VwGH vom 20.04.1998, 97/17/0179
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
97/17/0180 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 1-514/93/E2, betreffend Verkürzung der Fremdenverkehrsabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0391, den Bescheid der belangten Behörde vom , Zl. 1-514/93/E2, im ersten Rechtsgang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. In den Entscheidungsgründen wurde auf das Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0150, verwiesen, dessen wesentliche Aussagen im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/17/0180, wiedergegeben werden.
Im zweiten Rechtsgang gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als die verhängte Strafe auf S 4.000,-- (60 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt wurde. Im übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten habe:
"ÄDer Beschwerdeführerö ist als Vorstandsmitglied der ÄAktiengesellschaftö, welche persönlich haftende Gesellschafterin der ÄGmbH & Coö und somit als gemäß § 9 VStG verantwortliches zur Vertretung nach außen berufenes Organ dafür verantwortlich ist, daß die ÄGmbH & Coö im Jahre 1992 eine Tabak-Trafik (Handel und Tabakwaren) geführt und es vorsätzlich unterlassen hat, den Fremdenverkehrsbeitrag für das Kalenderjahr 1992 bis zum zu bemessen und an die Gemeinde ... zu entrichten, obwohl die Fremdenverkehrsabgabe bis spätestens 31.5. zu bemessen und an die Gemeinde zu entrichten ist. Dadurch hat die ÄGmbH & Coö vorsätzlich die Verkürzung einer Abgabe bewirkt, indem sie die ihr auferlegte abgabenrechtliche Offenlegungspflicht verletzt hat. Nach der von der Gemeinde ... durchgeführten Bemessung hat der Beitrag im Jahre 1992 12.464,-- S betragen."
Zum Verschulden führte die belangte Behörde begründend aus, der Beschwerdeführer habe bedingten Vorsatz zu vertreten. Er habe nämlich selbst ausgeführt, als Geschäftsführer in mehreren Gemeinden Angelegenheiten des Fremdenverkehrsbeitragsgesetzes bearbeitet zu haben. Die Rechtsabteilung des Unternehmens habe die Auffassung vertreten, das Fremdenverkehrsbeitragsgesetz sei verfassungswidrig. Weiters habe der Beschwerdeführer folgendes dargelegt:
"Ich wurde weiters von der Rechtsabteilung dahingehend aufgeklärt, daß dann, wenn die Fremdenverkehrsabgabe nicht selbst bemessen wird, die Gemeinde diese Abgabe in der Folge bescheidmäßig vorzuschreiben hat. Genau letzteres war bei uns damals angestrebt. Wir wollten erreichen, daß die Gemeinde einen entsprechenden Bescheid erläßt und wir dann diesen in der Folge vor den Verfassungsgerichtshof bringen könnten."
In der Begründung heißt es weiter, aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich, daß die Selbstbemessung und Entrichtung der Fremdenverkehrsabgabe (vorsätzlich) nicht erfolgt sei (dies nämlich deshalb, um eine bescheidmäßige Vorschreibung durch die Gemeinde zu erreichen). Die belangte Behörde sei nicht der Auffassung, daß dem Beschwerdeführer ein entschuldbarer Rechtsirrtum zugute komme. Insbesondere von einem Gewerbetreibenden, wie dem Beschwerdeführer, müsse verlangt werden, daß er über die Rechtsvorschriften, die er bei Ausübung seines Gewerbes zu beachten habe, ausreichend orientiert sei; er sei verpflichtet, sich über diese Vorschriften zu unterrichten. Der Beschwerdeführer habe zwar vorgebracht, er habe die Angelegenheiten des Fremdenverkehrsbeitragsgesetzes an die Rechtsabteilung delegiert, wobei er in der Folge von der Rechtsabteilung, wie oben ausgeführt, aufgeklärt worden sei. Daß ihm von der Rechtsabteilung aber eine Auskunft dahingehend erteilt worden sei, er mache sich nicht strafbar, wenn die Fremdenverkehrsabgabe nicht selbst bemessen und entrichtet werde, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Abgesehen davon hätte der Beschwerdeführer auf Grund der von der Gemeinde erfolgten Schreiben im Zusammenhang mit den Fremdenverkehrsbeiträgen 1991 und 1992 Zweifel an der Richtigkeit der von seiner Rechtsabteilung vertretenen Rechtsauffassung bekommen müssen und er hätte sich über die Richtigkeit dieser Rechtsansicht unterrichten müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht wegen Übertretung des AbgVG in Verbindung mit dem Fremdenverkehrsgesetz schuldig erkannt und bestraft zu werden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde wirft dem Beschwerdeführer vor, bedingt vorsätzlich gehandelt zu haben.
