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VwGH vom 25.02.1993, 92/16/0141

VwGH vom 25.02.1993, 92/16/0141

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der F in M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 33-6/92, betreffend Beschlagnahme gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Zollamt Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz hat am mit der Beschlagnahmeanordnung gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG eine Handschrift "Eusebius von Caesarea:

Historia ecclesiastica, 166 foll. Pergament, 300 x 210 mm,

12. Jahrhundert, St. Lambrecht" beschlagnahmt. Auf Grund einer beim Zollamt Graz eingegangenen Anzeige bestehe der Verdacht, daß die genannte Handschrift vorsätzlich unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht in das österreichische Zollgebiet eingebracht worden sei und daher als Tatgegenstand eines Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG dem Verfall unterliege.

In der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde machte die Beschwerdeführerin geltend, sie sei infolge der Kriegswirren in ihrer Heimat in eine finanzielle Notlage geraten und habe einen Bekannten gebeten, bei der Universitätsbibliothek Graz vorzufühlen, ob diese eventuell an einem "Rückkauf" interessiert sei. Sie habe, da der Leiter der Handschriftensammlung der Universitätsbibliothek Graz die Handschrift im Original besichtigen wollte, diese im November 1991 nach Österreich verbracht. Zu diesem Zeitpunkt sei ein konkreter Kauf bzw. Verkauf noch nicht festgestanden. Wäre es zu einem Verkauf gekommen, hätte die Beschwerdeführerin den Zoll und die anfallenden Steuern entrichtet. Sie habe die Gesprächspartner der Universität Graz extra gefragt, wer Zoll und Steuern zu entrichten habe. Demnach habe sie die Handschrift nicht mit dem Vorsatz nach Österreich eingeführt, einen Verkauf ohne Entrichtung der nötigen Abgaben zu tätigen. Da sie nicht gewollt habe, daß eine zollamtliche Behandlung der Ware unterbleibe, habe sie die subjektive Tatseite nicht erfüllt. Die Handschrift sei bisher nicht verkauft worden und da sie diese ohnehin wieder nach Jugoslawien ausführen wollte, sei davon auszugehen, daß ein zollrechtlich relevanter Vorgang nicht stattgefunden habe. Anläßlich der Einreise im November 1991 sei sie von den österreichischen Zollorganen weder nach mitgeführten Waren gefragt, noch aufgefordert worden, eine Erklärung über die Einfuhr einer ausländischen Ware abzugeben. Vielmehr sei sie von den Zollwachebeamten an der Grenze einfach durchgewunken worden. Darüber hinaus könne man im vorliegenden Fall nicht von einer Ware, die zum Handel bestimmt sei, sprechen. Der Tatbestand des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG sei daher nicht erfüllt. Die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme sei nicht gerechtfertigt, weil sie weder zur Sicherung des Verfalles noch als Beweismittel nötig sei.

Mit der nunmehr angefochtenen Beschwerdeentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, Tatobjekt des Schmuggels seien eingangsabgabepflichtige Waren. Unter "Waren" seien nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 ZollG bewegliche, körperliche Sachen aller Art zu verstehen.

Gemäß § 48 ZollG sei jede über die Zollgrenze eingehende Ware grundsätzlich dem der Übertrittsstelle nächstgelegenen Grenzzollamt zu stellen. Daß die Ware zum Handel bestimmt sei, sei somit weder Voraussetzung für ihre Zollhängigkeit noch für die Stellungspflicht. Zur Stellung der Ware sei verpflichtet, wer sie im Gewahrsam habe. Die Stellungspflicht sei erfüllt, wenn die Ware dem Zollamt so vorgeführt werde, daß das Zollorgan bei der Zollkontrolle in die Lage versetzt werde, vom Vorhandensein der Ware Kenntnis zu nehmen. Der zur Stellung Verpflichtete sei daher verhalten, aktiv tätig zu werden und habe dafür zu sorgen, daß die zollhängige Ware einer der Arten des Zollverfahrens unterzogen werde.

Daß die Handschrift bis dato nicht verkauft worden sei, habe nichts daran ändern können, daß diese von der Beschwerdeführerin dem Zollverfahren entzogen worden sei, weil sie trotz Zollhängigkeit nicht gestellt und keinem Zollverfahren zugeführt worden sei. Die Bewirkung einer Verkürzung von Eingangsabgaben sei hingegen nicht Tatbestandsmerkmal des Schmuggels.

