VwGH vom 30.04.1993, 92/17/0020
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber, und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der F-Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 8-1490/3-1991, betreffend Grundsteuermeßbetrag auf den , zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.930,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid vom hat das Finanzamt Wien-Umgebung (in der Folge: Finanzamt) für das nach den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes als Betriebsgrundstück zu bewertende "Superädifikat auf EZ 373" den Einheitswert mit Wirksamkeit ab auf S 160,482.000,-- erhöht und mit Grundsteuermeßbescheid auf den den Grundsteuermeßbetrag für diesen Grundbesitz mit S 64.446,-- festgesetzt.
In der gegen den Grundsteuermeßbescheid erhobenen Berufung vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, daß die Grundstücke, die dem Flughafen unmittelbar dienten und für den Betrieb des Flughafens und für den Flugsicherungsdienst benutzt würden, nicht der Grundsteuer unterlägen und beantragte die Aufhebung des bekämpften Bescheides.
Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung keine Folge. Dies mit der Begründung, die Erhöhung der Einheitswerte gemäß Abschnitt XII, Art. II Abs. 1 Abgabenänderungsgesetz 1982, BGBl. Nr. 570, habe gleichermaßen auch Auswirkung auf jenen Wert, der ausschließlich für Grundsteuerzwecke ermittelt werde und der sich nur auf die grundsteuerpflichtigen, gewerblichen Zwecken dienenden Teile der Grundstücke und Gebäude beziehe. Der hievon abgeleitete Grundsteuermeßbetrag gelte demnach nur für die grundsteuerpflichtigen Teile der Liegenschaft.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Beschwerdeführerin vor, daß der Flugbetrieb der Beförderung von Personen und Frachten in der Luft diene. Dies sei nur durch Einhaltung der Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verordnungen möglich. Zur Beförderung von Frachten bedürfe es der Abfertigungsmöglichkeiten und zur Beförderung von Personen außerdem der im internationalen Luftverkehr üblichen Service-Leistungen. Von diesem Gesichtspunkt aus erhielten alle Baulichkeiten auf dem Flugplatz Wien ihren Sinn und ihre Berechtigung. Die Beschwerdeführerin habe auf dem Flugplatz die Baulichkeiten errichtet, die sie aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen habe errichten müssen, und sich dann bemüht, durch weitere Anlagen und Einrichtungen dem internationalen Standard eines Flughafens nahezukommen.
Anlagen und Einrichtungen, wie Parkhäuser, Mietwagen-Center und Restauranttrakte (sowie weitere im Vorlageantrag näher angeführte Anlagen) seien notwendig, um einen internationalen Flugbetrieb aufrecht zu erhalten, und dienten daher unmittelbar dem Betrieb des Flughafens.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, daß ein Gebäude oder ein Gebäude(teil) dann unmittelbar einem steuerbegünstigten Zweck diene, wenn dieser Zweck ohne diesen Gebäude(teil) nicht oder nur sehr erschwert erreichbar wäre. Bezogen auf den dem Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs dienenden Grundbesitz bedeute "unmittelbar", daß der Betrieb des Flughafens ohne Vorhandensein des Gebäude(teiles) in seiner Funktion beeinträchtigt wäre. Zur Auslegung dessen, was an Gebäudebestand für einen Flughafenbetrieb des allgemeinen Verkehrs, das sei die Durchführung des Güter- und Personenverkehrs mit Luftfahrzeugen, notwendig sei, seien die zum Stichtag in Geltung stehenden, den Luftverkehr betreffenden Bestimmungen des Verwaltungsrechtes heranzuziehen.
Die Bestimmungen der Zivilflugplatz-Betriebsordnung sähen u. a. Einrichtungen für die Versorgung von Luftfahrzeugen mit Betriebsstoffen (§ 11), die Abstellung und Unterstellung von Luftfahrzeugen (§ 12), Vorsorge für die Zoll- und Paßabfertigung (§ 13) oder für die Wartung, Überholung, Instandsetzung von Luftfahrzeugen (§ 36) vor. Die zitierten Gesetze und Verordnungen sähen jedoch nicht vor, daß Buffets, Restaurants, Verkaufsräume, Mietwagen-Center oder Parkhäuser eingerichtet werden müßten. Der Flughafenbetrieb, das sei die Beförderung von Personen und Frachten mit Luftfahrzeugen, werde jedoch durch das Fehlen von Restaurants, Verkaufsräumen, Parkhäusern, Mietwagen-Center und dgl. in seiner Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt.
