergibt sich, daß der Verfassungsgesetzgeber in Kauf genommen hat, daß nicht alle sachlich gleichgelagerten Fälle durch ein aufhebendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gleich behandelt werden, sondern der Ausspruch der Wirkung des Erkenntnisses über den Anlaßfall (die Anlaßfälle) hinaus dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten bleibt. Dies führt notwendigerweise dazu, daß die Anlaßfälle gegenüber anderen Fällen begünstigt werden. Die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Belastung treten jedoch allgemein ein und führen ebensowenig wie Gesetzesänderungen oder Änderungen der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen und daher auch nicht zur Unbilligkeit der Abgabenerhebung im Einzelfall (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , 89/13/0266).

Eine Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe liegt aus diesem Grund daher nicht vor.

2.2. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird in der Beschwerde (sinngemäß) geltend gemacht, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, in der Begründung des angefochtenen Bescheides anzuführen, daß Differenzierungen (gemeint wohl innerhalb der Gruppe der nach dem UFG Abgabepflichtigen) im gegenständlichen Fall "allein in Zufälligkeiten des Verfahrensstandes" ihre Ursache haben, weshalb insofern ein Begründungsmangel vorliege. Sofern in diesem Vorbringen die Rüge zu erblicken sein sollte, daß die belangte Behörde auf die Dauer des Abgabenfestsetzungsverfahrens zur Begründung des Nichtvorliegens der Unbilligkeit hätte Bezug nehmen müssen, so ist ihr zu entgegnen, daß weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde dargetan wurde, die sachliche Unbilligkeit sei Folge einer Verfahrensverzögerung auf Seiten der belangten Behörde und die Beschwerdeführerin sei an der Erhebung von Rechtsmitteln, etwa Säumnisbeschwerden, gehindert gewesen. Die Beschwerde erweist sich auch unter diesem Gesichtspunkt als unbegründet.

2.3. Auf die in der Beschwerde - neuerlich - vorgebrachten Bedenken zur Vereinbarkeit des UFG mit der Finanzverfassung war schon aus den in dem dieselbe Beschwerdeführerin betreffenden Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0067, genannten Gründen nicht einzugehen.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte auf Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, da Abgabenangelegenheiten auch nicht zu den "civil rights" im Sinne des Art. 6 MRK zu zählen sind.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

2.6. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht.

2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Gerichtshofes, BGBl. 45/1965 hingewiesen.