VwGH vom 04.05.1992, 89/07/0124
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der HH in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Zl. LAS-118/2, betreffend Absonderung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom verweigerte das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) gemäß § 38 Abs. 6 des Tiroler
Flurverfassungslandesgesetzes 1978, LGBl. Nr. 54, in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 18/1984 (TFLG) der im Abhandlungsprotokoll nach JH bzw. dem geschlossenen Erbübereinkommen zwischen MH, TH und der Beschwerdeführerin vorgesehenen Übertragung der 14 persönlichen Grasrechte des JH an der Agrargemeinschaft Sidanalpe, Liegenschaft EZ 41 II KG S, auf die Beschwerdeführerin (die Bewilligung).
Über die Berufung der Beschwerdeführerin entschied der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Erkenntnis vom gemäß § 66 Abs. 4 und § 62 Abs. 4 AVG 1950 (§ 1 AgrVG 1950) sowie § 38 Abs. 4 und 6 TFLG dahin, daß die Berufung abgewiesen, der Spruch des Bescheides der AB jedoch in der Weise richtiggestellt wurde, es werde "der am im Erbsübereinkommen zwischen MH, TH und (der Beschwerdeführerin) vorgesehenen Gesamtübertragung der 14 persönlichen Grasrechte an der Agrargemeinschaft Sidanalpe in EZ 41 II KG S auf (die Beschwerdeführerin) die agrarbehördliche Bewilligung verweigert". Begründend wurde ausgeführt:
Nach dem Grundbuchsstand sei JH zu B/40 mit 14 Grasrechten an der Liegenschaft EZ 41 II KG S der Agrargemeinschaft "Sidanalpe" beteiligt. Der Genannte, geboren am , sei ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung am verstorben. Nach der Verlassenschaftsabhandlung vom hätten, nach Belehrung über die Arten und Rechtswirkungen der Erbserklärungen auf Grund des Gesetzes, zum gegenständlichen Nachlaß des Verstorbenen MH für sich die unbedingte Erbserklärung zu 1/3, der Sachwalter A für TH die bedingte Erbserklärung zu 1/3 und die Beschwerdeführerin für sich die unbedingte Erbserklärung zu 1/3 abgegeben. In der Folge sei ein Erbsübereinkommen geschlossen worden. Nach dessen Punkt 3. solle die Beschwerdeführerin für ihren 1/3-Erbanteil unter anderem in ihr Alleineigentum den Anteil (14 Grasrechte) des Erblassers an der Sidanalpe erhalten. Nach dem im Abhandlungsprotokoll formulierten Grundbuchsantrag solle in EZ 41 II KG S beim Eigentumsrecht ob 14 Grasrechten des JH, B/40, die Ersichtlichmachung erfolgen, daß anstelle des bisherigen Berechtigten nunmehr (allein) die Beschwerdeführerin trete. Nach dem letzten Satz zu Punkt 4. desselben Erbübereinkommens sei der Gerichtskommissär beauftragt worden, die erforderliche Zustimmung der Grundverkehrsbehörde und die Genehmigung der Agrarbehörde einzuholen. Mit Schriftsatz vom habe der Notar, offenbar für die Beschwerdeführerin zu Punkt 3. des genannten Erbübereinkommens, betreffend die Übernahme der gesamten 14 Grasrechte an der Sidanalpe, um die agrarbehördliche Genehmigung ersucht. Mit Schreiben vom sei der Notar von der AB unter Hinweis auf § 38 Abs. 6 TFLG aufgefordert worden, jene Stammsitzliegenschaft bekanntzugeben, mit welcher diese Rechte verbunden werden sollten. Hiezu sei der AB mit Schreiben vom mitgeteilt worden, daß keiner der drei Gesetzeserben über einen landwirtschaftlichen Grundbesitz verfüge oder den Beruf eines Landwirtes ausübe. Auch die beiden Nachlaßliegenschaften 73 II und 68 II, je KG L, kämen als Stammsitzliegenschaften nicht in Frage. Jede dieser beiden Liegenschaften bestünde nämlich lediglich aus einem nichtlandwirtschaftlichen Objekt mit etwas Umgebungsgrund. In ihrer Berufung wiederhole die Beschwerdeführerin den Antrag auf agrarbehördliche Bewilligung des nach dem Erbsübereinkommen vorgesehenen Überganges der 14 Grasrechte an der Sidanalpe in ihr Eigentum sowie der grundbücherlichen Durchführung dieses Eigentumsüberganges.
Unbestritten sei der agrargemeinschaftliche Charakter der Grundstücke der Liegenschaft 41 II KG S. Die verfahrensgegenständlichen 14 Grasrechte an dieser Liegenschaft (der Sidanalpe) stellten persönliche (walzende) Anteilsrechte dar. Unbestritten sei auch, daß der Übernahme der gesamten 14 Grasrechte durch die Beschwerdeführerin als (weiter) persönliche Anteilsrechte nach dem Erbübereinkommen vom eine Absonderung vorausgehe, welche der agrarbehördlichen Genehmigungspflicht nach § 38 Abs. 6 TFLG unterliege. In einem solchen Bewilligungsverfahren vor der Agrarbehörde seien die Bestimmungen des Abs. 4 dieses § 38 sinngemäß anzuwenden. Völlig zu Recht verweise daher die AB in der Begründung ihres Bescheides darauf, daß eine agrarbehördliche Bewilligung schon deshalb nicht möglich sei, weil die Übertragung des Gesamtanteilsrechtes auf die Beschwerdeführerin nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes dienen könne; diese sei, wie bereits festgestellt, weder Inhaberin eines Landwirtschaftsbetriebes noch einer Stammsitzliegenschaft. Nach der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 38 Abs. 4 lit. d TFLG sei jedoch eine agrarbehördliche Bewilligung unter anderem dann zu verweigern, wenn der Erwerb des Anteilsrechtes nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines Landwirtschaftsbetriebes diene. Unter den gegebenen Voraussetzungen habe daher der nach dem Erbübereinkommen vom erfolgten Übernahme des Anteilsrechtes von 14 Grasrechten ins "Alleineigentum" der Beschwerdeführerin die agrarbehördliche Bewilligung versagt werden müssen. Hinzu komme noch, daß die beantragte agrarbehördliche Bewilligung nur unter der Auflage erteilt werden könnte, daß das Anteilsrecht mit einer Stammsitzliegenschaft verbunden werde. Auch die Bindung der 14 Grasrechte an der Sidanalpe an eine Stammsitzliegenschaft sei nach dem besagten Erbübereinkommen nicht vorgesehen. Vielmehr, so führe die Beschwerdeführerin aus, wäre dies nicht möglich, weil sie weder Landwirtin sei noch einen landwirtschaftlichen Betrieb bzw. eine Stammsitzliegenschaft besitze.
