VwGH vom 18.09.2000, 97/17/0149
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-8175/2-1997, betreffend Kanalgebühren (mitbeteiligte Partei: Gemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren des Landes Tirol wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde in Spruchpunkt 1 die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen die im Berufungsweg erfolgte Bestätigung der Zurückweisung einer Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom , mit welchem dem Beschwerdeführer Kanalabgabe für das Jahr 1995 vorgeschrieben worden war, als unbegründet abgewiesen.
Mit Spruchpunkt 2 des Bescheids vom hob die belangte Behörde auf Grund der Vorstellung des Beschwerdeführers die Bestätigung der Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde.
Die Berufung gegen die beiden erstinstanzlichen Bescheide hatte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom erhoben.
Hinsichtlich der Berufung gegen den Bescheid vom führt die belangte Behörde begründend aus, dass anlässlich einer Nachforschung nach der nichtbescheinigten Postsendung (Bescheid vom , Aufgabedatum ) im Februar 1996 vom Beschwerdeführer angegeben worden sei, dass er die Sendung als Empfänger erhalten habe. Aus einem Aktenvermerk vom März 1996 sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer anlässlich des Herbstsängertreffens in dem von ihm geführten Gasthaus S-Wirt (der Abgabestelle) am anwesend gewesen sei. Der Briefträger der mitbeteiligten Gemeinde habe angegeben, dass die Postsendung am von der Gemeinde zur Post gegeben worden sei und er sie einen Tag später, am im Büro des S-Wirts Frau B übergeben habe (entsprechende Sachverhaltsfeststellungen wurden bereits vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde im Berufungsbescheid vom getroffen). Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe ausgeführt, dass die Aussage des Postbeamten lediglich als Vermutung angesehen werden könne und Frau B nicht zustellungsbevollmächtigt gewesen sei. Es möge auch sein, dass der Beschwerdeführer beim Sängertreffen am 4. November anwesend gewesen sei, es habe dies aber nichts damit zu tun, ob er von dem fraglichen Schriftstück Kenntnis erlangt habe oder nicht. Auf Grund der von der Behörde zu vertretenden Verletzungen der Zustellvorschriften sei der genaue Tag der Zustellung nicht nachvollziehbar, sondern nur so viel, dass das Schreiben dem Beschwerdeführer nach dem zur Kenntnis gelangt sei. Die belangte Behörde fährt sodann fort, dass auf Grund des Ermittlungsverfahrens und insbesondere der auch von Seiten des Beschwerdeführers nicht bestrittenen Feststellung, dass der Beschwerdeführer am anlässlich des Sängertreffens beim S-Wirt dort anwesend gewesen sei, davon auszugehen sei, dass die Zustellung mit dem als bewirkt anzusehen sei. Im Sinne des § 26 Abs. 2 Zustellgesetz sei hinsichtlich eines früheren Zustellzeitpunktes allein die Berufungsbehörde beweisbelastet. Im Falle des Misslingens dieses Nachweises gälten die Rechtswirkungen der Zustellung erst mit dem im § 26 Abs. 2 Zustellgesetz vermuteten bzw. vom Empfänger zugestandenen Zeitpunkt als bewirkt. Die Zustellung sei somit im Sinne des § 26 Abs. 2 Zustellgesetz mit bewirkt, die Rechtsmittelfrist habe sohin am 6. November zu laufen begonnen. Die Zurückweisung der Berufung vom sei daher im Falle der Berufung gegen den Bescheid vom zu Recht erfolgt. In der Folge wird begründet, weshalb hinsichtlich des Bescheides vom die Berufung jedoch als rechtzeitig anzusehen war.
