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VwGH vom 28.04.1994, 92/16/0161

VwGH vom 28.04.1994, 92/16/0161

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

92/16/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde 1. der E in W und 2. des Dr. J in L, beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 11-1898/90, je betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.020,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind testamentarische Erben nach der am verstorbenen Erna P. In den ausgesetzten Legaten verfügte die Erblasserin jeweils, daß die auf den jeweiligen Legatar entfallende Erbschaftssteuer aus ihrem Nachlaßvermögen zu entrichten sei. Die Höhe dieser Erbschaftssteuer wird von beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit S 17,563.045,-- angegeben.

Strittig ist zwischen den Parteien allein die Frage, ob die auf die Legate entfallende Erbschaftssteuer als Abzugspost gemäß § 20 Abs. 4 bis 6 ErbStG die Bemessungsgrundlage mindere, oder, wie die belangte Behörde meint, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen sei.

Die Beschwerde richtet sich erkennbar nur gegen die Abweisung der Berufung gegen den Abgabenbescheid und läßt die in denselben Berufungsentscheidungen ausgesprochene Aufhebung des Haftungsbescheides unberührt. Es wird - ohne weitere Zuordnung - Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Aufhebung infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschriften der belangten Behörde vor; die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß §§ 1 Abs. 1 Z. 1, 2 Abs. 1 Z. 2 ErbStG

(BGBl. Nr. 141/1955 in der seit der Novelle BGBl. Nr. 656/1989 geltenden Fassung) unterliegen der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches der Steuer nach diesem Bundesgesetz. Die Erbschaftssteuer ist KEINE Nachlaßsteuer, die den gesamten Nachlaß erfaßt, sondern eine Steuer, die für den einzelnen Erwerber von Todes wegen festgesetzt wird (hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 3.002/F). Gemäß § 13 Abs. 1 ErbStG ist der Erwerber Steuerschuldner; jeder Erwerber ist für seinen Teil Steuerschuldner, dies können Erben und Vermächtnisnehmer sein (Dorazil, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz3, 325 mwN).

Wird aber nicht der Nachlaß, sondern der einzelne Erwerb besteuert, können Nachlaßteile letztlich von der Steuer ausgenommen sein. Eine derartige "Befreiung" kann sich nicht aus den Bestimmungen der §§ 14 bis 16 ErbStG ergeben, weil diese Befreiungsbestimmungen grundsätzlich an einen konkreten, der Erbschaftssteuer an sich unterliegenden Erwerb ("bei JEDEM Erwerb" - § 14 Abs. 1 ErbStG) anknüpfen.

Gemäß § 10 ErbStG ist die Steuer, wenn der Erblasser die Entrichtung der von dem Erwerber geschuldeten Steuer einem anderen auferlegt hat, so zu berechnen, wie wenn die Auflage nicht erfolgt wäre. Dies gilt nicht für Schenkungen, bei denen der Geschenkgeber die Zahlung der Steuer übernimmt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in dem von beiden Parteien herangezogenen Erkenntnis vom , VwSlg. 4.160/F, mit der Bedeutung des § 10 ErbStG ausführlich auseinandergesetzt: Gemäß § 13 Abs. 1 ErbStG sei jeder Erwerber Schuldner der ihn für seinen Erwerb treffenden Erbschaftssteuer. Die besondere Bedeutung des § 10 erhelle aus dem zweiten Satz, wonach im Schenkungssteuerfall die Übernahme der Schenkungssteuer durch den Geschenkgeber als weitere Schenkung anzusehen sei, im Erbschaftssteuerfall aber alleine die Zuwendung und nur diese Gegenstand der Abgabenforderung zu sein habe (letzterer Rechtssatz wurde in der Folge im Erkenntnis vom , VwSlg. 5.105/F wiederholt). Durch die Verwendung des Begriffes "Steuer" in der Einzahl und nicht in der Mehrzahl ("Steuern") seit dem Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 sei offenbar die Erbschaftssteuer desjenigen gemeint, zu dessen Gunsten der Erblasser die Anordnung getroffen habe. Im Gegensatz zur Schenkungssteuer habe der Gesetzgeber bei der Erbschaftssteuer davon abgesehen, daß die Erbschaftssteuer zum Erwerb hinzugerechnet werde. Bei Bemessung der Erbschaftssteuer durch den Erben könne die Abzugsfähigkeit der von ihm für den Begünstigten entrichteten Erbschaftssteuer nicht mit dem Hinweis auf § 20 Abs. 7 ErbStG abgelehnt werden. Sinn und Zweck des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes sei es doch, (unentgeltliche) Bereicherungen mit einer Abgabe zu belegen; es würde diesem Prinzip vollkommen zuwiderlaufen, müßte derjenige, den zivilrechtlich eine Last trifft, die den Wert der Zuwendung an ihn mindert, von dem Wert dieser Last auch noch Erbschaftssteuer zahlen. Der im Abs. 7 des § 20 ErbStG in der Einzahl verwendete Begriff "Steuer" könne nur die auf den einzelnen Erwerb entfallende Steuer meinen.

Mit diesem Erkenntnis hat sich zunächst Doralt (Erbschaftssteuerumgehung durch "steuerfreie" Erbschaften, ÖJZ 1972, 36 ff) ausführlich auseinandergesetzt. Er meint zwar, daß das Bereicherungsprinzip als Begründung nur beschränkt herangezogen werden könne, weil gerade § 10 ErbStG für steuerfreie Zuwendungen selbst eine mit dem Zweck des Gesetzes in Widerspruch stehende Regelung getroffen habe. Allerdings sehe das österreichische Erbschaftssteuerrecht einen Ausgleich für den sich aus § 10 ErbStG ergebenden Steuervorteil in Form eines Abzugsverbotes nicht vor. Der Gesetzgeber habe offensichtlich mit einer Kürzung der Erbschaftssteuer im Falle der steuerfreien Zuwendung gerechnet.

