VwGH vom 19.12.2001, 2001/12/0053
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des Ing. P in W, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kohlmarkt 11/5, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 1-459/99, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit der Verleihung einer schulfesten Leiterstelle, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Berufsschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien.
Im Verordnungsblatt des Stadtschulrates für Wien vom wurde die Schulleiterstelle der Berufsschule für Kraftfahrzeugtechnik II, 1210 Wien, Scheydgasse 40, ausgeschrieben. Im Hinblick auf diese Ausschreibung bewarb sich unter anderen der Beschwerdeführer um diese Stelle.
Auf Grund seines Beschlusses vom schlug der Stadtschulrat für Wien der Wiener Landesregierung die Ernennung des von ihm Erstgereihten Dipl. Ing. H zum Leiter der obgenannten Berufsschule vor. Der Stadtschulrat reihte in seinem Besetzungsvorschlag den Beschwerdeführer an zweiter Stelle.
Mit Beschluss vom ernannte die Wiener Landesregierung den Erstgereihten zum Schulleiter für die Dauer von vier Jahren.
Mit dem - mit der Anrede "Sehr geehrter Herr Ing. S."
eingeleiteten - Schreiben vom teilte der Stadtschulrat für Wien dem Beschwerdeführer mit, dass das Kollegium im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen, unter Berücksichtigung aller Fakten und Informationen, in weisungsfreier Entscheidung die Leiterstelle, um die er sich auf Grund der Ausschreibung vom beworben hätte, anderweitig vergeben habe. Grundlage für die Entscheidung sei das Wiener Modell der Schulleiterbestellung gewesen. Der Beschwerdeführer werde aber herzlich eingeladen, sich bei passender Gelegenheit wieder zu bewerben. Das Schreiben schließt "mit freundlichen Grüßen" des Amtsführenden Präsidenten.
Gegen dieses - vom Beschwerdeführer als Bescheid gewertete - Schreiben erhob er - ohne weitere Ausführung - Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück.
Zur Begründung wurde nach Darstellung des eingangs wiedergegebenen Verwaltungsgeschehens ausgeführt, dass nach § 56 AVG Bescheide individuelle, hoheitliche Erledigungen der Verwaltungsbehörde seien, durch die in bestimmten Verwaltungssachen in einer förmlichen Weise über Rechtsverhältnisse materiellrechtlicher oder formalrechtlicher Art abgesprochen werde. Für das Vorliegen eines Bescheides seien jedenfalls die Bezeichnung der Behörde, der der Bescheid zuzurechnen sei, und der hoheitsrechtliche, rechtsverbindliche (normative) Inhalt wesentliche Kriterien. Das zuletzt genannte Kriterium sei erfüllt, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergebe, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt habe, sondern auch, dass sie normativ, also rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, über eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts abgesprochen habe. Der normative Inhalt müsse sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen stellten keinen normativen Abspruch dar. Eine Erledigung mit der Anrede "Sehr geehrte Frau ...." und abschließenden freundlichen Grüssen sei auf Grund ihrer äußeren Form nicht als Bescheid, sondern als eine Mitteilung von Tatsachen bzw. als Rechtsbelehrung zu werten. Das Schreiben des Stadtschulrates für Wien vom weise zwar die Bezeichnung einer Behörde auf, jedoch fehle ihm jeglicher hoheitlicher, rechtsverbindlicher Inhalt. Aus dem Schreiben ergebe sich eindeutig, dass der Stadtschulrat für Wien nicht normativ über eine Angelegenheit im Rahmen des Ernennungsverfahrens abgesprochen habe, sondern dass er den Beschwerdeführer über die anderweitige - und im Übrigen von der Wiener Landesregierung beschlossene - Vergabe des ausgeschriebenen Leiterpostens habe in Kenntnis setzen wollen. Es handle sich also bei diesem Schreiben um eine Information und nicht um einen Bescheid.