Als eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sei der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin zu berichtigen gewesen, daß gemäß § 38 Abs. TFLG der nach dem Abhandlungsprotokoll im Erbübereinkommen zwischen MH, TH und der Beschwerdeführerin vorgesehenen Übertragung der 14 persönlichen Grasrechte an der Agrargemeinschaft Sidanalpe, Liegenschaft in EZ 41 II KG S, auf die Beschwerdeführerin die "agrarbehördliche Bewilligung" verweigert werde.
Dieses Erkenntnis bekämpfte die Beschwerdeführerin zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, welcher jedoch mit Beschluß vom , B 82/88, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Vor diesem Gerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes, infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, wobei sie sich in dem Recht auf Erteilung der beantragten Bewilligung der Übertragung von agrargemeinschaftlichen Anteilsrechten in einem fairen Verfahren und in Wahrung der Grenzen der behördlichen Zuständigkeit verletzt erachtet.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und
die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 38 Abs. 6 TFLG dürfen persönliche (walzende) Anteilsrechte vom bisher Berechtigten nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden, wobei Abs. 4 sinngemäß anzuwenden und die Bewilligung mit der Auflage zu erteilen ist, daß das Anteilsrecht mit einer Stammsitzliegenschaft verbunden wird. Gemäß § 38 Abs. 4 TFLG ist die Bewilligung unter anderem (lit. d) zu verweigern, wenn der Erwerb des Anteilsrechtes nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes dient, sofern dieser Erwerb nicht durch die Agrargemeinschaft bzw. durch die Gemeinde als Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen Grundbesitzes erfolgt.
Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde vor, sie verstehe unter einer bewilligungsbedürftigen Absonderung persönlicher Anteilsrechte auch den Übergang solcher Rechte im Erbweg. Dieser Vorwurf und alle daran geknüpften Erörterungen (einschließlich eines behaupteten unerlaubten Eingriffes in das Zivilrechtswesen) verfehlen jedoch schon deswegen ihr Ziel, weil die belangte Behörde jene vermeinte Rechtsanschauung
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- | richtigerweise - gar nicht vertreten hat. Daß aber mit dem Übereinkommen, das die Beschwerdeführerin mit ihren Miterben getroffen hat und das die Grundlage für die Vereinigung aller 14 Grasrechte in der Hand der Beschwerdeführerin darstellt | |||||||||
- | nur diese "Absonderung" (nicht vom Erblasser, sondern) von den Miterben war Gegenstand jenes Verfahrens, mit dem die agrarbehördliche Bewilligung verweigert wurde -, keine gewillkürte Absonderung im Weg eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden erfolgt wäre, behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht; daß eine Stammsitzliegenschaft nicht vorhanden ist, räumt sie ebenfalls ein, weshalb allein schon die Absonderung nicht bewilligt werden konnte, weil der vom Gesetz gebotenen Auflage (§ 38 Abs. 6 TFLG) unter den gegebenen Umständen das Bezugsobjekt fehlte. |
Soweit ferner die Beschwerdeführerin Grundsätze eines fairen Verfahrens infolge des Bestehens eines behaupteten - von der belangten Behörde in der Gegenschrift unter Hinweis auf die bestehende behördliche Organisation in Abrede gestellten - dienstrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisses des Berichterstatters der belangten Behörde gegenüber deren Vorsitzendem geltend macht, ist sie darauf hinzuweisen, daß derartige die belangte Behörde betreffende Mängel ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht (Art. 6 Abs. 1 MRK) beträfen, deren Beurteilung gemäß Art. 133 Z. 1 B-VG nicht dem Verwaltungsgerichtshof, sondern dem Verfassungsgerichtshof obliegt, welcher seinerseits im oben bezeichneten Ablehnungsbeschluß aufgrund des verfassungsrechtliche Fragen berührenden Beschwerdevorbringens vor dem Hintergrund seiner eigenen ständigen Rechtsprechung sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Betracht kommende Rechtsverletzungen als so wenig wahrscheinlich erachtet hat, daß eine hinreichende Aussicht auf Erfolg verneint wurde. Ein - im übrigen nicht ausdrücklich geltend gemachter - Verfahrensmangel wegen Befangenheit liegt im Beschwerdefall schon deshalb nicht vor, weil sich sachliche Bedenken gegen das angefochtene Erkenntnis nicht ergeben haben (siehe die Rechtsprechung bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1990, E. 8, 15, 24 zu § 7 Abs. 1 AVG).
Die sonach unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.