Der Verdacht, die Beschwerdeführerin habe den Tatbestand des Schmuggels in subjektiver Hinsicht verwirklicht, gründe sich auf die Verantwortung der Beschwerdeführerin: Diese habe vorgebracht, es sei ihr keine Möglichkeit gegeben worden, die Handschrift zu deklarieren, weil sie durchgewunken worden sei. Es sei international nicht üblich, bei Grenzübertritten jedes Fahrzeug anzuhalten und die Einreisenden nach mitgeführten Waren zu befragen. Die Gepflogenheit des "Durchwinkens" sei der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer mehrmaligen Grenzübertritte zwischen Österreich und Slowenien sicherlich bekannt gewesen. Weiters sei allgemein bekannt, daß im Fall des Mitführens von eingangsabgabepflichtigen Waren diese von sich aus und nicht nur über Befragen des Zollorganes zu stellen seien. Darüberhinaus sei es üblich, sich über Zollvorschriften und Einreisemodalitäten anläßlich der Einfuhr eines Gegenstandes bei der Zollbehörde und nicht erst später bei für Zollangelegenheiten nicht kompetenten Vertragspartnern zu erkundigen. Da der Beschwerdeführerin nach eigenen Aussagen bekannt gewesen sei, daß sie eine wertvolle Handschrift mit sich führe, für die Zoll und Steuer zu entrichten seien, bestehe der Verdacht, die Beschwerdeführerin habe beim "Durchwinken" ihres PKW zumindest in Kauf genommen, die Handschrift unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren zu entziehen. Zur Verwirklichung des in Rede stehenden Finanzvergehens sei das Vorliegen des bedingten Vorsatzes (§ 8 Abs. 1 FinStrG) ausreichend.

Im Zeitpunkt des Ausspruches der Beschlagnahme brauche noch nicht nachgewiesen zu sein, daß die Beschwerdeführerin das mit Verfall bedrohte Finanzvergehen begangen habe, weil diese Aufgabe dem Untersuchungsverfahren nach den §§ 114 ff FinStrG und dem Erkenntnis zukomme. Überdies diene der Tatgegenstand als Beweismittel in dem gegen die Beschuldigte eingeleiteten Finanzstrafverfahren.

Die Beschwerdeführerin habe selbst in der Beschwerde an die Verwaltungsbehörde vorgebracht, sie wolle diese noch immer in ihrem Eigentum stehende Handschrift wieder nach Jugoslawien ausführen. Aufgrund dieses Vorbringens und der schlechten wirtschaftlichen Situation der Beschwerdeführerin, die durch den Verkauf der Handschrift verbessert werden sollte, sei zu befürchten, daß sie die Handschrift anderweitig verkaufen oder sonst dem jederzeitigen Zugriff der Behörde entziehen werde. Der Zweck des Verfalles wäre vereitelt, weshalb die Beschlagnahme der Handschrift zur Sicherung des Verfalles geboten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist. Der Bescheid ist dem anwesenden Inhaber des in Beschlag zu nehmenden Gegenstandes bei der Beschlagnahme zuzustellen.

Wenn die Beschwerdeführerin als Verfahrensrüge vorbringt, bestimmte Personen seien im Verfahren nicht gehört worden, es sei kein den Bestimmungen des AVG (richtig wohl: FinStrG) entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt und Verfahrensgrundsätze verletzt worden, dann verkennt sie, unter welchen Voraussetzungen die Finanzstrafbehörde die Beschlagnahme nach § 89 Abs. 1 FinStrG vorzunehmen hat.

Bei dem Rechtsinstitut der Beschlagnahme durch die Finanzstrafbehörde nach § 89 Abs. 1 FinStrG handelt es sich um ein Verfahren, das der zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache (Wegnahme) zum Zwecke deren Verwahrung dient und in dem Entscheidungen im Verdachtsbereich zu treffen, aber keine abschließenden Lösungen zu finden sind.

Als zeitlich begrenzte Maßnahme endet sie entweder durch die Freigabe bzw. Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes oder durch den rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls.

Daß der Beschuldigte das mit Verfall "bedrohte" Finanzvergehen begangen hat, braucht im Zeitpunkt des Ausspruches der Beschlagnahme noch nicht nachgewiesen zu sein, weil diese Aufgabe ebenso wie die Feststellung, daß bestimmte Personen den Verfall gegen sich gelten zu lassen haben, erst dem Untersuchungsverfahren nach §§ 114 ff FinStrG und dem Straferkenntnis zukommt. Es genügt, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Es müssen hinreichende Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines mit der Sanktion eines Vermögensverlustes - in der Gestalt des Verfalls - bedrohten Finanzvergehens in Frage kommt (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/16/0028).