Gemäß § 66 Abs. 4 erster Satz AVG habe die Berufungsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen sei, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Unzulässig sei eine Berufung dann, wenn die angefochtene Erledigung kein Bescheid sei. Somit sei die Berufung mangels eines anfechtungsfähigen Bescheides sofort als unzulässig zurückzuweisen gewesen, ohne dass es eines Verbesserungsauftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG hinsichtlich des fehlenden begründeten Berufungsantrages bedurft hätte. Lediglich der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Bewerber um eine schulfeste Leiterstelle Parteistellung nicht zukomme. Ein Rechtsanspruch auf Ernennung stehe bei Verleihung eines Leiterpostens dem Bewerber nicht zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 1798/99, abgetretene - Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer - nach aufgetragener Ergänzung - die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Sachentscheidung nach § 66 Abs. 1 erster Satz AVG verletzt, weil seine Berufung gegen die Entscheidung des Stadtschulrates für Wien von der belangten Behörde ohne weitere Begründung zurückgewiesen worden sei.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt er aus, dass es sich bei dem Schreiben des Stadtschulrates für Wien vom entgegen der Rechtsmeinung der belangten Behörde um einen Bescheid handle, dessen Mangel nicht zur absoluten Nichtigkeit, sondern lediglich zur Fehlerhaftigkeit führten. Wesentliche Fehler, die die absolute Nichtigkeit eines erlassenen Bescheides begründeten, lägen dann vor, wenn die bescheiderlassende Stelle nicht die Qualität einer Behörde habe oder wenn die den Akt genehmigende Person nicht die Ermächtigung habe, für die Behörde durch Erlassung von Bescheiden tätig zu werden. Der "Bescheid" des Stadtschulrates für Wien vom weise keine absoluten Nichtigkeitsgründe auf.
Im gegenständlichen Schreiben werde die Bewerbung des Beschwerdeführers abgewiesen, indem ihm der Stadtschulrat für Wien mitteile, dass der Stadtschulrat für Wien in weisungsfreier Entscheidung die Leiterstelle anderweitig vergeben hätte. Die Meinung der belangten Behörde, beim Schreiben des Stadtschulrates für Wien hätte es sich lediglich um eine Mitteilung gehandelt, gelte nur für jene Bewerber, die nicht in einem Besetzungsvorschlag aufgenommen worden seien. Solche Schreiben wären dann als Bescheid zu qualifizieren, wenn ihrem Inhalt der Charakter einer individuellen Norm zukäme, wenn sie also gegenüber dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regeln würden. Da dies beim gegenständlichen Schreiben der Fall sei und dem Beschwerdeführer Parteistellung zukomme, sei dieses Schreiben eindeutig als Bescheid zu qualifizieren.
Alle Fehler im Rahmen des Fehlerkalküls führten zur Existenz eines, wenn auch rechtswidrigen, Bescheides. Ein solcher rechtswidriger Bescheid könne daher nach dem in Betracht kommenden Rechtsschutzsystem überprüft und allenfalls aufgehoben oder abgeändert werden, führe jedoch nicht zur absoluten Nichtigkeit. Das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung eines Bescheides als solchen sei dann unerheblich, wenn sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung der Inhalt der Entscheidung als individuelle Norm einwandfrei ergebe. Darüber hinaus gelte die sogenannte Zweifelsregel: Setze sich die Behörde über die Vorschriften des § 58 Abs. 1 AVG hinsichtlich Inhalt und Form eines Bescheides hinweg, dürfe in Zweifelsfällen die Frage nach dem Bescheidcharakter einer Erledigung nicht zu Lasten einer Partei beantwortet werden.
Der Beschwerdeführer habe gegen den rechtswidrigen (fehlerhaften) Bescheid des Stadtschulrates für Wien fristgerecht eine Berufung erhoben, die verbesserungsfähige Mängel aufgewiesen habe und daher gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung zurückzustellen gewesen wäre.
Die belangte Behörde (offenbar gemeint: der Stadtschulrat für Wien) sei für die Ausstellung des gegenständlichen Bescheides auch nicht unzuständig gewesen. Auf Grund der Chronologie der Ereignisse - die Wiener Landesregierung habe auf Grund der Entscheidung des Stadtschulrates für Wien am den Antrag gestellt, die Leiterstelle mit Ing. H zu besetzen, dieser Antrag sei am genehmigt worden; der Bescheid des Stadtschulrates für Wien datiere mit (richtig:) - sei auszuschließen, dass es sich beim Schreiben des Stadtschulrates für Wien nur um eine Mitteilung der Entscheidung des Kollegiums gehandelt habe, es habe sich dabei vielmehr über die Entscheidung der Besetzung selbst und nicht um den "Dreiervorschlag" gehandelt. Im "Bescheid" des Stadtschulrates für Wien sei dem Beschwerdeführer zudem wörtlich mitgeteilt worden,
dass "der Stadtschulrat für Wien ... in weisungsfreier
Entscheidung die Leiterstelle ... anderweitig vergeben" habe.
