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VwGH vom 13.12.1990, 89/06/0196

VwGH vom 13.12.1990, 89/06/0196

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1) des GW und 2) der BW gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-550-1586/1, betreffend die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Mehrzweckplatzes (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen von je S 1.380,-- (insgesamt S 2.760,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde bewilligte dieser Gemeinde mit Bescheid vom die Errichtung eines Mehrzweckplatzes mit Bushaltestelle und PKW-Abstellplätzen auf der Grundparzelle nn1 und Teilflächen der Grundparzellen nn2, nn3, nn4 und nn5 der Katastralgemeinde R. Die Beschwerdeführer haben als Nachbarn gegen diesen Bescheid Berufung erhoben, welcher mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom keine Folge gegeben wurde.

Die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Berufungsbescheid wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. In dieser machen die Beschwerdeführer - wie schon im Verfahren auf Verwaltungsebene - (sinngemäß und zusammengefaßt) geltend, daß der (aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses der mitbeteiligten Gemeinde DEREN ANTRAG bewilligte) Mehrzweckplatz widmungswidrig sei, weil die Gemeinde beabsichtige, diesen Platz für die Aufstellung von Festzelten, als Jahrmarkt, für Messe- und Zirkusveranstaltungen, für Konzerte im Freien oder in Zelten, sowie als Vergnügungspark usw. zu verwenden. Diese Art der Verwendung sei nach § 14 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes rechtlich nicht gedeckt, weil im Mischgebiet (um ein solches handelt es sich bei den hier strittigen Grundflächen) nur solche Bauten errichtet werden dürfen, welche für die Bewohner dieses Gebietes keine Gefahr für Leben und Gesundheit, insbesondere auch durch starke Rauch-, Staub- und Lärmentwicklung befürchten ließen. Diese Beschränkungen würden auch für "Versammlungs- und Vergnügungsstätten" im Sinne des § 14 Abs. 2 lit. a des Tiroler Raumordnungsgesetzes gelten. Die von der Gemeinde beabsichtigten Verwendungszwecke des Platzes seien daher unzulässig, zumal sie durchwegs mit großer Lärmentwicklung verbunden seien. Der statt der bestehenden Wiese geplante Schotterrasen verursache nach Meinung der Beschwerdeführer unzulässige Staubentwicklung. Darüberhinaus hätten an der Entscheidung befangene Verwaltungsorgane mitgewirkt: Die mitbeteiligte Gemeinde habe, aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses vertreten durch den Bürgermeisterstellvertreter, das Bauansuchen gestellt, über welches der Bürgermeister entschieden habe; der Gemeindevorstand habe über die Berufung der Beschwerdeführer unter dem Vorsitz des Bürgermeisterstellvertreters entschieden, der den Berufungsbescheid auch für den Gemeindevorstand ausgefertigt habe. Der Bürgermeisterstellvertreter habe somit als Antragsteller des Bauansuchens über die Berufung (mit)entschieden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG 1950 haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn wichtige (in den Ziffern 1 bis 3 des § 7 AVG 1950 nicht genannte) Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Eine solche Befangenheit liegt hier vor, zumal der Bürgermeisterstellvertreter als gesetzlicher (und daher nicht unter Ziffer 3 des § 7 AVG 1950 fallender) Vertreter der mitbeteiligten (antragstellenden) Gemeinde auch an der Berufungsentscheidung mitgewirkt hat. Die Mitwirkung eines befangenen Verwaltungsorganes im Rahmen einer Kollegialbehörde (wie hier: des Gemeindevorstandes) bewirkt jedoch nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht etwa eine Unzuständigkeit der erkennenden Behörde (vgl. die Erkenntnisse des VfGH, VfSlg. 3408/1958, 5592/1967, 8544/79 und des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 4942/A, vom , Zl. 1465/76, und vom , Zl. 291/76 uva.) und ebensowenig eine Nichtigkeit der Entscheidung (vgl. die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 4942/A und vom , Zl. 2023/78 und 972/80), sondern eine Verletzung von Verfahrensvorschriften; dieser Mangel kann im Verwaltungsverfahren mit dem Rechtsmittel gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 542/A) und vor dem Verwaltungsgerichtshof dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sich sachliche Bedenken gegen den Bescheid ergeben (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 1708/68, vom , Zl. 2023/78 und 972/80, sowie vom , Zl. 89/08/0035).