Ein Mietwagen-Center oder die Parkhäuser, für deren Benützung Entgelt erhoben werde, fielen auch nicht unter den Tatbestand des § 2 Z. 9 lit. a Grundsteuergesetz.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Befreiung von der Grundsteuer verletzt.
Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Z. 9 lit. b Grundsteuergesetz (GrStG) ist für den dem Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs dienenden sowie den für den Flugsicherungsdienst benutzten Grundbesitz keine Grundsteuer zu entrichten. § 4 Abs. 1 und 2 leg. cit ergänzt die Befreiungsbestimmung dahingehend, daß die Befreiung nur insoweit eintritt, als der Steuergegenstand für die in den §§ 2 und 3 bezeichneten Zwecke unmittelbar benutzt wird.
Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin einen "Flughafen des allgemeinen Verkehrs" betreibt. Dieser Begriff ist an Hand der luftfahrtrechtlichen Bestimmungen vor Inkrafttreten des Luftfahrtgesetzes 1957 auszulegen (vgl. hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/17/0005). Dagegen ist das, was dem Betrieb dient, nach der jeweiligen tatsächlichen Verkehrsauffassung und somit dynamisch zu verstehen. Insofern sind daher die Verhältnisse rechtlicher und tatsächlicher Art im Zeitpunkt des Stichtages heranzuziehen.
Zum Betrieb von Zivilflugplätzen ist gemäß § 68 Abs. 1 Luftfahrtgesetz (in der Folge: LFG), BGBl. Nr. 253/1957, eine Bewilligung erforderlich (Zivilflugplatz-Bewilligung). Das gleiche gilt für jede Änderung des bescheidmäßig festgelegten Betriebsumfanges eine Zivilflugplatzes.
Gemäß § 74 Abs. 1 LFG ist der Betrieb von Zivilflugplätzen sowie das Verhalten auf diesen unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit durch Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft (nunmehr: Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) zu regeln (Zivilflugplatz-Betriebsordnung).
Die Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom , betreffend den Betrieb von Zivilflugplätzen
(Zivilflugplatz-Betriebsordnung - ZFBO), BGBl. Nr. 72/1962, enthält demnach Regelungen über den Betrieb von Zivilflugplätzen unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit, jedoch keine abschließende Umschreibung, welche Anlagen und Einrichtungen dem Betrieb eines Zivilflughafens dienen. Für die Flugsicherheit unerläßliche Einrichtungen dienen jedenfalls unmittelbar dem Betrieb eines Flughafens (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zlen. 17/2608/80, 82/17/0137). Damit ist aber nicht ausgesprochen, daß nur solche nach den luftfahrtrechtlichen Bestimmungen zwingend vorgesehene Erfordernisse eines Flughafens diesem unmittelbar dienen können.
Gemäß § 8 der Zivilflugplatz-Verordnung-ZFV 1972, BGBl. Nr. 313, müssen für Zivilflugplätze Zufahrtsstraßen und Parkplätze für Kraftfahrzeuge im erforderlichen Umfang vorgesehen sein.
Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, daß die mit Verordnung für Zivilflugplätze zwingend vorgesehenen Parkplätze nicht auch dem Betrieb des Flughafens dienten. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kommt es weiters nicht darauf an, ob Parkhäuser, Restaurants und dgl. nach den luftfahrtrechtlichen Bestimmungen eingerichtet werden müssen und ob durch das Fehlen der Einrichtungen der eigentliche Flugbetrieb in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist. Vielmehr ist der Betrieb des Flughafens als umfassende Verkehrseinrichtung mit seinen Aufgaben in den Bereichen des nationalen und internationalen Verkehrs zu sehen. Bei den nach den luftfahrtrechtlichen Vorschriften nicht vorgesehenen Einrichtungen und Anlagen ist nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sie nicht dem Betrieb des Flughafens unmittelbar dienen, sondern es wird im Einzelfall stets zu prüfen sein, ob diese objektiv geeignet sind, dem Betrieb des Flughafens unmittelbar zu dienen, und auch tatsächlich dienen. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Einrichtungen und Anlagen (und in welchem Umfang) nach der allgemeinen Verkehrsauffassung für den internationalen Standard eines Flughafens solcher Größenordnung als erforderlich angesehen werden.
Dies hat die belangte Behörde ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht aber nicht geprüft und somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Es erübrigt sich somit, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Stempelgebühren waren nur in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang zuzusprechen.