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VwGH vom 23.03.1998, 97/17/0283

VwGH vom 23.03.1998, 97/17/0283

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Mag. H, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-05/K/45/004234/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Übertretung des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug zu einem näher beschriebenen Zeitpunkt in Wien an einem näher bezeichneten Ort in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültig entwerteten Parkschein gesorgt zu haben, da dieser gefehlt habe. Die Beschwerdeführerin habe demnach die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt und gegen § 1 Abs. 3 des Parkometergesetzes, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 47/1974 idgF, verstoßen. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis berief die Beschwerdeführerin.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführerin die Verspätung ihrer Berufung vorgehalten. Nach einem Zustellversuch am sei das Schriftstück (Straferkenntnis der Erstbehörde) am selben Tag beim Postamt hinterlegt und zur Abholung bereit gehalten worden. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist habe daher am geendet; die Berufung durch die Beschwerdeführerin sei jedoch erst am "mittels Telegramm" eingebracht worden. Sollte die Beschwerdeführerin im Zustellzeitraum von der Abgabestelle abwesend gewesen sein, werde sie zur Glaubhaftmachung ihrer Abwesenheit und zur Vorlage von Bescheinigungsmitteln binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens aufgefordert.

Eine Äußerung der Beschwerdeführerin erfolgte nicht.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid der belangten Behörde wies diese die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.

Die Rechtsmittelfrist habe am begonnen und am geendet. Die Berufung sei jedoch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am zur Post gegeben worden. Eine Äußerung der Beschwerdeführerin zu dem erwähnten Vorhalt sei nicht erfolgt, sodaß - da der verspäteten Einbringung der Berufung offensichtlich weder eine Abwesenheit von der Abgabestelle noch ein anderer Zustellmangel zugrundegelegen sei - die Berufung verspätet und daher zurückzuweisen gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach ihrem gesamten Vorbringen in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsstrafverfahren und als Folge dessen in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie in der Beschwerde ausgeführt wird, wurde die Berufung der Beschwerdeführerin am im Wege der telefonischen Telegrammaufgabe vorgenommen. Dies geht auch (jedenfalls noch erkennbar) aus dem im Verwaltungsakt enthaltenen Telex hervor. In diesem erscheint unter anderem als dritte Zeile von oben folgender Text:

"WIEN-TEL 1 06 2202"

Aus dieser Ziffernfolge ist ersichtlich, daß die Berufung am 6. (März 1997), um 22.02 Uhr "TEL" aufgegeben wurde.

Der Tatbestand, welcher der belangten Behörde aufgrund des ihr zugänglichen Aktenmaterials - zu dessen Verwertung sie nach dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens verpflichtet war - vorgelegen war, muß, wenn die Beurteilung der Rechtssache durch den Verwaltungsgerichtshof einsetzt, von diesem so betrachtet werden, wie er sich der belangten Behörde zur Zeit der Fällung ihrer Entscheidung dargestellt hatte. Nach Fällung der Berufungsentscheidung zutage getretene Neuerungen können vom Verwaltungsgerichtshof in der Regel nicht berücksichtigt werden. Umstände, die sich aus den Verwaltungsakten ergeben, fallen (daher) nicht unter den Begriff der Neuerung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0298, mwN).

Nun ist es zwar richtig, daß die Beschwerdeführerin auf den Umstand, die Berufung bereits am im Wege der telefonischen Telegrammaufgabe vorgenommen zu haben, nicht hingewiesen hat. Dieser Umstand war jedoch - wie sich aus dem oben wiedergegebenen Text ergibt - aktenkundig. Dazu kommt noch, daß im erwähnten Schreiben der belangten Behörde vom das Schwergewicht der Fragestellung in eine andere Richtung, nämlich der des Vorliegens eines Zustellmangels infolge Ortsabwesenheit der Empfängerin, gelegen war. Außerdem hat die Behörde den Zeitpunkt der Postaufgabe von Amts wegen zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/07/0179).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom in einem vergleichbaren Fall zur telefonischen Telegrammaufgabe dargelegt hat, ist es allein entscheidend, wann das in Frage stehende Telegramm von der Post "in Behandlung" genommen wurde; nicht aber ist es wesentlich, wann die Zumittlung des Telegrammes an die Behörde erfolgte. Im Sinne des erwähnten Erkenntnisses ergibt sich aber der Zeitpunkt, an dem das Telegramm von der Post "in Behandlung" genommen wurde aus dem oben wiedergegebenen Text ("06 22 02"). Hätte die Behörde - worauf sie in der Gegenschrift hinweist - keine Kenntnis von der Bedeutung dieser Ziffernfolge gehabt, so wäre sie im Sinne der sie treffenden Ermittlungspflicht verhalten gewesen, diesbezüglich zweckdienliche Auskünfte einzuholen.

Die belangte Behörde ist somit entweder aktenwidrig davon ausgegangen, daß das Telegramm erst am von der Post "in Behandlung" genommen wurde oder ist ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.