Dies trifft im Beschwerdefall aus den nachstehend dargelegten Gründen nicht zu, wobei die Frage offenbleiben kann, ob der strittige "Mehrzweckplatz" in der vorgesehenen Form tatsächlich eine (bewilligungspflichtige) bauliche Anlage im Sinne des § 3 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung darstellt (wie die Beschwerdeführer meinen) oder ob es sich um eine nicht bewilligungspflichtige Bauführung handelt (wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint); aber selbst unter der Annahme der Bewilligungspflicht des Bauvorhabens (Umwandlung einer Wiese in einen mit Abflußrohren, einer Schotterschicht und darauf gepflanztem Rasen befestigten Platz) wurden die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid bzw. durch die auf Gemeindeebene ergangenen Bescheide in keinem Recht verletzt:

Die Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, räumt in ihrem § 30 (wie auch die übrigen österreichischen Bauordnungen) dem Nachbarn nur ein beschränktes Mitspracherecht in jenen Angelegenheiten ein, in denen durch baurechtliche Bestimmungen den Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte zuerkannt wurden.

§ 30 Abs. 4 TBO lautet:

"(4) Wird von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung auf Grund dieses Gesetzes begründet ist, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendung), so hat die Behörde über diese Einwendung abzusprechen, indem sie die Einwendung als unbegründet abweist, die Baubewilligung unter Bedingungen oder mit Auflagen erteilt oder die Baubewilligung überhaupt versagt. Subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden."

Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, daß das geplante Bauvorhaben der Widmung der dafür in Anspruch genommenen Grundparzellen (unbestrittenermaßen Mischgebiet-Kerngebiet im Sinne des § 14 Abs. 2 lit. a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 TROG, LGBl. Nr. 4, in der Fassung LGBl. Nr. 38/1984) widerspreche, liegt eine zulässige nachbarrechtliche Einwendung vor. Diese ist jedoch nicht berechtigt; die maßgebenden Bestimmungen des § 14 Abs. 1 und 2 lit. a TROG lauten:

"§ 14

Mischgebiete

(1) Mischgebiete sind jene Grundflächen, auf denen die im Wohngebiet zulässigen Bauten sowie Betriebsanlagen errichtet werden dürfen, die für die Bewohner dieses Gebietes keine Gefahr für Leben und Gesundheit, insbesondere auch durch starke Rauch-, Staub- und Lärmentwicklung, befürchten lassen.

(2) Im Mischgebiet können folgende besondere Widmungen festgelegt werden:

a) Kerngebiete,

das sind Grundflächen, auf denen öffentliche Bauten, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, Bauten des Gast- und Schankgewerbes, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, im übrigen aber nur die im Wohngebiet zulässigen Bauten errichtet werden dürfen;"

Die Beschwerdeführer übersehen, daß die baubehördliche Bewilligung der Herstellung eines "Mehrzweckplatzes" weder bedeutet, daß damit bestimmte Veranstaltungen, wie sie von den Beschwerdeführern genannt werden, genehmigt werden, noch, daß die Anrainer zufolge dieser Bewilligung jedwede Art von Veranstaltung zu dulden hätten. Ob und welche Veranstaltungen in diesem Gebiet (unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Rechts) zulässig sind, hängt von der Art der Veranstaltung, der Zulässigkeit der dabei - gegebenenfalls - verwendeten Baulichkeiten und der Erteilung allfälliger sonstiger erforderlicher verwaltungsrechtlicher Genehmigungen ab. Umso weniger werden durch den angefochtenen Bescheid privatrechtliche Abwehrrechte der Beschwerdeführer präjudiziert. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, aus welchen Gründen die Beschwerdeführer offenbar meinen, daß derartige Veranstaltungen, wenn sie auf der bestehenden Wiese abgehalten würden, in geringerem Ausmaß zu Lärmbelästigungen der Anrainer führen könnten, als dies bei Abhaltung auf einem für diesen Zweck mit Rasenschotter befestigten Platz der Fall wäre. Ein derartiger Mehrzweckplatz ist auch keine Betriebsanlage, die für die Bewohner dieses Gebietes eine Gefährdung duch starke Rauch-, Staub oder Lärmentwicklung iSd § 14 Abs. 1 TROG befürchten ließe. Die Errichtung des gegenständlichen Mehrzweckplatzes, von dem für sich allein genommen keine mit der Widmung "Wohngebiet" oder "Mischgebiet" in Widerspruch stehende Emission ausgehen kann, ist vielmehr in Gebieten mit der genannten Widmung zulässig.

Da der angefochtene Bescheid somit weder mit der in der Beschwerde geltend gemachten noch mit einer sonstigen, vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.