Gegen Spruchpunkt 1 des Bescheides vom (Abweisung der Vorstellung, soweit sie die Zurückweisung der Berufung gegen den Bescheid vom betrifft) richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf korrekte Abwicklung seines Verwaltungsverfahrens nach der Tiroler Landesabgabenordnung, insbesondere nach den §§ 77 und 78 hinsichtlich der Zustellung, sowie darin verletzt, gegen einen Abgabenbescheid die Berufung erheben zu können.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt (die gleichzeitig auch zur hg. Zl. 97/17/0141 als Verwaltungsakt vorgelegt wurden) und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 77 Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 34/1984, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 89/1993, lautet:
"§ 77
Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt
a) bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung, soweit in den Abgabenvorschriften nichts anderes bestimmt ist;
b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung."
§ 78 Tiroler Landesabgabenordnung in der Fassung
LGBl. Nr. 89/1993 lautet:
"§ 78
Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, in der Fassung des Gesetzes BGBl. Nr. 357/1990 vorzunehmen."
§ 79 Tiroler Landesabgabenordnung lautet:
"§ 79
Wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen, hat die Abgabenbehörde die schriftlichen Ausfertigungen mit Zustellnachweis zuzustellen. Bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe ist die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken."
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu vergleichbaren Regelungen betreffend die Zustellung ausgesprochen hat, ist auch die Zustellung eines Bescheides nicht zwingend mit Zustellnachweis vorzunehmen (vgl. für den Bereich der Sozialversicherung Slg. 1141 A, für die Bodenreform betreffend die Frage, ob zu eigenen Handen zuzustellen wäre, Zl. 87/07/0005; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/04/0187, in dem es um die Zustellung eines Bescheides betreffend die Handelskammerumlage ging; der Verwaltungsgerichtshof hob den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts im Zusammenhang mit der Lösung der Frage, wann der Bescheid zugestellt worden war, auf, ohne am Umstand, dass eine Zustellung ohne Zustellnachweis erfolgt war, Anstoß zu nehmen).
§ 26 Abs. 2 Zustellgesetz in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 lautete:
"(2) Zustellungen im Sinne des Abs. 1 gelten als mit dem dritten Werktag nach der Übergabe an die Gemeinde oder den behördlichen Zusteller bewirkt, es sei denn, es werde behauptet, die Zustellung sei nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen worden. Im Zweifel obliegt es der Behörde, die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen. War der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 im Zeitpunkt der Zustellung vorübergehend von der Abgabestelle abwesend, so wird die Zustellung erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."
Gemäß § 1 Abs. 3 Zustellgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 ist bei Zustellungen ohne Zustellnachweis durch Organe der Post neben den Vorschriften über die Zustellung von Postsendungen unter anderem auch § 26 Abs. 2 des Zustellgesetzes sinngemäß anzuwenden.
Die belangte Behörde ist in diesem Sinne zutreffend davon ausgegangen, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren als Bestreitung der Zustellung im Sinne des § 26 Abs. 2 Zustellgesetz gewertet werden konnten. Es ergibt sich somit die Notwendigkeit des Nachweises der Zustellung, die entsprechende Vermutung wird durch die Bestreitung außer Kraft gesetzt. Diesen Nachweis hat die belangte Behörde ohne Verstoß gegen die Denkgesetze erbracht. Der Beschwerdeführer hat auch nichts Überzeugendes dazu vorgebracht, weshalb ihn die Sendung nicht wie von der belangten Behörde festgestellt vor dem 10. November erreicht haben sollte. Da der Beschwerdeführer nur bestreitet, von dem Schreiben Kenntnis erlangt zu haben, hat der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde zu Grunde gelegte, der der Lebenserfahrung nicht widersprechende Wertung der Beweisergebnisse. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers einen Verfahrensmangel im Sinn des § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG hinsichtlich der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts aufzeigt.
Die Beschwerde lässt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers
BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den auch in diesem Verfahren geltend gemachten Vorlageaufwand, da dieser bereits im Verfahren zur Zl. 97/17/0141 (hinsichtlich des nur einmal vorgelegten Verwaltungsaktes) zugesprochen wurde.
Wien, am