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VwGH vom 15.04.1994, 92/17/0055

VwGH vom 15.04.1994, 92/17/0055

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - H 44/91, betreffend Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bei einer Überprüfung im Betrieb der X & Y-Ges.m.b.H. in Wien, U-Gasse 23, wurde am vom Revisionsbeamten hinsichtlich des Bildschirmgerätes "THE SIMPSONS" festgestellt:

"Vom Spieler können mittels Joystick auf dem Bildschirm zweifelsfrei als Menschen dargestellte Figuren bewegt werden, wobei die Tötung d. dargestellten Menschen durch Kopfschlag (mit Schlaginstrument) als Spielinhalt anzusehen ist. Nach Treffen des Kopfes eines Gegners verschwindet dieser. Ziel des Spieles ist daher die Vernichtung eines Gegners d. in Form eines Menschen dargestellt wird."

In einer ergänzenden Stellungnahme vom wurde u. a. ausgeführt:

"Heute rief der Automatenaufsteller E beim Gefertigten an und ersuchte um einen Augenschein bezüglich richtiger Einstufung des Bildschirmapparates "The Simpsons".

Der Augenschein wurde noch heute um 11 Uhr 45 in der Automatenhalle K, 2, P 1, im Beisein der Herren B, E und Dr. V (Wiener Handelskammer) vorgenommen.

Vorerst wurden dem Gefertigten vom Aufsteller E vier Ablichtungen betreffend TV-Automatenspiel "The Simpsons" übergeben.

Bei mehreren Probespielen am Bildschirmapparat mit der Platine "The Simpsons" konnte folgendes festgestellt werden:

Die Familienmitglieder der "Simpsons" werden als Cartoons dargestellt. Sie sind jedoch zweifelsfrei in ihrer Darstellung als Menschen zu erkennen. Auch ihre Gegner (in der Spielbeschreibung als Gangster und Ganoven bezeichnet) werden sehr realistisch als Menschen auf dem Bildschirm dargestellt.

Aufgrund mangelnder Fertigkeit konnte nur die erste Phase des Spielablaufes bei den Probespielen besichtigt werden. Die Familienmitglieder werden von mehreren Gegnern, die aus verschiedenen Richtungen kommen, angegriffen. Zur Abwehr stehen dem Spieler ein Joystick für die Richtungsänderung, eine Drucktaste für "Jump" und eine weitere Drucktaste für "Attack" für jeweils ein Familienmitglied der "Simpsons" zur Verfügung. Wird ein angreifender Gegner getroffen, z.B. von der Mutter mit dem Staubsauger, vom Vater mit den Fäusten, so fällt dieser um und verschwindet vom Bildschirm.

Die vom Revisionsbeamten B am festgehaltene und weitere Spielphase (am Bildschirmapparat wurde damals offenbar von erfahrenen Spielern gespielt) konnte heute bei den Probespielen nicht erreicht werden.

Anhand des heutigen Augenscheins und der vorliegenden Spielbeschreibung ist zu erkennen, daß hier aggressive Handlungen, und zwar Kampfhandlungen zwischen Menschen, dargestellt werden."