Der Stadtschulrat habe mit dieser Formulierung geradezu typisch seine eigene Zuständigkeit zur Abweisung der in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber in Anspruch genommen.
Selbst wenn man davon ausginge, dass der Stadtschulrat für Wien für die Abweisung der Bewerbung unzuständig gewesen wäre, stehe dies einer Berufung gegen den von der unzuständigen Behörde erlassenen Bescheid nicht entgegen. Auch ein von einer unzuständigen Behörde erlassener Bescheid sei nicht etwa ein absolut nichtiger Akt, sondern im Umfang seines normativen Ausspruches rechtsverbindlich. In diesem Fall sei allein die Berufungsbehörde zuständig, den Bescheid aus dem Grund der Unzuständigkeit aufzuheben. Da die belangte Behörde (offenbar gemeint: der Stadtschulrat für Wien) dem Beschwerdeführer einen Bescheid über die Ablehnung der Bewerbung ausgefertigt habe, habe sie damit auch dessen Parteistellung im Ernennungsverfahren anerkannt.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes führt der Beschwerdeführer aus, dass er die notwendige Erfahrung und Qualifikation für die Position des Leiters der gegenständlichen Schulstelle ausreichend unter Beweis gestellt habe. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sei hingegen ersichtlich, dass die belangte Behörde (offenbar gemeint: der Stadtschulrat für Wien) den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt und es unterlassen habe, sich mit den aus dem Akteninhalt ersichtlichen Argumenten zu befassen. Durch die mangelnde Sachentscheidung sei jedoch dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen worden, die gesetzlich vorgeschriebene Abwägung und unsachliche Benachteiligung seiner Person durch die zweite Instanz überprüfen zu lassen, weshalb der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes leide.
Dem ist Folgendes zu erwidern:
Im Beschwerdefall ist im Hinblick auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers (mangels Vorliegens eines Bescheides) als unzulässig zurückgewiesen wurde, ausschließlich die Frage zu beantworten, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgt ist.
Der Inhalt der vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpften und eingangs wiedergegebenen Erledigung des Stadtschulrates für Wien vom ist unbestritten.
Gemäß dem nach § 1 Abs. 1 DVG im Beschwerdefall anwendbaren § 58 Abs. 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Bescheide sind grundsätzlich zu begründen und haben dem § 18 Abs. 4 AVG zu entsprechen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also auch aus der Form der Erledigung ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinn des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden (beginnend mit dem Beschluss eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 9458/A).
Mangelt es - wie im Beschwerdefall - der dem Verfahren zu Grunde liegenden Erledigung vom an der für Bescheide vorgesehenen Form, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den - objektiv erkennbaren - Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Bei Zweifeln über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, wie etwa dem Gebrauch von Höflichkeitsfloskeln. Aus einer solchen Form einer Erledigung ist eher darauf zu schließen, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung oder eine bloße Wissenserklärung vorliegt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/12/0124, und vom , Zl. 95/12/0248, je mwN).
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen zeigt bereits die vom Stadtschulrat für Wien gewählte Form der bekämpften Erledigung im Hinblick auf die Anrede, die Einladung, sich bei passender Gelegenheit wieder zu bewerben und die verwendete Grußformel sowie das Fehlen eines normativen Inhaltes, dass diese Erledigung als bloße Mitteilung zu betrachten ist. Insbesondere konnte der Beschwerdeführer der Mitteilung, dass das Kollegium die Leiterstelle anderweitig vergeben habe, im Hinblick auf das bloße Vorschlagsrecht des Stadtschulrates für Wien nicht den normativen Gehalt beimessen, dass mit dieser Erledigung auch gegenüber dem Beschwerdeführer eine normative Gestaltung erfolgen sollte.
Da bereits die unbestrittene Wortwahl im Schreiben vom offenbart, dass die belangte Behörde - zu Recht - das Vorliegen eines Bescheides verneint hat, erweist sich die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung der Berufung schon aus diesem Grund als rechtlich zutreffend.
Es lässt somit schon der Beschwerdeinhalt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Wien, am