Auch Hausleithner betont in ihrer Darstellung (Das Steuervermächtnis, ÖStZ 1978, 63 ff) die Durchbrechnung des Bereicherungsprinzipes durch die mit § 10 erster Satz ErbStG geschaffene steuerfreie Zuwendung. Befreiungen habe das Gesetz aber nur in den §§ 14 bis 17 ErbStG vorgesehen, weshalb § 10 bloß eine Berechnungs-, aber keine Befreiungsbestimmung darstellen könne. Da in dieser Bestimmung "etwas anderes" im Sinne des § 20 Abs. 1 vorgesehen sei, lasse sich aus § 20 ErbStG für das Steuervermächtnis nichts ableiten. Es sei weder beim Vermächtnisnehmer als weiterer Anteil, noch beim Belasteten als Abzugspost zu behandeln.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aus folgenden Erwägungen nicht veranlaßt, von seiner Rechtsprechung abzugehen:

Tatsächlich führt die Anordnung des § 10 erster Satz leg. cit. dazu, daß nur die Zuwendung und nicht die Zuwendung samt Steuer steuerbar ist; daraus ergibt sich letztlich eine mit dem Bereicherungsprinzip in Widerspruch stehende Ausnahme von der Besteuerung. Allein dieser Umstand vermag die Frage der Abzugsfähigkeit aber nicht zu lösen. Welche Verbindlichkeiten ein Erwerber abziehen kann, regelt das Gesetz nämlich nicht taxativ ("insbesondere" im § 20 Abs. 4 ErbStG). Wesentlich ist nach Abs. 5 dieser Bestimmung, daß Schulden und Lasten - sollen sie abzugsfähig sein - in wirtschaftlicher Beziehung zu steuerbaren Teilen des Erwerbes stehen müssen. Steuerbar ist der Erwerb der auf die Erben entfallenden Teile des Nachlasses; wird nun der Erwerber durch letztwillige Verfügung verpflichtet, Verbindlichkeiten Dritter (nämlich die Steuerschuld der Legatare) zu entrichten, kann diese wirtschaftliche Beziehung zu steuerbaren Teilen des Erwerbes nicht in Abrede gestellt werden. Auch das gegenständliche "Steuervermächtnis" muß als Verbindlichkeit erbrechtlicher Natur angesehen werden, welche erst durch den Erbfall ausgelöst wurde (vgl. zum Begriff der "Erbfallschulden" Ehrenzweig-Kralik, Das Erbrecht, 347).

Daß die Bestimmung des § 20 Abs. 7 ErbStG, wonach die Steuer nach dem ErbStG nicht abgezogen werde, für einen Ausschluß der Abzugsfähigkeit nicht herangezogen werden kann, hat auch Doralt (a.a.O, 38) anerkannt und wurde von Hausleithner gegenteiliges gar nicht mehr gefordert. § 20 Abs. 7 ErbStG muß als Ausnahme vom Grundsatz, daß nur der dem Erwerber tatsächlich verbleibende Reinerwerb der Steuer unterliege, einschränkend interpretiert werden. Auch der Zusammenhang mit Abs. 1 dieser Bestimmung, wonach als Erwerb (= Einzahl) der Anfall (= Einzahl) an den Erwerber (= Einzahl) gilt, macht deutlich, daß nur die EINE Erbschaftsteuer des konkreten Erwerbers gemeint sein kann.

Doralt hat auf den allenfalls erheblichen Steuervorteil hingewiesen (a.a.O, 39, unter Hinweis auf Spitaler, Steuerberater-JB 1960/61, 421), der sich durch die aufgrund der österreichischen Gesetzeslage zulässigen Abzugsmöglichkeit ergibt und wörtlicht ausgeführt: "Es wäre vielmehr Sache des Gesetzgebers, die Ausnützung von Begünstigungen vorher zu bedenken. Tut er dies ohne gehörige Sorgfalt, dann kann nicht eingewandt werden, daß derartige Ausnützungen der gebotenen Vorteile Steuerumgehungen wären".

Dem ist nur hinzuzufügen, daß der deutsche Gesetzgeber durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts (BGBl. 1974 I, 933) im § 10 Abs. 2 dErbStG die Steuerbarkeit des Steuervermächtnisses eindeutig normiert hat: "Hat der Erblasser die Entrichtung der von dem Erwerber geschuldeten Steuer einem anderen auferlegt oder hat der Schenker die Entrichtung der vom Beschenkten geschuldeten Steuer selbst übernommen oder einem anderen auferlegt, so gilt als Erwerb der Betrag, der sich bei einer Zusammenrechnung des Erwerbes nach Abs. 1 mit der aus ihm errechneten Steuer ergibt".

Hingegen erlaubt die nach wie vor in Österreich unveränderte Rechtslage nicht, dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 1 ErbStG eine andere Bedeutung zuzumessen oder, über den Ausnahmenkatalog des § 20 ErbStG hinausgehend, eine Abzugsmöglichkeit zu verschließen.

Somit belastete die belangte Behörde dadurch, daß sie die gegenständlichen Lasten bei Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage nicht abzog, die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes. Sie waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.