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, die beschlagnahmte Handschrift aus dem 12. Jahrhundert sei keine Ware im Sinne des Zollgesetzes und des Finanzstrafgesetzes, weil es dafür keinen "Markt" gebe und sie keinen "Verkehrswert" habe. Dabei übersieht sie, daß nach § 2 Abs. 1 ZollG Waren im Sinne des Zollgesetzes bewegliche körperliche Sachen aller Art sind. Demnach besteht kein Zweifel, daß die beschlagnahmte Handschrift eine Ware im Sinn des Zollgesetzes und des § 35 Abs. 1 FinStrG ist. Daß die Ware auch einen "Wert" hat, ist schon aus den Verkaufsverhandlungen der Beschwerdeführerin errichtet.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin könne ferner kein Zweifel daran bestehen, daß die Handschrift einen hohen wissenschaftlichen, kulturellen sowie insbesondere historischen (nicht jedoch wirtschaftlichen) Wert habe. Für solche "Waren" sei nach § 31 ZollG bzw. dem Abkommen über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters (UNESCO-Abkommen, BGBl. Nr. 180/1958) die Abgabenfreiheit zu gewähren. Es könne daher nicht von einer Verletzung einer Stellungs- oder Erklärungspflicht gesprochen werden, da von vorneherein von einer Zollfreiheit der mitgeführten "Waren" auszugehen sei.

Die Abgabenfreiheit gemäß § 31 ZollG und dem genannten Abkommen ist nur auf Antrag zu gewähren (§ 29 Abs. 1 ZollG). Über den Antrag auf Gewährung der Abgabenfreiheit ist nach Prüfung des Antrages und allenfalls durchzuführenden Ermittlungen nach Maßgabe der zollrechtlichen Bestimmungen mit gesondertem Bescheid zu entscheiden. Wer eine solche Abgabenfreiheit in Anspruch nehmen will, hat überdies das Vorliegen der hiefür maßgebenden Voraussetzungen nachzuweisen. Wenn der Nachweis nach den Umständen nicht zumutbar ist, genügt Glaubhaftmachung (§ 10 ZollG). Solche Waren, für die die Abgabenfreiheit gewährt wird, sind anläßlich der Einfuhr dem Grenzzollamt zu stellen. Entgegen der von der belangten Behörde (auch in der Gegenschrift) vertretenen Ansicht ist die Erfüllung der Stellungspflicht nach § 48 ZollG aber nicht Voraussetzung für die Gewährung der Begünstigung, sodaß auch für unter Verletzung der Stellungspflicht eingebrachte Waren die Abgabenfreiheit gewährt werden kann.

Die Behauptung, es lägen die Voraussetzungen der Abgabenfreiheit gemäß § 31 ZollG und des genannten Abkommens vor, wurde erstmals dezidiert, soweit es um die Beschlagnahme geht, in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und, soweit es um die Abgabenfestsetzung geht, in der nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides eingebrachten Berufung gegen den Abgabenbescheid geltend gemacht.

Zwar sind rechtliche Überlegungen an sich vom Neuerungsverbot nicht erfaßt; werden jedoch Rechtsausführungen vorgebracht, deren Wahrnehmung zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen erfordert, müssen diese bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen werden. Rechtsausführungen, die nur unter Einbeziehung von Sachverhaltselementen stichhältig sind, die im Verwaltungsverfahren nicht einbezogen wurden, müssen daher kraft Neuerungsverbotes vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich bleiben (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/06/0118).

Die auf Antrag zu gewährenden Abgabenfreiheiten können nicht von Amts wegen berücksichtigt werden. Die belangte Behörde hatte bei ihrer Entscheidung daher mit Recht von einer eingangsabgabepflichtigen Ware auszugehen. Allfällige Änderungen werden in dem nach der dem Verwaltungsgerichtshof mitgeteilten Aktenlage noch nicht abgeschlossenen Finanzstrafverfahren zu beachten sein.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid - wie oben dargestellt - mit dem Verschulden der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt. Die Behauptung des Fehlens einer Schädigungsabsicht, des Verhandelns mit einer "öffentlich-rechtlichen Stelle" und des "Durchwinkens" durch die Zollorgane vermag den Verdacht des Vorliegens eines für den Ausspruch des Verfalls erforderlichen Vorsatzes im Beschlagnahmeverfahren nicht zu entkräften.

Zum Tatbestand des § 35 Abs. 1 FinStrG gehört nicht, ob die eingeschmuggelte Ware zum Verkauf im Zollgebiet angeboten wurde. Ermittlungen und Feststellungen darüber, ob Kaufverhandlungen und mit welchem Ergebnis sie stattgefunden haben, sind für die Erfüllung dieses Tatbestandes (§ 35 Abs. 1 FinStrG) ohne Belang. Der Vorwurf, solche Ermittlungen und Feststellungen nicht getroffen zu haben, geht daher ins Leere.

Der belangten Behörde kann weiters nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Beschlagnahme der Ware schon deswegen als geboten erachtete, weil sonst nach der eigenen Aussage der Beschwerdeführerin die Gefahr bestanden hätte, die Ware werde wieder ins Zollausland verbracht und dem Zugriff der Behörde entzogen.

Über die Unverhältnismäßigkeit des Verfalls der Ware kann erst in der das Strafverfahren abschließenden Sachentscheidung nach Durchführung eines Untersuchungsverfahrens und Kenntnis aller Tatumstände abgesprochen werden und nicht schon im Beschlagnahmeverfahren.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.