Bedingt vorsätzlich handelt, wer es ernstlich für möglich hält, daß er einen Sachverhalt verwirklicht, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, und sich damit abfindet (vgl. § 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB).
Der für das Sich-Abfinden in diesem Sinn erforderliche positive Willensentschluß muß in der Entscheidung stets durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen hinreichend untermauert werden. Allgemeine Formulierungen, wie der Täter "hätte wissen müssen" oder "ihm hätte bewußt sein müssen" vermögen die Annahme bedingten Vorsatzes weder im tatsächlichen noch in rechtlicher Hinsicht zu tragen (vgl. Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, Allgemeiner Teil6, Rz 25 zu Z 27).
Dem Beschwerdeführer wird die Verkürzung einer Selbstbemessungsabgabe vorgeworfen. Seine von ihm vorgebrachten Beweggründe, weshalb er die Abgaben für das Jahr 1992 nicht wie in den Vorjahren auch erklärt und entrichtet habe, waren seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Abgabe und die Information der Rechtsabteilung, im Falle der Nichterklärung der Abgabe habe die Gemeinde diese - anders als im Fall der Selbstbemessung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Gemeinde - mit Bescheid vorzuschreiben. Dieser Bescheid wäre dann beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbar.
Die belangte Behörde stützt das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes allein auf dieses Verhalten des Beschwerdeführers.
Handelt eine Person bedingt vorsätzlich, dann hält sie die Tatbestandsverwirklichung ernstlich für möglich und findet sich mit ihr ab; sie will sie also (Kienapfel, aaO., Rz 24 zu Z 27).
Der Beschwerdeführer hat zwar nach seinen Behauptungen die Einreichung der Abgabenerklärungen für 1992 im Einvernehmen mit seiner Rechtsabteilung bewußt unterlassen, um in weiterer Folge einen im Instanzenzug bekämpfbaren Bescheid zu erhalten, die belangte Behörde hat aber nicht festgestellt, daß er diesen Verfahrensweg selbst dann gewählt hätte, wenn er nicht von einer - seiner Ansicht nach - rechtfertigenden Situation ausgegangen wäre. Eine vorsätzliche Verkürzung der Abgaben kann der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Verantwortung des Beschwerdeführers nicht entnommen werden, weil daraus nicht erkennbar ist, daß der Beschwerdeführer die Tatbestandsverwirklichung ernstlich für möglich gehalten hat.
Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, dem Beschwerdeführer komme ein entschuldbarer "Rechtsirrtum" nicht zugute. Mit dieser Feststellung übersieht sie jedoch, daß aufgrund der Verantwortung des Beschwerdeführers zunächst zu beurteilen gewesen wäre, ob dieser überhaupt einem Irrtum unterlegen ist oder nicht. War dem Beschwerdeführer ein Irrtum zuzugestehen, hätte es erst dann der weiteren Feststellung bedurft, ob ein solcher Irrtum "entschuldbar" war oder nicht. Die belangte Behörde durfte sich jedoch nicht mit der Feststellung begnügen, ein entschuldbarer "Rechtsirrtum" des Beschwerdeführers liege nicht vor, weil sie damit die Frage des Vorliegens eines nicht entschuldbaren Irrtums unbeantwortet ließ. Im Fall eines solchen nicht entschuldbaren Rechtsirrtums hätte der Beschwerdeführer jedenfalls nicht wegen einer vorsätzlichen Tat, sondern nur wegen eines fahrlässigen Verhaltens bestraft werden dürfen.
Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage diese entscheidungserhebliche Feststellungen unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.