Mit Bescheid vom schrieb der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4/7, dem Beschwerdeführer "und der X & Y-GesmbH. als Gesamtschuldnern .. gemäß § 6 Abs. 4 des Vernügungssteuergesetzes 1987 (VGSG) in der geltenden Fassung für das Halten eines Spielapparates der Type TV-Gerät "The Simpsons" mit der optischen bzw. akustischen Darstellung einer aggressiven Handlung im Betrieb der X & Y-GesmbH in Wien, U-Gasse 23, für die Zeit vom Juni 1991 bis Juli 1991 eine Vergnügungssteuer im Betrag von 28.000,-- S" vor (zuzüglich Verspätungszuschlag von S 2.800,-- und Säumniszuschlag von S 560,--).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte darin u.a. vor, es werde nicht die Tötung bzw. Verletzung von Menschen dargestellt, sondern die Verhinderung der Flucht von Räubern. Ganz bewußt würden im Spiel keine zur Tötung oder Verletzung üblichen Geräte angewendet (wie Messer, Pistolen, usw.), sondern Einrichtungen aus dem normalen Lebensbereich zur Fluchtverhinderung eingesetzt wie Staubsauger und Springschnur. Schon damit solle den Betrachtern suggeriert werden, daß gar keine Assoziationen mit Tötung und Verletzung geplant seien. Dies ergebe sich auch daraus, daß an der Flucht gehinderte Figuren zwar kurzfristig aus dem Spiel verschwänden, aber gleich wieder in Erscheinung träten, was bei einer Tötung oder Verletzung nicht der Fall wäre.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die Berufung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, strittig sei, ob der angeführte Apparat optisch bzw. akustisch eine aggressive Handlung darstelle. Auf Grund des Wortlautes des § 6 Abs. 4 VGSG stehe fest, daß der Gesetzgeber unwiderleglich davon ausgehe, die Verletzung oder Tötung von Menschen sei als aggressive Handlung zu werten, wobei es nicht darauf ankomme, ob diese Darstellung von einem Jugendlichen ernst genommen oder als brutal empfunden werde. Wenn der Beschwerdeführer bestreite, daß eine Tötung oder Verletzung dargestellt werde, so sei dieses Vorbringen unzutreffend, weil die Auseinandersetzungen zwischen den "Simpsons" und den "Gangstern" gewaltsam geführt würden. Daß z. B. bei einem Schlag auf den Kopf der Gegner verschwinde, sei eindeutig als dessen Vernichtung zu interpretieren. Daß er später wieder erscheine, liege in der Spielanlage begründet, die es erfordere, daß bei einer begrenzten Anzahl der Spielfiguren diese wieder auf der Spielfläche erschienen, um eine entsprechende Dauer des Spieles zu gewährleisten. Im übrigen werde in der Spielbeschreibung selbst davon gesprochen, daß der Spieler ein oder mehrere Leben der Spielfigur erhalte und gerade die Verknüpfung zwischen erfolgreicher Gewaltanwendung und Lebensenergie die Darstellung einer aggressiven Handlung im Sinne des § 6 Abs. 4 VGSG unterstreiche, möge diese Darstellung auch nicht auf eine brutale oder sonst abstoßende Weise erfolgen. Daß als Mittel der Auseinandersetzung nicht Messer oder Pistolen verwendet würden, sei dabei ohne Bedeutung, da die verwendeten Mittel zur Tötung oder Verletzung von Menschen "nicht geradezu untauglich sind".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinem Recht verletzt, keine Vergnügungssteuer gemäß § 6 Abs. 4 des Vergnügungssteuergesetzes 1987 für das Halten eines Spielapparates der Type TV-Geräte "The Simpsons", sowie keinen Verspätungszuschlag und keinen Säumniszuschlag vorgeschrieben zu erhalten". Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 6 Abs. 4 Vergnügungssteuergesetz 1987 - VGSG, LGBl. Nr. 43/1987, i.d.F. LGBl. Nr. 3/1990, lautet auszugsweise:

"Für das Halten von Apparaten ..., oder von Apparaten, durch deren Betätigung optisch bzw. akustisch eine aggressive Handlung, wie beispielsweise die Verletzung oder Tötung von Menschen oder die Bekämpfung von Zielen, mit der üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist, dargestellt wird, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat S 14.000,--."

In der Beschwerde wird die Ansicht vertreten, der angefochtene Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde davon ausgehe, daß bei dem Spielapparat der Type TV-Geräte "The Simpsons" optisch bzw. akustisch eine aggressive Handlung, nämlich die Tötung oder Verletzung eines Menschen dargestellt werde. Nach dem festgestellten Sachverhalt werde die amerikanische Fernsehfamilie "The Simpsons" von Gangstern verfolgt und wehre sich gegen diese unter Verwendung der ihnen verfügbaren Mittel, wie Mutter Marge mit einem Staubsauger, der Sohn Bart mit einem Skateboard und die Tochter Lisa mit einem Springseil. Werde einer der Gängster getroffen, so falle er um, verschwinde vom Bildschirm, tauche aber in der nächsten Spielphase wieder auf. Bereits aus dieser Spielbeschreibung ergebe sich, daß eine Verletzung oder Tötung der Gängster nicht dargestellt werde, da sie lediglich kurzfristig verschwänden, jedoch kurz darauf wieder in unveränderter Form auftauchten. Es gebe weder akustisch noch optisch einen Hinweis darauf, daß die Gängster verletzt oder gar getötet worden wären, sondern es lasse sich aus der Darstellung lediglich entnehmen, daß sie kurzfristig vertrieben würden. Dies ergebe sich auch eindeutig aus der Art der verwendeten Mittel, die keineswegs dazu bestimmt seien, Menschen zu verletzen oder gar zu töten. Gewiß sei die Möglichkeit gegeben, daß durch Einsatz der genannten Geräte ein Mensch verletzt werde, doch wäre dies im Extremfall z.B. auch mit einem Zahnstocher möglich. Entscheidend könne nur sein, ob aus der Verwendung dieser Geräte eine Verletzungs- oder Tötungsfolge als wahrscheinlich erwartet werden könne, da eine Verletzung oder Tötung eines Menschen keineswegs dargestellt werde. Da die verwendeten Mittel im vorliegenden Fall keinesfalls mit Wahrscheinlichkeit die Verletzung oder Tötung eines Menschen erwarten ließen, finde sich auch bei Betrachtung der gesamten Darstellung kein Grund für die Annahme, es würden Menschen verletzt oder getötet werden, sondern ergebe sich nur die Situation des vorübergehenden "Verscheuchens" der Gängster.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0269, dargetan hat, ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber lediglich zwei Beispiele für die optische oder akustische Darstellung einer aggressiven Handlung im Sinne des § 6 Abs. 4 VGSG gegeben hat. Er hat damit den Maßstab für die Art und Intensität des aggressiven Verhaltens im Sinne dieser Gesetzesbestimmung festgelegt. Geht man von diesem Maßstab aus, der sich an der Tötung oder Verletzung von Menschen orientiert, dann fällt unter den gesetzlichen Tatbestand nicht nur die beispielsweise genannte Darstellung der Bekämpfung von Zielen, sondern auch die Darstellung von Handlungsweisen, mit denen üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof ist nun mit dem Beschwerdeführer der Rechtsauffassung, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zu dem Schluß kam, durch die Betätigung des Apparates werde die Verletzung oder Tötung von Menschen dargestellt (und sei der Apparat unter den ersten der beiden vom Gesetzgeber beispielsweise angeführten Tatbestände zu subsumieren). Wie sich aus dem insoweit klaren Wortlaut der Regelung ergibt, ist entscheidend, daß - bei dem hier in Frage stehenden Beispielsfall - die Verletzung oder Tötung von Menschen optisch bzw. akustisch DARGESTELLT wird. Es genügt für die Erfüllung dieses (beispielsweisen) Tatbestandes nicht, daß - wovon die belangte Behörde zunächst ausging - "die Auseinandersetzungen ... gewaltsam geführt werden". Entgegen der Meinung der belangten Behörde wird auch durch einen "Schlag auf den Kopf" und das Verschwinden des Gegners von der Bildfläche (noch) nicht die Verletzung oder Tötung von Menschen "dargestellt". Auf die "Darstellung" der Tötung oder Verletzung kommt es an; nicht aber darauf, daß durch das Hinzutreten eines weiteren Erkenntniselementes die dargestellte Handlung als eine solche Tötungs- oder Verletzungshandlung zu "interpretieren" ist, wie dies die belangte Behörde durch Heranziehung der Betriebsbeschreibung unternimmt. Daß aber ein "Schlag auf den Kopf" ohne weiteres und notwendigerweise eine Tötung oder Verletzung eines Menschen indiziert und nicht ein bloßes Ausscheiden aus dem Spiel, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Auf dieser Linie liegt es auch, wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang den mehrdeutigen Begriff "Vernichtung" verwendet.

Diese Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde erweist freilich noch nicht, daß sich der Spruch des angefochtenen Bescheides als rechtsirrig erwiese. Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat der Gesetzgeber lediglich zwei Beispiele für die optische oder akustische Darstellung einer aggressiven Handlung im Sinne des § 6 Abs. 4 VGSG gegeben. Unter den gesetzlichen Tatbestand fällt auch die Darstellung von Handlungsweisen, mit denen ÜBLICHERWEISE die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist. Daß dies auf dem Boden der insofern nicht als unrichtig bekämpften Darstellung des Sachverhaltes OFFENKUNDIG wäre, kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch gleichfalls nicht finden. Geht doch auch die belangte Behörde selbst davon aus, daß "diese Darstellung ... nicht auf eine brutale oder sonst abstoßende Weise" erfolge. Weiters hat die belangte Behörde mit dem Ausdruck (die verwendeten Mittel seien zur Tötung oder Verletzung von Menschen) "nicht geradezu untauglich" zu erkennen gegeben, daß sie die Spieldarstellungen für die vom Gesetz verlangte qualifizierte Aggression nicht als typisch erachtet.

Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, daß es für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen nicht relevant ist, ob und in welchem Rahmen der ORF namensgleiche Programme sendet. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht, worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist, ins Leere.

Aus den oben dargestellten Erwägungen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.